Das Ende der Zielgruppe

Warum Metaphern aus der Jagd der Vergangenheit angehören

Das Denken in Zielgruppen, die „anvisiert“ und dann „zur Strecke gebracht“ werden, ist heute überholt. In der neuen Wirtschaft sind Kunden keine Beute und Verkäufer keine Jäger mehr. Die Metaphern aus der Jagdsprache spiegeln nur das Denken herkömmlicher Vertriebler. Der PreSales-Marketeer jedoch geht genau umgekehrt vor: Er macht sich selbst zur Zielgruppe für die Kunden. Auf Leuchtturm-Unternehmen kommen Kunden aktiv zu, und sie „jagen“ ihrerseits nach dem besten Angebot.
Die Zielgruppe ist ohnehin eine veraltete Kategorie. Das Marketing danach auszurichten ist reine Energieverschwendung. Die Gesellschaft ist derart individualisiert, dass es kaum mehr einheitliche Käufergruppen gibt. Jeder hat seine ganz persönlichen Ansprüche, die er dank eines vielfältigen globalen Marktes auch verwirklichen kann. Wer in dem Schubladendenken der Zielgruppe gefangen ist, läuft Gefahr, potentielle Kunden, die sich darin nicht einordnen lassen, zu übersehen.
Deshalb wurde die Idee der Zielgruppe abgelöst von der Vorstellung von Lebensstiltypen. Die Theorie besagt, dass Menschen, die einen ähnlichen Lebensstil pflegen, denken ähnlich und ähnliche Kaufinteressen haben. Ein Lebensstiltyp ist eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamer Grundhaltung und gemeinsamen Werten. Ein Beispiel ist der „LOHA“, der einen „Lifestyle of Health and Sustainability“ pflegt. Diese Menschen sind darum bemüht, durch ihr Konsumverhalten und die gezielte Auswahl Gesundheit und Nachhaltigkeit zu fördern. 44 Prozent der Bundesbürger identifizieren sich mit diesem Typ, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Ende 2008 ergab.
Aber auch der Lebensstil sagt nicht immer viel aus. Einzelne Phänomene ziehen sich heute durch alle Käufergruppen. So werden Harry-Potter-Bücher von mehreren Millionen Menschen in aller Welt gelesen, und zwar von Kindern und Eltern, von Hauptschülern und Akademikern. Der Rückschluss, dass alle Leser den gleichen Lebensstil pflegen und daher neben Harry Potter auch weitere gemeinsame Interessen haben, ist jedoch falsch.
Also greift auch dieses Konzept zu kurz. Im vorigen Kapitel habe ich gezeigt, wie Unternehmen ihre Zielgruppe anhand öffentlich zugänglicher Daten filtern. Tupper etwa würde seine Werbemaßnahmen eher an eine Hausfrau als an einen Vorstandsvorsitzenden richten. Als Filter dient in diesem Fall die Berufsbezeichnung. Demnach würde eine Hausfrau als potentieller Kunde gelten, ein Konzernchef aber nicht. Was aber, wenn der Vorstandsvorsitzende des Konzerns begeisterter Koch ist und seine hochwertigen Lebensmittel gerne in Tupperdosen aufbewahrt? Dann hätte Tupper einen kaufkräftigen Kunden ignoriert.
Das Denken in Zielgruppen verengt die Sichtweise. Viele Menschen, die zu den potentiellen Kunden gehören, werden durch das herkömmliche Marketing von vornherein ausgeschlossen.
Das PreSales Marketing hingegen verwandelt das Unternehmen in die Zielgruppe. Statt zu angeln, arbeite ich mit Schleppnetzen. Ich werfe Köder aus, um potentielle Kunden auf mein Angebot aufmerksam zu machen. Dabei spreche ich gezielt Grundbedürfnisse meiner potentiellen Kunden an, etwa den Wunsch nach Sicherheit oder nach Entspannung. Wenn ich Tupper bewerben sollte, würde ich auf den Wunsch anspielen, das Leben möglichst einfach zu gestalten – die Tupperware hilft beim Organisieren der Vorräte und erleichtert das Haushalten. Das ist viel effektiver, als mit der Qualität der Dosen zu werben. Denn so werden auch Kunden bei mir landen, die vorher gar nicht wussten, dass sie Tupperware brauchen. Eventuell wird ein Bastler Tupperware kaufen, um seinen Vorrat an Schrauben neu zu ordnen. So gewinne ich Kunden, die ich bei einer Zielgruppenanalyse niemals gefunden hätte.

Bedarfsgruppen statt Zielgruppen

Jemand, der den Impuls verspürt, seinen Körper zu entschlacken und sein Leben besser zu organisieren, möchte vielleicht auch sein Haus entrümpeln und seine Versicherungen überprüfen lassen. Ein Versicherer könnte diesen Zusammenhang nutzen und auf Webseiten für Entgiftungskuren, Fastenwandern oder für Wellnessaufenthalte werben mit einem Slogan wie: „Entschlacken Sie Ihre Versicherungen.“
Die Botschaft der Werbung lautet dann: „Wir helfen Ihnen, Ihre Wünsche wahr werden zu lassen.“ Der Kunde, der nach „entschlacken“ im Internet suchte, bedachte vielleicht gar nicht, dass er gerne auch seine Versicherungen neu ordnen würde. Dabei geht mit dem Wunsch nach körperlicher Entschlackung häufig auch der Wunsch einher, im gesamten Leben aufzuräumen und Überflüssiges über Bord zu werfen. Daher passt das Angebot, die eigenen Versicherungen auf doppelte Absicherungen zu überprüfen und überteuerte Angebote durch günstigere zu ersetzen, genau in diesen Zusammenhang. Der Interessent für Entschlackungskuren wird deshalb gerne das Angebot des Versicherers annehmen, der diese Verbindung erkannt hat. Solche Angebote nerven nicht, denn sie treffen genau den Bedarf des Kunden.
Anstelle von Zielgruppen sollten Unternehmen daher an Bedarfsgruppen denken. Bedarfsgruppen umfassen Personen unterschiedlichen Alters, mit verschiedenen Lebensstilen und Berufen. Die Jugendlichen von heute schließen auch Bausparverträge ab, während einst nur Ältere eine solche Art der Vorsorge wählten. Senioren wiederum gehen nicht nur in den Park, sondern immer häufiger auch surfen. Daher ist es schwer geworden, seine Zielgruppe zu kennen. Außerdem sind viele Angebote nicht auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnitten. Ein Webdesigner etwa weiß nicht, wem er seine Angebote unterbreiten soll, denn sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen und Vereine brauchen Internetseiten. Die Zielgruppe eines Webdesigners ist also riesig und unüberschaubar.
Zielgruppen werden durch die Brille des Unternehmers erkannt. Die Einteilung in Bedarfsgruppen aber benutzt die Brille des Kunden. Und weil der Kunde selbst am besten weiß, ob und welchen Bedarf er hat, unterbleibt für die Unternehmen das große Rätselraten der Zielgruppenanalyse.
Ein Versicherungsvertreter, der Bedarfsgruppen anspricht, könnte neben dem Thema „Entschlacken“ auch das Thema „Sicherheit“ bewerben. Junge Leute etwa sehnen sich in der Phase der Familiengründung nach Sicherheit. Also sind sie interessiert daran, Versicherungen abzuschließen, die bisher nicht nötig waren.

Die Angst vor dem Datenklau

Finanzinstitute und Versicherungen analysieren regelmäßig den Markt und bilden Bedarfsgruppen. Sie sammeln Kundendaten und setzen alles daran, maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten. Verbraucherschützer schreien dann mitunter Alarm. Dabei sind die Bedenken, die angesichts solcher Datensammlungen geäußert werden, recht kindisch, denn die Privatsphäre wird in der Regel nicht berührt.
Viele Menschen sind heute dazu bereit, Informationen über sich preiszugeben – wenn sie wissen, wozu diese verwendet werden. Warum sollten sie es auch nicht tun? Wer einen Teil seines Lebens transparent macht, bekommt viel eher Angebote, die ihn interessieren. Heute müssen wir nur deshalb noch im Internet nach Angeboten suchen, weil niemand erkennt, was wir eigentlich brauchen.
Wenn meine Frau hochschwanger durch die Stadt läuft, ist für jeden ersichtlich, dass wir Nachwuchs erwarten. In dieser Lage sind wir offen für Anbieter, der uns Testberichte und Preisvergleiche von Kinderwagen und Kindersitzen zukommen lässt. Angesichts der stressigen Phase, in der wir unser Leben neu organisieren, um das Kind willkommen zu heißen, haben wir wenig Zeit, diese Recherchen selbst zu machen. Über einen solchen Service wäre ich daher so begeistert, dass ich sofort kaufen würde. Mehr noch: Ich würde zusätzlich Angebote für ein Kinderbett und Babysachen einholen.
Der Anbieter hat den Zustand meiner Frau offensichtlich erkannt. Aber in meiner Privatsphäre fühle ich mich dadurch nicht gestört. Deshalb halte ich auch die Angst vor einer Sammelwut von Daten für unbegründet. Ich bin ohnehin seit meiner Geburt aktenkundig. Mein Personalausweis führt mein Geburtsdatum, meine Größe und meine Augenfarbe auf.
Heutzutage glauben viele Menschen, ihre Privatsphäre beschützen zu müssen, obwohl es nichts Intimes zu schützen gibt. Damit verkennen sie den Nutzen, den Datensammlungen ihnen als Kunden bieten. Wenn die Sparkasse weiß, welcher Kunde soeben eine Familie gegründet hat, dann weiß sie auch, dass dieser eher an einer Lebensversicherung als an einem Hedge Fonds interessiert ist.
Natürlich, auch hinter maßgeschneiderten Angeboten ist die Verkaufsabsicht spürbar. Amazon zeigt mir nur deshalb Hinweise auf Bücher an, die mit meiner aktuellen Suche verwandt sind, weil das Versandhaus mir etwas verkaufen will. Aus demselben Grund senden sie mir auch E-Mails mit Sammelangeboten aus den Kategorien, aus denen ich schon gekauft habe. Na und? Ich muss ja nicht wieder kaufen, ich kann die Mail auch löschen. Aber wenn ein Restaurant notiert, dass ich eine Getreideallergie habe und bei meinem nächsten Besuch darauf Rücksicht nimmt, bin ich begeistert. Ich muss nämlich den Kellner nicht zum zehnten Mal darauf hinweisen, welche Speisen ich nicht vertrage.
Der bekannte Schindlerhof in Nürnberg, der für seinen Service bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, geht sogar noch einen Schritt weiter: Die Bücher aus der hoteleigenen Bibliothek schlagen die Hotelliers auf der Seite auf, wo der Gast beim letzten Besuch aufgehört hat zu lesen.
Alle diese Angebote sind gut gemacht, da sie dem Kunden nutzen. Der Nutzen muss allerdings immer deutlich sein, sonst wird ein solches Vorgehen eher abgelehnt. Stark kritisiert wurde, dass Facebook Userdaten an Dritte verkauft. Die einen schrien auf, die anderen zuckten mit den Schultern und verstanden nicht, was die ganze Aufregung soll. Die hitzige Debatte ist jedoch nur entstanden, weil Facebook nicht deutlich kommuniziert hat, wo der Nutzen für die Teilnehmer liegt. Es war also ein Kommunikationsproblem. Hätten die User gewusst, welchen Vorteil sie davon haben, dass Dritte ihre Daten erhalten, hätten sie sich niemals aufgeregt.
Natürlich dürfen nicht alle persönlichen Daten offengelegt werden. Für mich endet die Transparenz beispielsweise, wenn meine Kinderkrankheiten im Internet aufgelistet werden. Wenn sie aber auf einer verschlüsselten Seite stünden, die nur Ärzten zugänglich wäre, dann wäre ich damit einverstanden. Ich müsste nicht bei jedem Arztbesuch meine ganze Geschichte von Neuem erzählen.
PreSales Marketing arbeitet jedoch weder mit Zielgruppen noch mit selbst erstellten Bedarfsgruppen. Beim PreSales Marketing sorgt das eigene Netzwerk dafür, dass sich die Bedarfsgruppen automatisch beim Anbieter melden. Allerdings funktioniert das System nur, wenn die Qualität des Produkts den Kundenerwartungen entspricht. Stimmt diese nicht, so verwandelt sich das selbstverstärkende System des PreSales Marketing in ein selbstzerstörendes System.
Denn ein schlechter Ruf spricht sich genauso schnell herum wie ein guter Ruf. Davon zeugt etwa der Misserfolg der Mercedes A-Klasse beim sogenannten Elch-Test. Der Test ist in Schweden vorgeschrieben. Dabei wird simuliert, dass ein Kind plötzlich auf die Straße springt und der Autofahrer ausweichen muss. 1997 scheiterte Mercedes daran. Das kurze, aber hohe A-Modell kippte bei diesem Test um. Die PR-Abteilung von Mercedes nannte den Test daraufhin „Elch-Test“, um anzudeuten, dass es sich um einen ganz unwahrscheinlichen Fall handele. Doch aller PR-Aufwand blieb vergeblich. Das auf dem deutschen Markt vielbeworbene Modell hatte keine Absatzchance mehr. In Schweden erhielt sie kurz nach dem Elch-Test den Spitznamen „Vält-Klasse“ – ausgesprochen wie „Weltklasse“ bedeutet die Wortschöpfung „Umkippklasse“. Erst als Mercedes nachrüstete und der A-Klasse das damals noch seltene EPS-System spendierte, kam der Verkauf endlich in Gang.
Als Anbieter muss ich sicher sein, dass meine Produkte einem Qualitätstest standhalten. Erst dann kann ich das Schleppnetz auswerfen, um potentielle Kunden zu finden. Das funktioniert am besten in den sozialen Netzwerken des Internets.
Wenn ich potentielle Kunden erstmals anspreche, stelle ich ihnen etwa ein kostenloses E-Book zur Verfügung. Hat jemand wirklich Interesse an meinem Angebot, so erkenne ich das daran, dass er das E-Book anfordert. Allerdings muss er mir im Gegenzug auch etwas geben, zum Beispiel seine E-Mail-Adresse. Gibt er sie mir nicht, dann hat er kein Interesse. In der Folge werden nur noch diejenige angesprochen, die Interesse an meinem Angebot gezeigt haben. Die Tatsache, dass sich ein potentieller Kunde durch meine Aktivitäten angesprochen fühlt, sagt mehr über ihn aus als alle Statistiken oder Einteilungen in Zielgruppen. Durch eine stetige Beziehungspflege, bei der ich immer darauf achte, dass die Beziehungskonten im Plus bleiben, bringe ich die Kunden zu einem Geschäftsabschluss. Durch dieses Vorgehen erspare ich mir die Suche nach Zielgruppen. Die Kunden gesellen sich selbst zu einer Bedarfsgruppe und kaufen bei mir, weil bereits eine Beziehung aufgebaut wurde.

Networking alleine führt nicht weit

Warum alles auf den Abschluss ausgerichtet ist

Networking ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel, Kunden anzulocken und mit ihnen Geschäfte abzuschließen. Der Prozess ist vergleichbar mit einem Heiratsantrag: Der Mann besorgt einen Ring, lädt seine Traumfrau in ein stimmungsvolles Restaurant ein, wählt ein tolles Essen aus und bittet den Ober nach der Vorspeise, ungestört zu sein. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem der Mann seinen ganzen Mut zusammennehmen, den Ring zücken und die Frage stellen muss: „Möchtest Du mich heiraten?“
Genau so funktioniert PreSales Marketing: Ich habe mich als Experte positioniert, ein Netzwerk aufgebaut und meine potentiellen Kunden mit Informationen versorgt. Jetzt ist mein Gesprächspartner bereit für den nächsten Schritt. An diesem Punkt muss ich nun in Aktion treten und ohne zu zögern die Frage stellen: „Lieber Kunde, möchten Sie ein Angebot erhalten?“ Oder, wenn bereits ein Angebot vorliegt: „Möchten Sie auf Grundlage meines Angebots kaufen?“ Denn egal, ob ich dem Kunden mein Produkt oder zunächst nur mein Angebot verkaufe: Alle meine Aktivitäten sind auf den Abschluss ausgerichtet.
Das PreSales Marketing gleicht einem Spannungsbogen. Ob in Filmen oder Theaterstücken: Dieser läuft immer auf den Höhepunkt zu. Dabei ist es ein Irrglaube, dass bei einem Verkaufsabschluss eine Win-win-Situation entsteht. Bestenfalls erreicht man einen Pseudo-Kompromiss. In Wirklichkeit siegt im Geschäftsleben, genau wie in der Natur, immer der Stärkere. Wenn die Gazelle das Angebot ist und der Löwe die Nachfrage, ergibt sich niemals eine Win-win-Situation. Der Verkäufer möchte einen möglichst hohen Preis erzielen, der Käufer zu einem möglichst geringen Preis kaufen. Diese Ziele widersprechen sich. Wer wird seine Interessen durchsetzen? Der Stärkere!
Natürlich gibt es in der Wirtschaft wie in der Natur verschiedene Strategien. Eine Pflanze öffnet ihre Blüte und bietet den Bienen Nektar im Tausch gegen die Bestäubung. Das ist tatsächlich eine Win-win-Situation. Aber eine fleischfressende Pflanze lockt ihre Opfer an, um sie letzlich zu verdauen. Hier ist der Gewinn einseitig. In der Wirtschaft kann jeder Unternehmer entscheiden, welche Strategie er verfolgt.

Wie ich mich als Unternehmer multiplizierte

Ich selbst entdeckte das PreSales Marketing als meinen Weg, als ich 2007 vor der Herausforderung stand, meinen Umsatz um drei Prozent zu steigern. Dies war mein erklärtes Ziel. Doch meine Erfahrung sagte mir, dass ich jeden potentiellen Kunden sieben bis zwölf Mal ansprechen muss, bevor ein Geschäftsabschluss erfolgt. Wenn ich meinen Umsatz um drei Prozent steigern wollte, müsste ich also 40 Telefonate mit potentiellen Neukunden führen – pro Tag. Telefonate, bei denen ich nur die Sekretärin oder den Anrufbeantworter erreichte, zählten nicht. Es müssten 40 Telefonate mit direktem Kontakt zu einem möglichen neuen Kunden sein. Also 40 „Netto-Telefonate“, wie ich sie nenne. Das sind umgerechnet etwa 200 „Brutto-Telefonate“ in der Woche und das zusätzlich zu meinem bestehenden Arbeitspensum. Mir war sofort klar, dass dies unmöglich war.
Daher überlegte ich, ein oder zwei Verkäufer einzustellen. Fest angestellte Verkäufer würden allerdings meine Fixkosten erhöhen. Und diese Kostensteigerung würde den Gewinn durch einen um drei Prozent erhöhten Umsatz wieder auffressen.
Daher war ich gezwungen, ein neues System zu finden. Ich machte mir bewusst, dass meine Stärke der Geschäftsabschluss ist. Wenn der Kunde vor mir am Tisch sitzt, gelingt mir fast immer ein Abschluss. Doch irgendwie musste ich den Kunden erst an den Tisch bringen und zwar nicht durch Zufall, sondern systematisch.
Meine vielfältigen Kontakte könnte ich sicherlich besser nutzen. Außerdem interessierte mich die Technik des Web 2.0, das damals aufzusteigen begann. Meiner Überlegung zufolge brauchte ich drei Elemente, um mein Ziel zu erreichen: eine Strategie, potentielle Kunden und ein System.
Ich nahm mir vor, meinen Status als Experte auszubauen und eine Reputation zu erringen, die meinen Umsatz automatisch verbessern würde. Anstatt neue Kunden zu gewinnen, wollte ich bei meinen Stammkunden höhere Preise durchsetzen. – Andere Unternehmen werden sich andere Ziele setzen. Vielleicht den Umsatz derart zu erhöhen, dass dadurch die eigene Bekanntheit steigt. Das wäre genau die umgekehrte Vorgehensweise.
Welche Kanäle ließen sich denn miteinander kombinieren und zwar ohne hohen finanziellen Aufwand? Wie kann ich ein Produkt mehrfach verwerten? Hier drängt es sich geradezu auf, die verschiedenen Internetkanäle zu nutzen: Wenn ich einen Text für meinen Newsletter geschrieben habe, kann ich ihn in eine Pressemitteilung übernehmen. Etwas anders formuliert kann ich ihn in meinen Blog stellen, Auszüge daraus lassen sich twittern. Eine Produktbeschreibung aus meinem Verpackungslexikon kann ich als Artikel in einem Newsletter veröffentlichen und gleichzeitig in gesprochener Form als Podcast versenden.
Der Aufwand ist gering. Denn es ist eine einmalige Arbeit, diese Kanäle aufzubauen. Das Erstellen der Inhalte kann ich teilweise delegieren. Ich muss nur noch die Inhalte an die Kanäle anpassen. Die potentiellen Kunden werden mir in den sozialen Netzwerken auf dem Silbertablett präsentiert. Früher musste ich noch Adressen ankaufen, deren Nutzen ungewiss war. Heute finde ich detaillierte Angaben zu den Bedürfnissen potentieller Kunden im Internet. Zu Verkaufszwecken ist das World Wide Web deshalb eine wahre Fundgrube.
Jeder Unternehmer kommt irgendwann an den Punkt, an dem er mit Arbeit ausgelastet ist. Spätestens dann ist es Zeit, sich Gedanken über eine Strategie zu machen, die die eigene Energie vervielfacht. Ich habe sie für mich gefunden: Mit dem PreSales Marketing halte ich den Schlüssel in der Hand, um meine Fähigkeiten zu multiplizieren.
Diese Strategie macht das klassische Marketing aber keineswegs überflüssig. Wenn ich Kugelschreiber verteile mit dem Aufdruck www.verpackungslexikon.de oder www.xing-erfolgreich-nutzen.com, mache ich mit klassischen Mitteln auf meine Kanäle im Internet aufmerksam. Ich schreibe auf meine Angebote: „Beachten Sie auch www.verpackungslexikon.de“. Briefumschläge versehe ich mit dem Aufkleber „Lesen Sie Tipps zum Geld sparen in unserem Newsletter“. So verschmelze ich die Möglichkeiten des klassischen Marketing mit jenen der Neuen Medien – mit großem Erfolg für die Kommunikation.
Wer heute die Neuen Medien vernachlässigt, verzichtet auf handfeste Vorteile. Digitale Medien sind preisgünstiger und schneller als herkömmliche. Einen Brief per Post zu versenden, kostet Papier und Porto. Außerdem dauert der Versand selbst bei einem professionellen Label-Dienst mindestens einen Tag. Eine Mail ist mit einem Mausklick schon beim Empfänger. Und sie zu versenden kostet nichts.
Natürlich bleibt es jedem überlassen, wie er mit den Neuen Medien umgeht. Ein Unternehmer kann auch weiterhin jeden Kunden persönlich besuchen. In einer XING-Diskussionsgruppe jedoch trifft er zehn Kunden gleichzeitig. Dabei muss er sich gar nicht für eine einzige Strategie entscheiden. Die alten Methoden kann er bewahren und durch die neuen Methoden sinnvoll ergänzen.

Was Drücker und Netzwerker unterscheidet

Klassische Drückerkolonnen arbeiten auch mit Kontakten. Einige Verkaufssysteme basieren darauf, dass man ein Produkt seinen Freunden verkauft, dann die Freunde als Verkäufer anwirbt und von ihnen Provisionen kassiert. Diese Strategie basiert zwar auf Kontakten, ebenso wie die berühmten Tupper-Partys. Beide unterscheiden sich aber grundlegend vom PreSales Marketing. Diese Methoden ähneln eher dem Spam, weil der Empfänger ungefragt überfallen wird. Hier wird kein vorbereitender Kontakt aufgebaut. Hier wird lediglich versucht, ein Produkt in den Markt zu drücken.
Dabei könnte auch Tupperware mit PreSales Marketing arbeiten. Der erste Schritt wäre das Angebot eines kostenlosen Produkts, sagen wir einer Rezeptsammlung. Der zweite Schritt ist ein Newsletter: „Machen Sie Ihr Leben einfacher mit Tupper.“ In dem Newsletter wäre dann die Einladung zu einer Tupper-Party erhalten. Das heißt: Nur wer das kostenlose Produkt anfordert, dann den Newsletter bestellt und dann zur Party kommt, gehört zur Zielgruppe. Der potentielle Käufer hat in jedem Schritt des PreSales Marketing sein Interesse an Tupper bekräftigt.
PreSales Marketing kombiniert Push- und Pull-Faktoren. Zunächst wird ein potentieller Kunde auf das Produkt aufmerksam gemacht, danach bekundet er sein Interesse selbst. Dies funktioniert nur, wenn die angesprochene Person wirklich ein potentieller Kunde ist. Ein Vorstandsvorsitzender eines Großkonzerns ist kein potentieller Tupper-Kunde, eine Hausfrau allerdings schon. Der Kreis der potentiellen Kunden muss vorher exakt eingegrenzt werden.

Mit dem Kunden in Beziehung sein

Touristen werden in Urlaubsorten oft auf der Straße angesprochen mit Einladungen wie: „Kommen Sie in unser Restaurant, essen Sie, trinken Sie und nehmen Sie am Ende auch einen Nachtisch!“ Diese Strategie ist allerdings selten erfolgreich.
Wenn ein Tourist aber zu einem kostenlosen Tee in ein Teehaus eingeladen wird und der Ober dann ein süßes Teilchen oder Stück Kuchen anbietet, wird der Gast in der Regel das Gebäck annehmen, obwohl er dafür zahlen muss. Die Situation ist nämlich eine andere als vorher, als der Tourist noch auf der Straße stand. Wenn ein Gast das Lokal schon betreten und am Tisch Platz genommen hat, wird der Verkauf einfacher. Der Ober hat es ja geschafft, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Bestellt der Kunde einen Hauptgang, dann ist das ein Geschäftsabschluss. Nimmt er nach dem Essen noch ein Dessert, dann ist das ein zweiter Geschäftsabschluss. Stimmt der Kunde schließlich auch einem Kaffee zu, dann ist das ein dritter Geschäftsabschluss.
Im Restaurant finden die Geschäfte in enger zeitlicher Abfolge statt. Das ist in der Wirtschaft natürlich selten der Fall. Ich will damit nur eine Sache betonen: Ein Kunde geht nach einem Geschäftsabschluss nicht verloren, sondern bleibt Kunde. Deshalb ist es so wichtig, auch nach dem Verkauf die Beziehung zum Kunden aufrechtzuerhalten.
Ein Geschäft ist nichts anderes, als einem Kunden mit Argumenten den Nutzen eines Produkts zu erklären. Es soll eines seiner Probleme lösen. In dem Moment, in dem er zugreift, ist der Kunde also vom Nutzen des Produktes überzeugt – auch wenn es sich später als Staubfänger herausstellt. Was den Verkauf aber heute immer schwieriger macht, ist, dass viele Produkte austauschbar sind. Der Kunde steht vor einer riesigen Auswahl, der Verkäufer wiederum vor einem Dilemma.
Genau hier setzt das PreSales Marketing an, indem es die Abfolge des Geschäftsabschlusses umdreht: Zunächst überzeuge ich den Kunden, dass ich der richtige Verkäufer für ihn bin. Dann erst stelle ich den Nutzen des Produktes heraus. Halte ich diese zwei einfachen Regeln ein, tendiert der Aufwand für den Geschäftsabschluss gegen Null. Je besser das PreSales Marketing war, desto einfacher kann ich den Kunden zu einem Abschluss bringen. Dann wird der Kunde auch Anschlussaufträge vergeben, ohne erneut Angebote einzuholen und zu vergleichen. Denn nach dem Auftrag ist vor dem Auftrag. Und mit PreSales Marketing kann ich beim Abklang schon das nächste Geschäft vorbereiten.
Um auf die Situation im Restaurant zurückzukommen: Stellt der Ober die Frage: „Möchten Sie noch einen Kaffee?“ und der Gast antwortet: „Was würde der kosten?“, dann wurde das PreSales Marketing nicht richtig umgesetzt. Denn der Gast hat anscheinend noch Widerstände gegen den Kauf.
Ein gutes Restaurant wendet die Methoden des PreSales Marketing unbewusst an. Hier fühlt sich der Kunde von Anfang an gut aufgehoben. Das Ambiente stimmt, beim Eintreten nimmt ihm ein Ober den Mantel ab. Dann überreicht er ihm einen kostenlosen Aperitif. Schon fühlt sich der Kunde wie ein König. Als nächstes wird er an einen Tisch gebeten, die Stühle werden ihm zurecht gerückt und der Ober zündet die Kerze an. Die Speisekarten sind nicht lieblos auf einen Ständer gesteckt, sondern werden persönlich überreicht – so wie sich das gehört, um das Ausgehen zu zelebrieren.
Es macht einen Unterschied, ob der Ober an den Tisch tritt, seinen Block aufschlägt und den Gast wortlos anstarrt oder ob er fragt: „Darf ich Ihnen heute etwas empfehlen?“ oder „Haben Sie heute einen besonderen Wunsch?“ Auch nach dem Hauptgang ist das Geschäft noch nicht beendet. Der Gast möchte vielleicht noch ein Dessert oder einen Kaffee. Die Abfolge der einzelnen Schritte entspricht dem Spannungsbogen eines Theaterstücks oder eines guten Films.
Jeder Gang und jeder Zwischenschritt ist das PreSales Marketing für den folgenden Schritt. Die Beziehung zwischen Gast und Ober bleibt die ganze Zeit erhalten. In dieser Konstellation ist das Verkaufen ein leichtes Spiel.

Nur wer ausgeht, findet Freunde

Warum Eigenbrötler nur selten am Markt erfolgreich sind

Tom Cruise hat keine Mailadresse. Angeblich trägt er auch keine Uhr und führt keine Brieftasche mit. Gut, der Star kann überall auf Rechnung anschreiben lassen. Bei seiner Auftragslage kann er sich sogar leisten, nicht erreichbar zu sein. Wer Tom Cruise finden will, muss sich an seine Agentur wenden. Also hat der Weltstar in gewisser Weise doch eine Mail, nur dass er den Kontakt zur Außenwelt an andere delegiert hat.
Ein Superstar wie Tom Cruise kann es sich erlauben, sich von der digitalen Welt abzuschotten. Solange aber ein Unternehmen es nötig hat, weitere Kunden zu akquirieren, muss es ansprechbar und auffindbar sein – auch im Internet und per Mail.
Damit eine Firma ganz ohne Werbung wahrgenommen wird, muss sie wahnsinnig gut positioniert sein. Und selbst die seltenen Vögel, die zu diesem Kreis gehören, verzichten so gut wie nie auf eine Internetpräsenz. Ich denke dabei an weltbekannte Namen wie BMW. Vielleicht hat der dortige Vorstandsvorsitzende keine Mailadresse vom Typ vorstandsvorsitzender@bmw.de. Aber sicherlich ist er über sekretariat@bmw.de oder eine ähnliche Adresse erreichbar. In der Wirtschaft ist es heutzutage nur in Ausnahmefällen möglich, auf das Internet und die sozialen Netzwerke zu verzichten.
Natürlich gibt es Menschen, die ohne Fernsehen, Navigationsgerät oder Klimaanlage auskommen. Diese brauchen im Zweifel auch Twitter und Facebook nicht. Und jedem ist selbst überlassen, wie er lebt und welche Entwicklungen für ihn sinnvoll ist.
Es gibt sogar noch kleine Betriebe, die im Netz nicht zu finden sind. Etwa jedes fünfte Unternehmen ist weiterhin ohne eigene Internetpräsenz, klagte August-Wilhelm Scheer, Gründer der IDS Scheer und Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien Bitkom. Im besten Fall wirkt die Abwesenheit antiquiert. Im schlimmsten Fall werden diese Unternehmen einen hohen Preis für ihre Abschottung zahlen müssen. Denn wer nicht erreichbar ist, wird auch nicht gefunden. Selbst Tom Cruise wird sich eine Mailadresse zulegen, wenn die Angebote ausbleiben. Vermutlich begibt er sich dann sogar selbst auf die Suche nach einem Engagement.

Technikverweigerer sterben aus

Die Lebensbedingungen ändern sich ständig. Für die Menschen sowieso, aber auch für Tiere und Pflanzen. Und die Evolutionsgeschichte lehrt: Die Arten, die es nicht schaffen, sich den neuen Lebensbedingungen anzupassen, sterben früher oder später einfach aus. Weil die Dinosaurier den weltweiten Klimawandel nicht überlebt haben, wurden sie als wichtigste Spezies von den flexibleren Säugetieren abgelöst. Und die Wirtschaft funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Die Saurier der Ökonomie sind die Unternehmen, die heute die technische Entwicklung verpassen.
Manchmal muss man eine Entwicklung mitmachen, einfach, weil sie so weit verbreitet ist. Auch wenn ihre Verbreitung nichts darüber aussagt, wie sinnvoll oder nützlich diese Entwicklung ist. Schließlich kann man nie im Voraus beurteilen, ob eine Entwicklung langfristig positive Auswirkungen hat. Dies zeigt auch der Blick in die Vergangenheit.
Als Nikolaus August Otto im 19. Jahrhundert den Verbrennungsmotor erfand, wurde dies als großer Fortschritt gefeiert. Heute wissen wir, dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe die natürlichen Grundlagen unseres Lebens gefährdet. Deshalb gibt es immer mehr Bemühungen, den Verbrennungsmotor durch intelligentere Antriebssysteme zu ersetzen. Sich aber dem Verbrennungsmotor zu verschließen, hätte damals bedeutet, weiterhin in Pferdekutschen zu reisen und die Waren per Eselskarren zu transportieren. Und das hätte die Menschheit auch nicht weitergebracht.
Wir können aktuell nicht beurteilen, welche technische Entwicklung langfristig vorteilhaft ist und sich durchsetzen wird. Dennoch muss jeder Marktteilnehmer beobachten, welche Möglichkeiten die neuen Techniken bieten und abschätzen, inwieweit er sich beteiligen will. In den meisten Fällen gilt jedoch: Wer sich verweigert, wird von den Mitbewerbern überflügelt.
Wolfgang Grupp, Geschäftsführer des Bekleidungsunternehmens Trigema gehört zu den schärfsten Kritikern der digitalen Medien. „Twitter ist für mich einfach nur dumm und die Menschen, die das nutzen, sind für mich Idioten. Haben die Menschen eigentlich nichts Besseres zu tun, als über belanglosen Kram zu schreiben? Wen interessiert das?”, sagte er in einem Interview. In der Fernsehwerbung tritt Grupp als fürsorglicher Patriarch seines Familienunternehmens auf, das nur in Deutschland produzieren lässt. Als Chef dieses Unternehmens kann er durchaus die Entscheidung treffen, für seine Mitarbeiter keine Mailaccounts einzurichten. Ob dies langfristig zum Erfolg führt, kann nur die Zukunft entscheiden.
Auch Fernsehmoderator Johannes B. Kerner lässt sich angeblich jede Mail von seiner Sekretärin ausdrucken. In einer Sendung im September 2009 bezeichnete er Twitter als „die Pest“. Der Internet-Nachrichtendienst sei journalistisch völlig irrelevant, die dort geposteten Nachrichten einfach nur langweilig. Mag sein, dass der Moderator bei seiner Meinung geblieben ist. In Bloggerkreisen jedenfalls erntete seine Sendung Hohn und Spott.
Man muss nicht auf jeden fahrenden Zug aufspringen, aber man muss erstmal wahrnehmen, dass ein Zug überhaupt vorbeifährt. Twitter und Facebook abzulehnen ist völlig berechtigt. Aber um sie abzulehnen, sollte man sie kennen. Erst nachdem sich jemand mit den Möglichkeiten der neuen Medien beschäftigt hat, kann er entscheiden, ob ihm diese Dienste nützen oder nicht.
Wer soziale Netzwerke nutzt, muss nicht ständig aktiv sei. Er kann eine Zeit lang twittern, dann aussteigen und später wieder twittern. Die neuen Medien lassen sich dosiert benutzen. Gerade deshalb gibt es keinen Grund, sie zu verteufeln, aber auch nicht hochzuloben.
Was auch die Menschen über soziale Netzwerke denken: Die Zahl der Nutzer wächst sehenden Auges. Nach der repräsentativen Online-Studie ARD und ZDF nutzten 2010 in Deutschland 39 Prozent der Internetsurfer private Netzwerke und Communities und weitere sieben Prozent berufliche Netzwerke. Zwei Jahre zuvor waren es nur 25 respektive sechs Prozent gewesen. Vor allem Jugendliche sind in privaten Netzwerken aktiv. 81 Prozent der 14- bis 19jährigen sind dort unterwegs. Die Studie zeigt aber auch, dass nicht alle Mitglieder mit dem Herzen dabei sind. Etwa die Hälfte haben sich nur deshalb registrieren lassen, weil es die anderen auch gemacht haben. Die Zahl derjenigen, die die vielfältigen Möglichkeiten dieser Plattform umfassend nutzen, ist dagegen begrenzt.
In Deutschland hatte Twitter im Juni 2009 beinahe doppelt so viel User wie drei Monate zuvor. Und Facebook verzeichnete im Oktober 2010 über elf Millionen aktive Nutzer. Wer sich diesen Netzwerken und Infodiensten verschließt, verzichtet auf eine Vielzahl wichtiger Kontakte. Denn die Nutzer sind überwiegend gut gebildete Menschen mittleren Alters – die attraktivsten Käuferschichten also. Wer weiterhin erfolgreich Geschäfte tätigen will, muss die neuen Medien nutzen.
Die Twitter-Hasser werden womöglich noch bekehrt. Auch Menschen, die einst Handys vehement ablehnten, besitzen heute eines. Sie haben erkannt, dass ein Mobiltelefon nicht unbedingt bedeutet, dauernd erreichbar sein zu müssen. Wie eine Technologie genutzt wird, hängt schließlich immer vom Einzelnen ab.
Eigenbrötler bleiben auf der Standspur zurück

Der klassische Eigenbrötler, der Alm-Öhi aus Johanna Spyris Kinderbuch Heidi, lebt zufrieden auf seiner Alm ohne viel Kontakt zur Außenwelt. Einmal im Monat steigt er hinab ins Dorf und informiert sich dort über Neuigkeiten. Das reicht ihm an Kommunikation. Und das ist auch völlig legitim – wenn er damit glücklich ist und trotz der wenigen Kontakte erfolgreich seinen Käse vermarktet.
Wer allerdings aus reinem Trotz Neuerungen ablehnt, wird nicht weiterkommen. Technikblindheit ist etwas anderes als bewusster Verzicht. Und eine radikale Technikverweigerung kann sogar in die Isolation führen – wie bei Microsoft.
Jahrelang verschlief der Software-Gigant die Weiterentwicklung seiner Suchmaschine. Kritik an Bing akzeptierte das Unternehmen nur zögerlich. Damit steuerte Microsoft mit Vollgas in eine Sackgasse. Als weltweit größter Suchmaschinenbetreiber etablierte sich schnell das damals noch kleine Start-Up Google. Heute hält Google in Deutschland einen Marktanteil von 89,1 Prozent. Bing folgt zwar auf Platz zwei – mit 3,1 Prozent allerdings. An eine Vormachtstellung ist in der nächsten Zukunft nicht zu denken.
Auch bei den Browsern musste Microsoft Einbußen verzeichnen. Firefox aus dem Hause Mozilla wartete mit technischen Neuerungen auf – viel schneller als Microsoft reagieren konnte. Volle 30 Prozent des Marktes hat Microsoft damit an Firefox abgetreten.
In Sachen Markenimage ließ sich der Konzern von Apple den Rang ablaufen. Denn Apple profitiert geradezu von dem Image, sich von Microsoft abzugrenzen. Der Erfinder des Mac gilt als der David, der sich gegen Goliath auflehnt. Apple-Rechner halten viele Menschen für unkonventionell, anwenderfreundlich und verlässlicher als PCs. Außerdem hat Apple früh erkannt, dass ein anspruchsvolles Design auch bei Computern Pluspunkte einbringt. Für diese Einsicht haben die Käufer Apple belohnt – und Microsoft bestraft.
Mircosoft wurde deshalb überholt, weil er es nicht für nötig hielt, Kooperationen mit anderen Software-Entwicklern einzugehen. Dieses Beispiel zeigt anschaulich: Eigentbrötler müssen keine alten, verknorzten Handwerker sein. Auch Software-Riesen können sich isolieren.
Wenn ich die Eigenbrötler stur schimpfe, heißt das nicht, dass die neuen Medien immer und überall präsent sein sollten. In der Kirche, in der Sauna oder im Kino bin ich dankbar für das Verbot von Handys. Doch in der Wirtschaft können nur wenige Unternehmen auf die neuen Medien verzichten. Zum Beispiel Marken aus dem absoluten Luxussegment.
Wer sich eine Uhr für 50.000 Euro kauft, tut dies nicht, weil sie in Blogs oder Newslettern beworben wurde. Er kauft diese Uhr, um sich von der Masse abzuheben. Deshalb ist es eine Auszeichnung, dass die Uhr nicht überall erhältlich ist. Das gleiche gilt für den Maybach. Diese Produkte sind so exklusiv, dass ihr Ruf durch Mund-zu-Mund-Propaganda weitergetragen wird. Gerade weil sie nicht in jedem beliebigen Medium beworben werden, steigern sie ihre Exklusivität. Das bedeutet aber nicht, dass die Hersteller keine offizielle Website haben.
Auch bestimmte Persönlichkeiten sind grundsätzlich nicht in den neuen Medien präsent. Und das ist auch richtig so. Niemand erwartet zum Beispiel von Silvester Stallone, dass er twittert. Rambo twittert einfach nicht. Das würde zu seinem Profil nicht passen.
Sein Schauspieler-Kollege Ashton Kutcher hingegen, der Ehemann von Demi Moore, ist zurzeit derjenige mit den meisten Followern bei Twitter. Über sechs Millionen Menschen verfolgen jeden Tag seine Nachrichten. Er war auch der erste Twitterer, der über eine Million Follower hatte, noch bevor der US-Sender CNN diese Zahl erreichte. Dieses Verhalten passt aber auch zu Kutcher: Der Mittdreißiger ist mit den neuen Medien aufgewachsen und bewegt sich darin ganz selbstverständlich.
Deshalb gibt es kein richtig oder falsch beim Umgang mit den neuen Medien. Jede Aktivität muss schließlich zur eigenen Persönlichkeit passen. Nur: Sich vollständig zu verweigern, ist heute für Menschen, die in der Wirtschaft aktiv sind, wenig sinnvoll. Denn nur wer Netzwerke bildet, nimmt an der neuen Wirtschaft teil.

Aktiv oder passiv, aber immer persönlich

Warum Kommunikation persönlich sein sollte

Auf meiner Homepage stelle ich kostenlos ein Verpackungslexikon zur Verfügung. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung waren unterschiedlich: Manche Leser waren begeistert, andere kritisierten die Inhalte und wieder andere reagierten überhaupt nicht. So weit, so normal. Aber es blieb nicht bei diesen Reaktionen. Die Zugriffszahlen schossen in die Höhe und es entstand ein reger Traffic auf meiner Homepage. Die Besucher hatten keine Berührungsängste, denn allen war klar, dass es hier nicht ums Verkaufen geht.
Mit dem Lexikon habe ich Informationen angeboten. Um diese aber aufzusuchen, sind die Adressaten aber selbst aktiv geworden. Deshalb ist das Lexikon ein Element passiver Kommunikation, ebenso wie Internetseiten oder Blogs. Die passive Kommunikation erleichtert es dem Adressaten, mit dem Sender in Kontakt zu treten. Ein Unternehmen wird also besser gefunden, wenn es Content anbietet, als wenn es unsichtbar bleibt. Und wenn dieser angbotene Content für den Kunden auch noch attraktiv ist, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Anbieter nicht nur gefunden, sondern auch weiterempfohlen wird. So auch in meinem Fall.
Das Verpackungslexikon hat meine Bekanntheit sehr gesteigert. Wenig später habe ich bei XING eine Diskussionsgruppe für Verpackungsfolien gegründet und deren Moderation übernommen, wodurch ich mich in den einschlägigen Kreisen als Experte positionierte. Noch weiter verstärkt hat sich dieser Effekt, als ich dann eine Print-Ausgabe des Verpackungslexikons herausgegeben habe. Diese habe ich verteilt mit dem Anschreiben „Auf vielfache Nachfrage ist das Verpackungslexikon jetzt als Print-Ausgabe erhältlich.“ Und obwohl der Band genau die gleichen Inhalte versammelte wie die Homepage, habe ich damit meinen Expertenstatus noch weiter gefestigt.
Der dritte Baustein nach dem Lexikon und der XING-Gruppe war das Verpackungsverzeichnis. Dafür habe ich online die wichtigsten Adressen der Verpackungsbranche versammelt, einschließlich derer meiner Mitbewerber. Dadurch signalisierte ich ganz klar, dass ich mir das leisten konnte. Ich vermittelte den Eindruck, meine Position sei derart gefestigt, dass ich keine Angst vor dem Wettbewerb zu haben brauchte.
Der Vorteil der passiven Kommunikation: Wenn man es schlau anstellt, ist es ein sich selbst verstärkendes System. Nachdem ich diese Elemente aufgebaut hatte, konnte ich mit den Bausteinen spielen. Ich habe alle Seiten untereinander verlinkt. So steht etwa im Lexikon: „Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen wollen, besuchen Sie unsere XING-Diskussionsgruppe.“ Und in der Gruppe konnte ich wiederum auf das Lexikon verweisen.
Wenn jemand grundsätzlich an meinen Inhalten interessiert ist, dann wird er für jeden neuen Querverweis dankbar sein. Der Trick dabei ist, die User auch auf Rand-Bereiche aufmerksam zu machen. Verlinke ich dabei meine Seite nicht nur mit eigenen, sondern auch mit externen, aus Kundensicht „unabhängigen“, Portalen, dann hat der Kunde, wenn er sich im Netz durchklickt, noch stärker das Gefühl, genau das zu finden, was er gesucht hat. Das gilt auch für den Fall, dass die externen Portale ebenfalls mir gehören.
Um auf meine eigene Geschichte zurückzukommen: Nachdem ich dieses System der gegenseitigen Verweise aufgebaut hatte, brauchte ich nur noch ein Schwungrad, um dieses anzutreiben. Dazu dienen Blogs, Newsletter oder die Suchmaschinenoptimierung. Ich wies also potentielle Kunden auf die Elemente meiner passiven Kommunikationsstrategie hin und lud sie ein, sich an den Diskussionen zu beteiligen.
Es gibt Anbieter im Internet, die vergleichbare Systeme zu Verkaufszwecken nutzen. Zunächst versenden sie ein paar Häppchen kostenlose Informationen. Nach einer Woche erhalten die Empfänger den Hinweis auf ein E-Book mit weiterführenden Informationen, das für einen symbolischen Preis erhältlich ist. Die Hemmschwelle, zuzugreifen, ist also sehr gering. Dann folgt eine Mail mit dem Hinweis auf ein etwas teureres Produkt. Und wer dieses erwirbt, erhält ein Angebot für einen kostenpflichtigen, wöchentlichen Abodienst. In diesem Abodienst werden auch die übrigen Produkte sowie Seminare und Coachings des Absenders beworben.
Ein solches System nennt sich Cross Selling. In diesem Fall wird es kommerziell eingesetzt. Ich hingegen habe auf diese Weise meine Reputation gestärkt. Und es funktioniert sensationell. Denn auch wenn Cross Selling an und für sich nichts bahnbrechend Neues ist: Wer sich mit PreSales Marketing bereits vor dem Verkauf darauf vorbereitet, hat beim Verkauf selbst definitiv die besseren Karten.

Das Schwungrad antreiben

Wenn das Netz aus passiven Angeboten steht, kann man aktiv auf den Kunden zugehen und ihn in das System einbinden. Doch jede Kontaktaufnahme benötigt einen Anlass. „Ich will verkaufen“ ist kein besonders gelungener Aufhänger. Viel besser kommt es beim Kunden an, wenn er eine Mail bekommt mit dem Hinweis „Viele unserer Kunden sind in der XING-Gruppe Verpackungsfolien aktiv. Möchten Sie nicht auch mitmachen?“
Ziel einer solchen aktiven Kommunikation ist der kontinuierliche Kontakt zum Kunden, um eine Beziehung aufzubauen. Dem Empfänger fällt nicht auf, dass er regelmäßig angesprochen wird. Wenn die Mails aber aus irgendeinem Grund ausbleiben, wird er dies sofort bemerken. Das ist vergleichbar mit einem Zeitschriftabo, das man aus irgendeinem Grund einmal gekündigt hat. Nach einer Weile vermisst man in der Regel die Zeitschrift. Ich würde mir als Leser wünschen, dass fünf oder sechs Monate nach einer Kündigung ein Schreiben kommt mit der Nachfrage, ob ich nicht wieder abonnieren möchte. Dem Schreiben sollte ein kostenloses Probeheft beiliegen – ganz im Sinne des Gebens, nicht Nehmens.
Doch diese aktive Beziehungspflege praktizieren nur wenige Zeitschriften. Allenfalls kommt das Angebot für ein Schnupperabo. Dann fürchte ich, wieder in ein Abo reinzustolpern, ohne es wirklich zu wollen. Ein kostenloses Probeheft hingegen würde mich anregen, zu überdenken, ob ich die Zeitschrift nicht doch wieder beziehen möchte.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist in meinen Augen die Unterteilung in Alt- und Neukunden. Wenn ich in mein Stammlokal gehe, bin ich Kunde. Wenn ich es nach dem Essen verlasse, bin ich dann nicht mehr Kunde des Lokals? Niemand würde sagen: „Ärgerlich, diesen Kunden habe ich jetzt verloren!“ Ich bin kein Ex-Kunde, sondern allenfalls ein derzeit nicht kaufender Kunde. Dass eine Pause eintritt, nachdem ein Geschäft abgeschlossen wurde, ist völlig normal. Aber durch die Einteilung in Alt- und Neukunden behandelt man den Kunden so, als wäre er ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Kunde mehr. Mit verheerenden Folgen für die Unternehmen.
Um auf das Beispiel mit der Zeitschrift zurückzukommen: Es gab einen Grund, warum ich das Abo gekündigt hatte. Vielleicht hatte ich keine Zeit zu lesen und die Zeitschriften stapelten sich. Oder die Artikel eines bestimmten Redakteurs ärgerten mich. Oder ich hatte gerade kein Geld oder die Zulieferung funktionierte nicht. Die Gründe für eine Kündigung können vielfältig sein, und manchmal sind sie gar nicht der Rede wert.
Werden die Menschen gefragt, warum sie die Zeitschrift abbestellt haben, antworten die meisten nicht, weil es zu aufwendig ist. Würde aber ein Kontakt bestehen bleiben, wäre es viel leichter, den Kunden zurückzugewinnen. Wenn mir die Zeitschrift beispielsweise jeden Monat einen Newsletter senden würde, der Auszüge aus dem aktuellen Heft enthält, würde ich mich eventuell nach einiger Zeit wieder für ein Abo entscheiden. Die Zeitschrift würde mit minimalem Aufwand einen immensen Gewinn einfahren. Sie müsste nur den vorliegenden Inhalt nochmal verwerten, und schon hätte sie einige Abonnenten mehr.
Diese Beispiele zeigen: Ob ein Unternehmen aktiv oder passiv kommuniziert, ist nicht entscheidend. Wichtig für den Erfolg ist allein der kontinuierlicher Kontakt.

Originalität wird überschätzt

Unternehmen betrachten Kommunikation als aufwendige Angelegenheit. Das liegt daran, dass sie großen Wert auf originelle Inhalte legen. Wer Informationen anbietet, glaubt häufig, er müsse das Rad neu erfinden. Dabei ist Originalität in der Kommunikation gar nicht notwendig.
Täglich sehen wir Nachrichten im Fernsehen, lesen über die gleichen Ereignisse in der Zeitung und hören noch mal davon im Radio. Das stört uns nicht. Selbst wenn ein Kollege von diesem Ereignis noch mal berichtet, ist uns das willkommen, wenn uns das Thema interessiert. Völlig egal ist dabei, wer die Nachricht zuerst recherchiert hat.
Auch bei der Kommunikation in der Wirtschaft kommt es nicht darauf an, wer eine Information als erster verbreitet hat, sondern darauf, ob die Inhalte für den Empfänger relevant sind. Für Menschen, die sich in einem bestimmten Themenbereich kaum auskennen, ist im Grunde jede Information neu und originell.
Die Inhalte des Verpackungslexikons habe ich zum Beispiel nicht selbst erfunden, sondern an anderer Stelle gelesen und neu zusammengefasst. Trotzdem wurde er mir förmlich aus den Händen gerissen. Dieser Erfolg hat mit der Quelle der Informationen, mit ihrer Originalität oder mit ihrem Neuheitswert nichts gemein.
Auch einen Newsletter kann man zum Beispiel in Kooperation mit anderen Unternehmen der Branche herausgeben. Mehrere Nutzer können also die gleichen Inhalte an ihre Kunden versenden, ergänzt lediglich durch einige individuelle Nachrichten. Wenn der Inhalt den Empfänger interessiert, ist es egal, ob er auch noch an andere Kundenkreise geht – er bekommt dies ja gar nicht mit.

Persönliche und unpersönliche Kommunikation

Es gibt immer noch Unternehmer, die sich dagegen sträuben, das Verfassen eines Newsletters zu delegieren. Wer aber meint, diesen in mühseliger Nachtarbeit selbst schreiben zu müssen, hat das Prinzip verkannt, dass die persönliche Kommunikation vom Empfänger und nicht vom Absender definiert wird. Daber geht heutzutage niemand davon aus, dass ein Geschäftsführer eines Konzerns einen Newsletter selbst schreibt.
Kommunikation muss keine persönliche Ansprache enthalten, um zu wirken. Deshalb muss ein Unternehmer auch nicht alle Kunden persönlich kontaktieren. Würde er es versuchen, könnte er nie sonderlich erfolgreich werden. Denn der Tag hat auch für ihn nur 24 Stunden, und mehr als zehn Kunden kann er selbst nicht intensiv betreuen. Delegiert er aber die persönliche Ansprache, kann er 10.000 Kunden und mehr erreichen. Wenn die Kunden sich für die Inhalte interessieren, werden sie die Kommunikation niemals als unpersönlich empfinden.
Spam wird deshalb als unpersönlich wahrgenommen, weil die Inhalte den Empfänger nicht interessieren. Sobald die Themen einer Mail für den Empfänger relevant sind, empfindet er die Kommunikation als persönlich. Wenn ich ein Wirtschaftsmagazin kündige und nach einiger Zeit Werbe-Mails für dieses Magazin erhalte, stört mich das nicht, weil mich die Inhalte im Prinzip interessieren. Bei den meisten Kunden besteht nach einer Kündigung noch latentes Interesse an dem Produkt oder der Dienstleistung. Darin steckt großes Potential für neue Umsätze.
Den Satz „Ich habe ein persönliches Angebot für Sie“ können sich Unternehmen allerdings sparen. Alle Angebote sollten ja auf den Empfänger zugeschnitten sein. Und er ist derjenige, der entscheidet, ob er diese als persönlich empfindet oder nicht.
Wer in seinen Mailings generell interessante Inhalte verbreitet, kann sich sogar einige Fehlgriffe leisten. Wenn ich einen Newsletter abonniert habe und das Thema dieser Woche – sagen wir „Hartz IV“ – mich nicht persönlich angeht, lese ich diese Ausgabe einfach nicht. In der folgenden Woche dreht sich der Newsletter vielleicht um Steuerfragen. Da mich diese interessieren, öffne und lese ich die Mail. Diesen Newsletter werde ich nicht abbestellen, weil der Absender nicht mit jeder Ausgabe einen Treffer landet. Solange die Mehrheit der Beiträge interessieren, bleibt der Kanal offen, da die Glaubwürdigkeit des Absenders hoch ist. Deshalb kann ein Unternehmen auch Zehntausende – persönlich – ansprechen.

„Höchstpersönliche“ Kommunikation gibt es nicht

Eine Kommunikation, die die Interessen des Empfängers trifft, ist immer persönlich. Dafür muss der Unternehmenschef nicht selbst den Kundenkontakt halten. Denn „persönlich“ lässt sich nicht zu „höchstpersönlich“ steigern. Wenn ein Unternehmen so aufgebaut ist, dass jeder bis hin zum untersten Sachbearbeiter seine Sache gut macht, braucht der Geschäftsführer so gut wie nie selbst zu agieren. Wenn er es dennoch tut, nimmt er sich selbst zu wichtig.
Präsident Obama trifft auch nicht alle Entscheidungen selbst, sondern schickt seine Außenministerin oder die Botschafter zu Verhandlungen. Wenn er selbst kommt, dann hat das eine besondere politische Bedeutung. So ist es auch in der Wirtschaftswelt. Wenn der Geschäftsführer auftritt, handelt es sich um ein Politikum. Man kann nicht alles zur Chefsache machen, sonst würden die Kunden immer nur mit dem Chef verhandeln wollen.
Ich selbst schalte mich in das operative Geschäft meines Unternehmens nur selten ein und benutze meine Intervention als Joker. Ich schalte mich also erst ein, wenn ein Verkäufer zum Beispiel mit einem Kunden nicht klarkommt. Dann rufe ich den Kunden an und nehme eine scheinbar neutrale Ebene ein: „Wo liegt denn das Problem? Darf ich vermitteln?“ Ich betone sogar: „Sie kennen mich ja. Können Sie mir das Problem noch einmal schildern?“. So spiele ich die Rolle eines Mediators zwischen den Kunden und meinem Verkäufer, obwohl ich objektiv natürlich auf der Seite meines Verkäufers bin. Meistens wiederholt der Kunde dann, was mir der Verkäufer schon erzählt hat. Dann hake ich nach: „Das weiß ich schon, aber wo liegt denn nun wirklich das Problem?“ Häufig kommt der Kunde dann auf den Punkt, an dem die Kommunikation nicht funktioniert hat. Und einmal angesprochen, lässt er sich locker beseitigen.
Ich kläre dann die Angelegenheit, steuere aber die Kommunikation zurück zum Verkäufer: „Nachdem wir das Missverständnis ausgeräumt haben, lassen Sie mich bitte wieder mit dem Verkäufer verbinden, um die Einzelheiten zu klären.“ Damit betone ich meine Rolle als neutraler Vermittler, der sich nicht in die einzelnen Verhandlungen einmischt. Denn als Chef kann ich meine Souveränität nur erhalten, wenn ich nicht jedes Mal dem Sachbearbeiter hinterhertelefoniere. Sonst wäre ich bald der Ober-Sachbearbeiter, statt meinen eigenen Job zu machen.
Chefs dürfen sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. Eine aktive und persönliche Kommunikation ist ausreichend – und garantiert auch Erfolg im Geschäftsleben.

Emotion oder Information?

Warum Emotionen in der Kommunikation so wichtig sind

Angenommen Sie brauchen einen Staubsauger. Vielleicht haben Sie sich schon einen ausgeguckt, der einen soliden Eindruck macht und zu Ihren Anforderungen passt. Bevor Sie ihn bestellen, werden Sie aber weitere Informationen einholen.
Das machen heute fast alle Käufer. Sie durchsuchen das Internet, sie vergleichen Preise, technische Daten und Lieferbedingungen – und entscheiden sich in den meisten Fällen doch für das erste Angebot. Die Recherche war notwendig, um das spontane Gefühl mit objektiven Argumenten zu untermauern. Denn jeder Käufer möchte Fehler vermeiden. Allerdings dauert der Entscheidungsprozess dadurch deutlich länger, als wenn dem Bauchgefühl sofort gefolgt worden wäre.
Wir leben heute angeblich im Informationszeitalter, dabei waren Informationen noch nie so unwichtig wie heute. Sie werden nur als Vorwand benutzt, um emotionale Entscheidungen zu begründen.
Denn täglich strömen eher zu viele, als zu wenige Informationen auf die Menschen ein. Was verloren geht, ist das Miteinander im Alltag – und das Mitgefühl.
Früher lud man potentielle Geschäftspartner ins Unternehmen ein, ging mit ihnen essen, lernte sie kennen. Man holte ein paar Empfehlungen ein, und traf am Ende, aus dem Bauch heraus, eine Entscheidung. Diese Zeiten habe ich selbst noch miterlebt. Inzwischen haben sich die Gebräuche im Geschäftsleben stark verändert. Viele Konzerne verbitten sich von vornherein den Vertreterbesuch. Mittelständler akzeptieren diese Form der Akquise noch, begrenzen sie aber auf einige wenige Besuche pro Jahr. Der Grund ist ganz einfach: Die Zeit wird immer knapper.
Eine der Konsequenzen, die ich daraus ziehe: Ich muss versuchen, die Emotionen auch über verschiedene andere Kanäle zu transportieren. Das ist eine echte Herausforderungen – oder haben Sie schon einmal eine einfühlsame Twitter-Nachricht erhalten?
Für den Verkäufer heißt es, dass es reicht, wenn er seine Kunden zwei oder drei Mal im Jahr besucht. Würden alle Vertreter darauf bestehen, jeden Monat bei ihren Kunden vorbeizuschauen, hätten diese gar keine Zeit mehr. Und das wäre reichlich kontraproduktiv. Denn der Kunde würde sofort auf die Informationsstrategie umschwenken: Statt sich emotional auf die Vertreter einzulassen, würde er im stillen Kämmerlein selbst nach Informationen suchen und lediglich auf deren Basis entscheiden. Und das wäre für die Vertreter ein herber Verlust.

Informationen sind alles, Gefühle nichts

Wer Gefühle als Basis für Entscheidungen anführt, gilt heutzutage schnell als „Weichei“. Deshalb glauben immer mehr Menschen, sich nicht auf ihre Gefühle verlassen zu dürfen. Die neuen technischen Möglichkeiten machen eine Fülle an Informationen verfügbar und befördern dadurch den Trend, Informationen als Entscheidungsgrundlage zu vertrauen.
Früher engagierte man den Handwerker vor Ort aufgrund seines guten Rufs. Heute beauftragt kaum jemand einen Handwerker, ohne sich mehrere Angebote einzuholen. Vertrauen oder eine jahrelange Kundenbeziehung zählen nicht. Wer sich bei der Vergabe eines Auftrags allein darauf bezieht, wird für verrückt gehalten.
Wenn ein unbekannter Handwerker 20 Prozent billiger anbietet als mein angestammter Dienstleister, werde ich denken, dass mich der Handwerker vor Ort bisher über den Tisch gezogen hat, auch wenn mir der günstigere Anbieter völlig unbekannt ist. Dieses Denken setzt eine Spirale in Gang: Man beginnt, sich immer mehr auf Informationen zu verlassen und immer weniger auf seine Gefühle.

Den Kunden emotional abholen

Wer die Preise nicht vergleicht, dem fällt es schwer, einen Auftrag zu vergeben. Das mag erschreckend klingen, birgt für Verkäufer aber auch eine Chance: Wenn er sich dieses Entscheidungsmechanismus bewusst ist, kann er seine Kunden emotional abholen – und zwar genau an dem Punkt, wo sie stehen.
Eines Tages lud mich ein Kunde ein, wies auf einen Haufen Angebote auf seinem Schreibtisch und sagte: „Herr Nabenhauer, Sie sind leider der Zweitteuerste.“
Warum hat er mich eingeladen? Um mir mitzuteilen, dass ich der zweitteuerste Anbieter bin? Sicher nicht. Im Grunde war der Kunde hilflos. Er wollte mit mir Geschäfte machen, sah aber keine Möglichkeit dazu, weil er Informationen eingeholt hatte, die bewiesen, dass ich ihm ungünstige Konditionen anbot.
Ich wies ihn daraufhin ganz direkt auf sein widersprüchliches Verhalten hin, um ihm dies bewusst zu machen: „Warum laden Sie mich dann ein?“
Der Kunde war in seinen Emotionen gefangen. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich den günstigsten Anbieter beauftragen sollte. Würde dieser Qualität liefern? Waren die Angebote wirklich vergleichbar? Manche Anbieter versprechen vor dem Auftrag das Blaue vom Himmel, schränken aber nachher ihre Leistungen ein. Der Kunde stand vor einem Dilemma.
Nun ging es darum, ihn zu überzeugen, dass es okay wäre, wenn er seinem Wunsch folgen würde: nämlich bei seinem Stammlieferanten, also bei mir, zu kaufen. Völlig falsch wäre es gewesen, jetzt mit Informationen zu argumentieren, etwa mit der technischen Ausstattung oder ähnlichem. Stattdessen stellte ich mich emotional an die Seite des Kunden und baute ihm eine Goldene Brücke: „Lassen Sie uns die Sache mal gemeinsam betrachten. Worauf kommt es Ihnen bei diesem Auftrag am meisten an?“
Ich identifizierte mich mit der Position des Kunden und es gelang mir, den Auftrag zu erhalten, obwohl ich einer der teuersten Anbieter war.
In einem anderen Fall konnte ich mich der Preisargumentation des Kunden nicht verschließen. Als er mir sagte: „Sie sind zehn Prozent teurer als Ihr Mitbewerber“, räumte ich ein: „Ja, es ist uns nicht gelungen, die Preise zu drücken. In dieser Situation rate ich Ihnen, beim Mitbewerber zu kaufen.“ Auch damit hatte ich den Kunden auf meiner Seite. Statt mich seinem Argument zu verschließen, bin ich emotional auf ihn eingegangen. In einer späteren Situation wird er sich daran erinnern und wieder auf mich zukommen: „Herr Nabenhauer, Sie haben mir doch damals einen uneigennützigen Rat gegeben. Der war genau richtig. Heute aber habe ich einen Auftrag, der mir gut zu Ihrem Angebot zu passen scheint…“

Bewertungen als emotionale Entscheidungshilfe

Es gab Jahre, in denen es schick war, den kühlen Geschäftspartner zu spielen. Man versuchte, ohne Emotionen im Geschäftsleben auszukommen, bis man merkte, dass man damit nicht glücklich wurde.
Heute ist die Bedeutung persönlicher Kontakte und der Emotionen, die damit verbunden sind, so groß wie eh und je: Niemand würde eine Stelle besetzen, ohne den Bewerber persönlich kennenzulernen. Niemand würde einen Millionenauftrag vergeben, ohne den Geschäftspartner vorher zu Gesicht zu bekommen.
Allerdings tendiert die Geschäftswelt verstärkt zu einem Weg in der Mitte. Man weiß, an wen man einen Auftrag vergeben möchte, holt aber dennoch Vergleichsangebote ein. Das Pendel wird vermutlich in beide Richtungen noch einmal stark ausschlagen: Ein Teil der Marktteilnehmer werden in den optimierten Suchmaschinen der Zukunft noch mehr Informationen einholen. Ein anderer Teil wird sich in Zeiten der Globalisierung, in der weltweit ähnliche Produkte zu vergleichbaren Preisen und annähernd der gleichen Qualität auf dem Markt sind, bei seinen Entscheidungen auf die Emotionen stützen.
Dabei geht es meist um ganz banale Entscheidungen. Ich zum Beispiel weiß nicht, welches Gerät für mich am besten wäre: ein Blackberry, ein iPod oder ein anderer mobiler Computer? Wenn mir aber ein Bekannter sagt: „So, wie ich Deine Gewohnheiten kenne, würde ich Dir dieses Gerät empfehlen“, wäre für mich die Entscheidung schon gefallen. Wenn ich mit Informationen überflutet werde, stützte ich mich auf Empfehlungen und Bewertungen, die den Informationen ein emotionale Komponente hinzufügen. Denn Empfehlungen sind nichts anderes als subjektiv gewertete Fakten.
Zu dem Emotionen bei der Kommunikation im Internet zählt auch die nonverbale Kommunikation, etwa die Fotos, mit denen die XING-Mitglieder ihre Profile ausstatten. Wer auf dem Foto lächelt, signalisiert Freundlichkeit und Verbindlichkeit. Wer sich ernst gibt, betont seine Seriosität. Und beide senden emotionale Botschaften aus.
Dies ist auch in der nicht-virtuellen Geschäftswelt so. Ein Imbiss-Verkäufer mit schmutziger Schürze signalisiert unbewusst eine Botschaft. Vielleicht lautet seine Werbung: „Heute frische Hähnchen.“ Der Käufer aber denkt: „Heute frische Schürze wäre auch schön gewesen.“ Eventuell kauft er in der Eile dennoch hier. Wenn ihm aber später der Bauch grummelt – und dies kann Zufall sein – wird er die Schuld auf das Essen vom Imbiss schieben. Der Kunde verknüpft sofort die dreckige Schürze des Verkäufers mit der Qualität des Brathähnchens. Das ist eine Form der emotionalen Bewertung.
Neben den Fotos in sozialen Netzwerken können auch Mails versteckte Botschaften enthalten. Eine Mail kann informativ oder emotional wirken. Um den richtigen Ton zu treffen, braucht man ein wenig Fingerspitzengefühl. „Wow“ ist als Antwort auf ein Angebot etwa nicht zu empfehlen. Jüngere werden diesen Ton verstehen, Ältere ihn vielleicht ablehnen. Eine Ablehnung entspräche einer Abbuchung vom Beziehungskonto.
Deshalb ist es ratsam, bevor man eine Mail verfasst, Informationen über den Empfänger einzuholen. Stellt sich heraus, dass der Adressat ein 60-jähriger Geschäftsführer ist, kommt eine Anrede wie „Hallo, Herr Müller“ meist nicht in Frage. Und aus dem „Wow“ wird dann ein „vielen Dank, ich habe Ihr Angebot gerne gelesen und es hat mir sehr gut gefallen.“ Dafür muss man Herrn Müller nicht persönlich kennen. Ohne ihn je gesehen zu haben, entwickelt jeder, der recherchiert, eine bestimmte Vorstellung vom Geschäftspartner. Und diese Vorstellung wird meistens nicht allzu fern der Wirklichkeit sein.

Warum Emotionen wirksamer sind als Informationen

Die Gefühle eines Verkäufers spiegeln sich in seinem Verkaufsverhalten. Wer für sein Produkt glüht, wird erfolgreich sein. Lässt die Freude des Verkäufers an seinem Produkt nach, werden seine Verkaufszahlen sinken. Nach 15 erfolgreichen Jahren im Verkauf habe ich gemerkt, dass meine Euphorie für das Thema Verpackung verlorenging. Daraus habe ich die Konsequenzen gezogen und mich neu orientiert, indem ich ein Consulting-Unternehmen gegründet habe.
Wie wichtig Emotionen sind, zeigt die BILD-Zeitung jeden Tag. Offiziell Informationsmedium, arbeitet die Boulevard-Zeitung mit den Gefühlen ihrer Leser. Jede Information wird mit einer Emotion verknüpft – ob durch erschreckende Fotos oder durch polarisierende Schlagzeilen. Mit dieser Methode ist die BILD eine der wenigen Zeitungen, die von der Medienkrise nahezu unberührt bleibt. Mit einer Auflage von über drei Millionen Exemplaren ist sie weiterhin die meistverkaufte Tageszeitung Deutschlands.
Doch im Geschäftsleben gilt wie im Zeitungsgewerbe: Wer Emotionen einsetzt, braucht Mut. Es fällt schwer, einem bisherigen Kunden zu sagen: „Herr Mayer, es schmerzt mich, dass Sie nach zehn Jahren der Zusammenarbeit wegen einem Euro den Zulieferer wechseln.“ Mit dieser Bemerkung öffnet man sich emotional und wird deshalb verletzlich. Die Antwort könnte lauten: „Ich kann nicht ändern, dass Ihnen das weh tut, ich musste den Anbieter wechseln.“ Aber die Erfahrung zeigt, dass der andere in der Regel reagiert, indem er sich seinerseits emotional öffnet.
Umgekehrt habe ich schon erlebt, dass mich ein langjähriger Kunde verzeifelt anrief und sagte: „Lieber Herr Nabenhauer, es tut mir leid, aber ich muss den Anbieter wechseln, der andere ist um 40 Prozent billiger und der Chef setzt mir die Pistole auf die Brust.“ Der Mann war wirklich betroffen. Er weinte beinahe am Telefon.
Ich fing ihn emotional auf und sagte: „Das tut mir auch leid.“ Es hätte nicht gereicht, einfach nur zu sagen: „Ich kann Ihre Situation verstehen.“ Der Kunde hätte gedacht, der Anbieterwechsel sei mir völlig egal. Eine emotionale Handlung erfordert eine emotionale Reaktion. Denn nur eine emotionale Reaktion zeigt Verbundenheit – und dies ist die Basis für gute Geschäftsbeziehungen.

Ich bin wichtig – Du bist wichtig

Warum Wertschätzung Geschäftsbeziehungen verbessert

Häufig lade ich Menschen in meine XING-Gruppe ein und bekomme daraufhin die Nachfrage: „Wieso sprechen Sie gerade mich an?“ Beim ersten Mal hat mich diese Reaktion noch überrascht. Inzwischen weiß ich: Dahinter steckt lediglich der unbewusste Wunsch, die eigene Wichtigkeit bescheinigt zu bekommen. Seitdem mir das klar ist, antworte ich immer: „Sie sind mir wichtig, weil …“
Aus vielen Kontakten, die ich auf diese Weise angebahnt habe, sind später enge Geschäftsbeziehungen geworden. Das hat mir gezeigt: Eine der elementarsten Grundregeln für den Umgang mit Kunden ist Wertschätzung. Jeder sollte im Geschäftsleben aktiv Signale aussenden, um dem Gegenüber seine Wertschätzung zu vermitteln.
In einem Restaurant kann ich der Bedienung sagen: „Vielen Dank, wir haben uns bei Ihnen wohl gefühlt.“ Das ist eine kleine Geste, die ehrlich gemeint ist, gut ankommt und nicht viel kostet. Völlig übertrieben wäre aber die Rückmeldung: „Noch nie habe ich erlebt, so perfekt bedient zu werden wie bei Ihnen, und ich bin schon viel rumgekommen.“ Übertriebenes Lob wirkt wenig glaubhaft und wird daher meist als unangenehm empfunden.
In der Wirtschaftswelt kommt aber gerade ein solches Verhalten häufig vor. Viele tun so, als sei der Kunde der Wichtigste auf der Welt – und vergessen dabei, wie wichtig der Selbstwert ist für eine faire, ausgeglichene Geschäftsbeziehung. So auch das Unternehmen, von dem ich folgende Mail bekam: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie als Kunde sind uns wichtig. Wir werden uns umgehend bei Ihnen melden. Sie können sich stets auf uns verlassen.“ Gut, der Kunde mag König sein. Aber viel Honig wollen nicht einmal Könige um den Bart geschmiert bekommen. Bei mir jedenfalls ist sofort der Eindruck entstanden: Dieser Verkäufer macht sich selber klein. Ganz davon abgesehen, dass die eigentlich nützliche Aussage – nämlich der Zeitpunkt, an dem ich mit einer Antwort rechnen kann – in dem Wust an Versprechungen untergeht. Dabei wäre es völlig ausreichend gewesen zu schreiben: „Danke für Ihre Anfrage. Wir kümmern uns darum und melden uns, sobald wir die Informationen haben.“ Jeder Kunde wäre damit absolut zufrieden und hätte das Gefühl, mit Seinesgleichen zu reden.
Aber wer andere bauchpinselt, wirkt unglaubhaft. Und wer gebauchpinselt wird, fühlt sich auf den Arm genommen. Was soll denn ein Kunde denken, dem ein Verkäufer vemittelt: “Auf Sie habe ich mein Leben lang gewartet..:”? Er weiß sehr wohl, dass diese übertriebene Wertschätzung nicht ehrlich sein kann. Und er kann vor allem nicht in gleicher Weise darauf antworten – jedenfalls nicht, wenn er selbst ehrlich auftritt.

Wertschätzung ja, aber bitte mit Maß

Häufig bekommen Einkäufer zu hören: „Schön, dass Sie entschieden haben, in Zukunft bei mir zu kaufen.“ Dieser Satz klingt zwar harmlos und ist sicherlich gut gemeint. Aber er setzt den Einkäufer völlig unter Druck. Denn ein Einkäufer entscheidet nie allein. Er steht immer im Dialog mit Kollegen aus anderen Abteilungen. Wird er in die Rolle des alleinigen Entscheiders gedrängt, so fühlt er sich in höchstem Maß unwohl.
Einen neuen Lehrling begrüßt ein Arbeitgeber auch nicht mit den Worten: „Schön, dass Du hier angefangen hast, in 15 Jahren sehe ich Dich als unseren Geschäftsführer.“ Mit einer solchen Erwartung wäre der junge Mann komplett überfordert. Augenmaß ist also das Gebot der Stunde. Jeder erhält die Wertschätzung, die ihm zukommt, nicht in übertriebenem Maße, aber auch nicht zu sparsam.
Doch immer wieder erlebe ich auch das andere Extrem: Dass Menschen ihren eigenen Wert überschätzen und ihr Gegenüber dadurch respektlos behandeln. Zum Beispiel kommt es häufiger vor, dass Menschen bei uns im Unternehmen anrufen und partout den Geschäftsführer sprechen wollen. Sie lassen sich einfach nicht darauf ein, der Sekretärin ihr Anliegen zu erklären. Ich als Geschäftsführer reagiere allergisch auf solche Anrufer, denn ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Wer mich wirklich schätzen würde, würde mir nicht meine Zeit wegnehmen, sondern der Sekretärin den Grund seines Anrufs nennen. In diesen Fällen überschätzen die Anrufer ihren eigenen Wert und unterschätzen den Wert meiner Zeit.
Neulich aber erhielt ich eine Mail, in der es hieß: „Ich versuche schon seit August, Sie zu erreichen, komme aber an der Vorzimmerdame nicht vorbei. Es handelt sich um folgendes… Bitte rufen Sie mich zurück.“ In diesem Fall habe ich sofort zum Hörer gegriffen. Denn es blieb mir überlassen, ob ich den Anlass wichtig fand oder nicht. Der Ball wurde mir zugeworfen, ohne dass ich gezwungen wurde, mitzuspielen – und dadurch fühlte ich mich wertgeschätzt. Der Absender, der so lange vergeblich anrief, hatte nun einen erfolgversprechenderen Kanal benutzt: Bei einer Mail entscheide ich, ob ich antworte: „Danke, kein Interesse“ oder „Danke, lassen Sie uns nächste Woche telefonieren.“

Wertschätzung als allgemeine Grundhaltung

Alle Menschen verdienen Wertschätzung – ob Direktor oder Praktikant. Denn jeder ist es Wert, als Mensch und Geschäftspartner geschätzt zu werden, unabhängig davon, welche Position er innehat. Aber wenn ich Wertschätzung taktisch einsetze, kann dies ungewünschte Folgen haben, denn Menschen kommunizieren untereinander – auch über mich.
Wenn ich Kopierer warte und zu einem Kunden ins Unternehmen komme, weil das Gerät defekt ist, treffe ich in der Regel den Techniker des Betriebs. Nun habe ich zwei Möglichkeiten. Ich kann meinen Unmut darüber äußern, nach dem Motto: „Habt ihr’s mal wieder geschafft, dass der Kopierer streikt!“ Oder ich kann ihm aufmerksam zuhören, ihm ein Kundengeschenk überreichen und pünktlich und zuverlässig meinen Job machen. Sie ahnen schon, der zweite Weg ist der erfolgversprechende. Nicht selten passiert nämlich folgendes: Nachdem ich das Haus verlassen habe, fragt der Abteilungsleiter den Techniker: „Und, wie war der so, der Typ von der Kopiererfirma?“ Wenn ich den Techniker gut behandelt habe, wird er nun eine positive Wertung abgeben. Das ist mehr als nur Smalltalk – es ist eine Referenz für mich.
Wertschätzung ist eine Grundhaltung gegenüber allen Menschen. Wer diese Haltung lebt, muss sich auch nicht verstellen, wenn er Wertschätzung äußern möchte.
Als ich noch als Angestellter in einem Unternehmen arbeitete, kam einmal ein Kunde und fragte mich: „Sind Sie der Praktikant? Können Sie mir sagen, wo ich Herrn Nabenhauer finde?“
„Ich bin Robert Nabenhauer.“
Der Kunde wurde blass. Er war peinlich berührt, weil er mich, der ich damals noch recht jung war, unterschätzt hatte. Entsprechend schwierig lief dann das Gespräch: Der Kunde wollte kaufen, versuchte aber gleichzeitig seinen Lapsus wieder auszugleichen. Als Verkäufer hatte ich dadurch den Vorteil, dass er mit weniger günstigen Konditionen zufrieden war und in der Verhandlung nachgab.
Nachdem das Geschäft abgeschlossen war, ging ich jedoch wieder auf ihn zu und sagte: „Es passiert häufig, dass ich für jünger gehalten werde, als ich bin. Sie sind da nicht der einzige.“ So half ich ihm, sein Gesicht zu bewahren. Wäre ich nicht mehr auf die Situation zurückgekommen, hätte er sicherlich nie wieder ein Geschäft mit mir gemacht, da ihm die Erinnerung an unsere Begegnung peinlich gewesen wäre. Für mich war es extrem wichtig, diese Situation zu retten. Das gelang tatsächlich und seitdem sind wir beste Geschäftspartner.

Das richtige Level finden

Wertschätzung drückt sich darin aus, dass man sich auf eine Stufe mit dem Gegenüber begibt. Das kann auch bedeuten, den eigenen Status bewusst herunterzusetzen. Wer man mit jemandem Geschäfte machen möchte, sollte schauen, auf welcher Ebene sich der andere bewegt. Wie ist sein sozialer Status, seine Einkommensschicht, sein Bildungsniveau?
Einem jüngeren Geschäftspartner gegenüber würde man nicht mit der Mitgliedschaft im Golfclub oder mit einem teuren Auto protzen. Da der andere nicht mithalten kann, würde er sich definitiv überfahren fühlen. Und dieses Gefühl bildet keine gute Grundlage für eine Geschäftsbeziehung.
Das gleiche gilt für die Sprache. Drückt sich jemand eher umgangssprachlich aus, werde ich nicht mit Fremdwörtern um mich werfen, sondern mich möglichst einfach und klar ausdrücken. Andernfalls würde ich arrogant wirken. Und dann bestünde die Gefahr, dass der andere sich nicht wertgeschätzt fühlt, nach dem Motto: „Du bist unwichtig, und mir ist egal, ob du mich verstehst oder nicht.“
Sich auf das Niveau des anderen zu begeben, ist keine reine Taktik, sondern drückt Wertschätzung aus. Genauso wichtig ist es übrigens, auch den eigenen Wert richtig einzuschätzen. Zum Beispiel wäre es sinnlos, als 23jähriger zu einem 60jährigen Geschäftsführer zu sagen: „Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung …“ Der Geschäftsführer würde schallend lachen. Allerdings spricht nichts gegen eine Bemerkung wie: „In den letzten drei Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass …“ oder „In der kurzen Zeit, in der ich in der Branche tätig bin, habe ich die Erfahrung gemacht, dass …“ Damit relativiere ich den Wert meiner Erfahrung im Vergleich zur jahrzehntelangen Erfahrung des anderen. Der Gesprächspartner wird automatisch Achtung spüren und gleichzeitig zu schätzen wissen, dass der Geschäftspartner seine Erfahrungen zur Diskussion stellt, ohne den Wert seiner Kenntnisse einzuschränken.
Auch das Internet bietet Wege und Möglichkeiten, den Geschäftspartner Wertschätzung spüren zu lassen. Wenn in einem Autoresponder steht: „Danke für Ihre Anfrage, wir melden uns umgehend bei Ihnen“, macht es einen schlechten Eindruck, wenn einige Wochen lang nichts geschieht. Folgt der Anruf hingegen schon nach einer Stunde, wird der Kunde mehr als zufrieden sein. Denn das Versprechen, das der Autoresponder gab, wurde eingehalten – und möglicherweise sogar seine Erwartungen übertroffen.
Ich selbst stelle mein Wissen über Verpackungen kostenlos auf meiner Homepage zur Verfügung. Die Kunden erhalten also die wichtigsten Informationen, die für einen Abschluss in meiner Branche nötig sind, vorab. Ich überfahre sie nicht mit Fachbegriffen, sondern biete ihnen die Möglichkeit, sich auf ein Gespräch vorzubereiten. Damit signalisiere ich Wertschätzung, denn meine Kunden erkennen: Ich will mit ihnen auf Augenhöhe verhandeln und sie nicht über den Tisch ziehen.

10.000 Follower oder: Sich selbst wichtig sein

Für den Verkäufer ist der potentielle Kunde immer interessant. Deshalb ist die Wertschätzung des Kunden im Grunde programmiert. Was die meisten Verkäufer aber aus den Augen verlieren, ist dass die Wertschätzung der anderen bei ihnen selbst anfängt. Bei dem sogenannten Selbstwert, dem Von-Sich-Selbst-Überzeugt-Sein.
Bei XING sind unzählige Anbieter registriert, deren Anzahl an Kontakten monatelang stagniert. Jeder, der nur ein bisschen Geduld und Beharrlichkeit mitbringt, kann das beobachten. Das mag von außen so aussehen, als seien diese Anbieter im “richtigen Leben” über die Maße beschäftigt und als hätten sie keine Zeit für Networking-Spielchen im Social Web. Aber ich gehe jede Wette ein: Die meisten trauen sich schlicht nicht zu, ihren Freundeskreis auszuweiten. Der Grund ist ganz einfach: Deren Selbstbild suggeriert ihnen: „Ich bin ein kleiner Krauter, der mit 30 Kunden schon gut beschäftigt ist.“
Wer sich so gering schätzt, setzt sich selber Grenzen. Denn die Zahl der möglichen Kunden ist grundsätzlich unbegrenzt. Und egal wieviele Kontakte ein Geschäftsmann bereits hat: Wenn er sich selbst wirklich schätzt, wird er stets über neue Zielgruppen und Möglichkeiten der Expansion nachdenken. Denn ein Unternehmer mit Selbstwertgefühl ist der festen Überzeugung: Ich bin es wert, 10.000 Follower zu haben! Und wer sich das wert ist, der ist auch dazu in der Lage. Weil er nicht nur sich, sondern auch seine Kunden wichtig nimmt.
Dass der Sender sich selbst wichtig ist, ist nämlich die Voraussetzung für eine wertschätzende Kundenbeziehung. Das bedeutet aber nicht – und darin liegt eine große Gefahr – dass er sich für wichtiger halten darf, als er wirklich ist. Wer heute eine Homepage hat und sich deshalb enstpannt zurücklehnt und auf Aufträge wartet, leidet an völliger Selbstüberschätzung. Denn heute gehören neben einer Website ein aussagekräftiger Newsletter und andere Aktivitäten im Internet zur Mindestausstattung eines Unternehmens. Eine realistische Selbsteinschätzung ist die Basis für eine gesunde Selbstwertschätzung. Und dazu reicht ein Vergleich mit ähnlichen Unternehmen der gleichen Branche.
Wer sich selbst wichtig ist, der macht nämlich seine Hausaufgaben – und vermittelt seinem Gegenüber automatisch, dass er ihn wertschätzt. Denn Selbstwertschätzung und Wertschätzung der anderen sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wer sich vor einem Gespräch über seinen potentiellen Kunden, dessen Interessen und Aufgaben informiert und genau die Unterlagen mitbringt, die der Kunde braucht, lässt ihn ehrliche Wertschätzung spüren. Ist der Verkäufer auf diese Weise in Vorleistung gegangen, kann er problemlos auch für sich Respekt einfordern. Und damit zeigen, dass er sich selbst wichtig ist.
Ein Verkäufer, der sich selbst schätzt, ich auch für den Kunden ein Segen. Einmal habe ich einem Geschäftspartner gesagt: „Wissen Sie, ich versuche seit fünf Jahren, Sie als Kunden zu gewinnen, aber entweder gefalle ich Ihnen als Person nicht oder Sie haben kein Interesse an meinem Produkt – lassen wir es doch einfach.“ Dieser Unternehmer nahm mir meine Worte nicht übel. Im Gegenteil, er war erleichtert, dass ich verstanden hatte, dass er kein Geschäft mit mir abschließen wollte. Ich hatte seine Einstellung wahrgenommen und respektiert, und er fühlte sich wertgeschätzt.
Nur wer auf sich selbst hört, nimmt unangenehme Situationen in Kauf und hat den Mut, unproduktive Geschäftsbeziehungen abzubrechen – zur Erleichterung beider Parteien. Hätte ich weiterhin diesen Geschäftspartner mit Informationsmaterial zugeballert, hätte er irgendwann selbst entnervt das Weite gesucht. So habe ich ihm eine goldene Brücke gebaut: Sollte er jemals ein Produkt benötigen, das ich anbiete, kann er jederzeit ohne Gesichtsverlust auf mich zukommen.
“Ich bin nicht für alles zu haben.” Dieser Satz mag erstmal eigennützig klingen. Aber wer die Souveränität besitzt, seinen Geschäftspartnern dies auf eine wertschätzende Weise zu signalisieren, der ist sich nicht nur selbst wichtig – der schätzt in gleichem Maße auch seine Geschäftspartner.

Willst du mit mir gehen?

Warum nur bewusst gelebte Beziehungen lebendig bleiben

„Willst du mit mir gehen?“, fragen verliebte Jungs und Mädchen in der Schule. Anna hat Jan heute „Ja“ gesagt, weshalb sie nun Hand in Hand über den Schulhof gehen. Jetzt können alle sehen, dass die beiden ein Paar sind. Da wird Jessica aber vor Wut schnauben, dass ihr der Coolste der Klasse vor der Nase weggeschnappt wurde! Und Luis ist am Boden zerstört, dass seine Flamme einen anderen vorgezogen hat. Und wenn Jan und Anna sich in den folgenden Jahren nicht trennen, heiraten sie vielleicht sogar. Ein weiteres, öffentlich sichtbares Zeichen, das diese Beziehung besiegelt: Zwei Menschen tauschen Ringe aus und bekunden vor Zeugen, dass sie zusammenbleiben möchten.
Und wie ist das mit den Auto-Aufklebern mit den Umrissen der Insel Sylt? Für jeden erkennbar teilen sie mit, dass hier einer unterwegs ist, der seinen Urlaub auf der exklusiven Nordseeinsel verbringt. Oder es zumindest gerne tun würde. Menschen möchten sich nun mal offenbaren, sie wollen anderen zeigen, wie es um sie steht.
Das öffentliche Händchenhalten festigt die Beziehung. Jetzt muss Anna schon einen guten Grund haben, um Jan abzuservieren. Und der Fahrer des Autos mit dem Sylt-Aufkleber wird gar nicht mehr auf die Idee kommen, nach Rügen zu fahren, denn er hat sich ja bereits für Sylt entschieden und das öffentlich gemacht.

Heute genügt ein Mausklick, um eine Beziehung einzugehen. Ein kleiner Druck mit dem Finger und schon sind wir befreundet. Neben den Freunden, mit denen wir uns treffen, zusammen einen Kaffee trinken und ins Kino gehen, haben wir auch jede Menge Freunde, Fans oder Kontakte bei Facebook, XING oder StudiVZ. Egal, ob auf Neuseeland oder im Nachbardorf.
Fans einer Fußballmannschaft erkannte man früher nur an Spieltagen: Dann zogen sie Trikots in Vereinsfarben an, hängten sich einen Schal mit dem Vereinslogo um und zogen Schlachtgesänge rufend ins Stadion. Heute ist es angesagt, mit einem Trikot der Lieblingsmannschaft in die Schule oder zum Einkaufen zu gehen – und man kann online Fan seiner Mannschaft werden.
Ein Schalke-Fan muss schon lange nicht mehr im Ruhrgebiet wohnen. Ganz gleich, ob von München, Cottbus oder Buenos Aires aus: Heute kann er sich bei Facebook ganz offiziell als Fan seiner Lieblingsmannschaft eintragen, und bei Twitter als Schalkes Follower. Wenn er zusätzlich Sylt-Fan ist, wird auch diese Fangruppe in seinem Profil angezeigt. Und wenn er bei Siemens arbeitet, ist er höchstwahrscheinlich auch bei Facebook Siemens-Fan.
Seit dem Siegeszug der sozialen Netzwerke scheint sich nichts Grundlegendes verändert zu haben. Fans bleiben Fans – ob in der Realität oder am Bildschirm. Mit einem einzigen Unterschied: Früher konnten wir unsere Freundeskreise nach Wunsch miteinander bekannt machen, es aber auch lassen. Die Kollegen aus der Firma wurden nicht unbedingt den Freunden aus dem Handballverein vorgestellt und umgekehrt. Der knochentrockene Buchhalter, der am Tag über endlosen Bilanzen brütete, tobte sich abends mit seinen früheren Studienfreunden bei einem Death-Metal-Konzert aus, ohne dass es sein Chef jemals erfuhr. Bei Facebook hingegen sieht jeder, wer mit wem befreundet ist und zu welcher Fangruppe er gehört. Wer so unvorsichtig ist, Fotos vom letzten Konzert auf seiner Seite zu posten, muss damit rechnen, dass sein Chef diese sieht. Denn eines hat sich seit der Entstehung der sozialen Netzwerke geändert: Die strikte Trennung zwischen privat und öffentlich wurde aufgehoben.

Aus Kunden werden Fans – und aus Fans werden Kunden

Unsere Kunden sehen im Netz, mit wem wir geschäftlich und privat verbunden sind. Und danach beurteilen sie uns. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten.
Menschen, die sich bei Facebook als Fan eines Unternehmens eingetragen haben, sind ihm automatisch stärker verbunden als diejenigen, die sich nicht geoutet haben. Sie kaufen dort deutlich mehr als Nicht-Fans. Das Ziel eines Unternehmens ist deshalb, möglichst viele Fans in sozialen Netzwerken zu gewinnen. Denn mit den Fans an unserer Seite ist das Spiel so gut wie gewonnen: Fans halten zu ihren Vorbildern, egal, wie es läuft. Fans sind treu. Sie wechseln nicht einfach ihren Partner, ihren Fußballclub – und auch nicht ihre Marke.
Ein Unternehmen mit einer Facebook-Seite bietet seinen Kunden daher an, seine Fans zu werden und sich für dessen Angebot an Waren oder Dienstleistungen zu begeistern. Oder noch besser: sich mit dem Angebot zu identifizieren. Die Kunden können sich zum Unternehmen bekennen. Dafür ebnen die Firmen ihnen den Weg. Doch gleichzeitig müssen diese wissen, was genau die potentiellen Fans für das Unternehmen begeistert.
Siemens hat keinen Fanclub. Das traditionelle Unternehmen stammt aus der Gründerzeit der Industriegeschichte und arbeitet noch nicht mit Beziehungen in sozialen Medien. Schade eigentlich. Denn der Vorteil von Fangemeinden liegt auf der Hand: Wenn Siemens 10.000 Fans hätte, hätte er automatisch 10.000 Multiplikatoren, die die Produkte von Siemens weiterempfehlen. Und der Geräte-Hersteller hätte noch viel mehr Kunden, als es ohnehin schon hat.
Hat Siemens Angst, dass es keine Fans geben könnte, sondern nur Nörgler? – Auch das wäre gut für die Firma, denn dann könnte sie zumindest offen darauf reagieren. Sie hätte Gelegenheit, mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen und könnte an Profil gewinnen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Unternehmen den Trend bislang verschlafen hat.
Vorbildlich in dieser Hinsicht agiert Apple. Die Waren des kalifornischen Unternehmens haben den Charakter von Statussymbolen. Die Anfänge des Unternehmens als Garagengründung, die visionären Auftritte von Steve Jobs, das Design der Produkte – dies alles macht Apple zu einem Unternehmen mit emotionaler Ausstrahlung, mit Millionen von Fans in aller Welt. Fans, die bereit sind, eine Nacht im Schlafsack vor einem Laden zu campieren, nur um als Erste ein neues Produkt ihres Lieblingsherstellers zu erwerben.
Warum Menschen Fans sein wollen, erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick. Die Musik bei einem Konzert ist schlechter abgemischt als bei der Studio-Aufnahme, das Fußballspiel ist im Stadion nicht so gut zu verfolgen wie im Fernsehen, und trotzdem strömen die Menschen in Scharen zu den Live-Ereignissen. Der Grund: Sie möchten Teil einer Menge sein, die sich mit der gleichen Sache identifiziert. Sie möchten das erhebende Gefühl erleben, sich gemeinsam mit vielen anderen für einen Musiker oder eine Fußballmannschaft zu begeistern. Sie möchten sich mit ihren Idolen identifizieren können. Und Identifikation erfordert, die Regeln zu kennen. Niemand würde sich mit einem Schalke-Schal in die Fankurve der Borussia Dortmund stellen.
Dazu ein aktuelles Beispiel: Vor kurzem musste das Dach der Schalke Arena ausgebessert werden. Einer der Handwerker hat sich bei dieser Gelegenheit einen Scherz erlaubt, und auf der Schalke Arena eine Dortmund Fahne gehisst! Sofort haben sich viele Fans bei der Geschäftsführung von Schalke beschwert, und der Handwerker wurde umgehend von der Baustelle abgezogen.
Wenn Ihnen also Kunden Dinge über Ihre Mitbewerber erzählen, dann haben Sie auch Fans. Das Wissen über die wichtige Funktion von Fans und Fanclubs machen sich Unternehmen in der neuen Wirtschaft zunutze, um ihre Kunden an sich zu binden. Denn aus Fans werden Kunden – und zwar schneller als man denkt.

Fans stehen uns auch in schlechten Zeiten bei

Der Normalfall in der Wirtschaft sieht so aus: Unternehmen informieren über ihre Produkte, die Käufer entscheiden dann, ob sie sich damit identifizieren wollen oder nicht. Diese Entscheidung erfolgt sehr schnell und nahezu unbewusst. Um diesen Prozess zu erleichtern, laden Leuchtturm-Unternehmen ihre Kunden aktiv ein, sich mit ihnen zu identifizieren. Zum Beispiel mit den Worten: „Wussten Sie, dass wir der größte Lieferant von Schrauben in Europa sind?“ Damit fühlt sich der Kunde angesprochen als Mitglied einer riesigen Käufergemeinschaft.
Noch direkter laden Werbegeschenke mit Logos, Siegel oder Markenkleidung zur Identifikation ein. Wenn ein Kunde den Werbekuli mit der Aufschrift des Leuchtturm-Unternehmens benutzt, ist er Fan des Unternehmens geworden – und Teil einer emotionalen Gemeinschaft.
Die Fans werden natürlich nicht trötend durch die Firma laufen und lauthals ihr Laptop preisen, aber sie werden sich outen, wenn es darauf ankommt. Und wenn der Fan es für richtig hält, denn das ist seine Entscheidung.
Natürlich fällt es einem jungen Unternehmen schwerer, die ersten Fans zu gewinnen, denn es kann noch keine große Gemeinschaft bieten. Doch zu Anfang genügen ganz kleine Dinge wie ein Werbekuli als Geschenk. Je erfolgreicher ein Unternehmen wird, desto attraktiver wird es und desto mehr Fans gewinnt es. Und jetzt kommt der springende Punkt: Wenn ein Unternehmen einmal eine Menge Fans gewonnen hat, werden diese grundsätzlich zu ihm halten, auch wenn es dem Unternehmen schlechter geht. Denn aus dem einst kleinen, unbekannten Namen ist ein großer, standhafter Leuchtturm gewonnen.
Ich habe selbst solche Fälle erlebt. Ich wollte neue Kunden gewinnen und zählte ihnen die Vorteile eines Geschäftes auf. Meine Firma bot bessere Qualität, einen günstigeren Preis und eine schnellere Lieferzeit als die Konkurrenz. Trotzdem wollte ein bestimmter Interessent nicht zu mir wechseln, sondern blieb bei seinem Stammlieferanten. Ich hatte zwar zig Referenzen vorzuweisen, aber der Kunde wollte das gewohnte Terrain partout nicht verlassen – einfach aus emotionalen Gründen. Wie der Begriff schon besagt: Ein Stamm-Kunde ist bei seinem Lieferanten irgendwie verwurzelt. Nach einiger Zeit gelang es mir doch, den Kunden zu gewinnen. Und jetzt geht es meinen Mitbewerbern so wie mir damals.
Der gleiche Effekt lässt sich auch bei den Fans berühmter Sportler beobachten. Sie halten zu dem Sportler, auch wenn er mal auf einen schlechteren Rang zurückfällt. Misserfolge werden ihm verziehen. Genauso verzeihen Kunden ihrem Leuchtturm-Unternehmen Fehler, da eine emotionale Beziehung entstanden ist.

Der Absprung ist schwer

Fans sind treu. Sie abzuschrecken ist für Unternehmen deshalb gar nicht so einfach. Damit ein Kunde, der Fan eines Leuchtturm-Unternehmens ist, abspringt, braucht es eine ganze Reihe schlechter Erfahrungen. Und es kommt noch dicker: Schlechte Erfahrungen alleine reichen gar nicht aus, damit ein Kunde das Unternehmen wechselt. Ein anderes Unternehmen mit einer ähnlich attraktiven Ausstrahlung, also ein anderer Leuchtturm, muss die vakante Stelle des ersten Unternehmens einnehmen. Wenn sich kein anderer Leuchtturm als Alternative anbietet, werden die Kunden weiterhin bei dem angestammten Unternehmen einkaufen, obwohl sie enttäuscht wurden.
Eine Frau, die stets Markenjeans trägt, wird nicht zu einer billigen Alternative greifen, wenn ihre angestammte Marke einmal ihre Erwartungen nicht erfüllt. Sie wird eine andere Hose der gleichen Marke suchen, oder allenfalls von Levi’s zu Pierre Cardin wechseln. Ein BMW-Fahrer, der von seinem Wagen in Stich gelassen wurde, steigt nicht auf Lancia um – sondern wenn es schon sein muss, dann auf Audi oder Mercedes. Aber auch das nur zähneknirschend. Am allerliebsten arrangiert er sich mit der BMW-Werkstatt.
Ein Fan ist aus vielerlei Gründen hilfreich: er unterbreitet mir oftmals Lösungsvorschläge und gibt Tipps zur Verbesserung der Produkte, damit er weiterhin Kunde bleiben kann. Für ein anderes Unternehmen ist es oft sehr schwierig und teuer, treue Fans abzuwerben. Verständlich wird das mit einem einfachen Vergleich: War ich als Jugendlicher Fan von Madonna, höre ich wahrscheinlich noch heute gerne ihre alten Songs. Und bin ich ein Fan von Schalke, werde ich sauer sein, wenn ein wichtiger Spieler just zum Erzrivalen wechselt.
Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Leuchtturm-Unternehmen seine Kunden langfristig bindet, wenn es ihre Erwartungen im Allgemeinen erfüllt. Die Kunden sind zufrieden und schauen sich nicht nach anderen Anbietern um. Und wenn das Unternehmen hin und wieder die Erwartungen der Kunden sogar übertrifft, dann steigt die Zufriedenheit der Kunden noch mehr, und damit auch die Identifikation mit dem Unternehmen und die Kundenloyalität. Wenn dieser Zustand erst einmal erreicht ist, muss das Unternehmen ganz dicke Minuspunkte sammeln, damit ein Kunde abspringt.
Eine Geschäftsbeziehung funktioniert dabei nicht anders als eine persönliche Beziehung. Wer ein Geschäft miteinander macht, geht auch eine persönliche Beziehung ein. Dies gilt sogar für den Kauf von Brötchen beim Bäcker. Man kauft beim Bäcker um die Ecke, weil man den schon immer kennt – und begründet dies mit dem Argument, dass die Brötchen dort eben am besten schmecken. Auch wenn dieses Argument einem genauen Test, zum Beispiel einer Blindverkostung, nicht standhalten würde.

Auf das Beziehungskonto einzahlen

Wer hohe Qualität, gute Betreuung und anständigen Service bietet, kann ziemlich sicher sein, seine Kunden zu halten. Denn Menschen leben in Beziehungen und verändern diese ungern. Sie scheuen jeglichen Aufwand, der nicht unbedingt sein muss. Nur bei Produkten, die absolut vergleichbar sind, sinkt die Schwelle, den Anbieter zu wechseln.
Einmal angenommen, Sie brauchen Gewürzgurken. Ob Sie diese bei Discounter A oder bei Discounter B kaufen, ist ziemlich egal. Die meisten Käufer erwarten, dass die Gurken sich geschmacklich und von der Qualität her nicht unterscheiden und kaufen beim preisgünstigsten Anbieter. Aber angenommen, ein wichtiger Gesprächspartner samt Ehefrau werden zum Abendessen erwartet. Dann kaufen Sie wahrscheinlich die Gurken dort, wo Sie beim letzten Einkauf zufrieden waren. Sie gehen kein Risiko ein. Die meisten Menschen zumindest ticken so. Und je komplexer das Produkt oder die Dienstleistung ist, die ein Kunde bezieht, desto eher scheut er den Wechsel.
Wenn ein Unternehmen eine Beziehung zu einem Kunden aufgebaut hat, besteht der nächste Schritt darin, dem Kunden diese Beziehung bewusst zu machen. Werbegeschenke mit Logos eignen sich dazu sehr gut. Sie besiegeln die Beziehung nach außen, zu der sich der Kunde nun aktiv bekennt.
Die Bindung zwischen Kunden und Unternehmen ist aber vor allem emotional. Und weil Emotionen flüchtig sind, müssen sie gefestigt werden. Versteht man die Beziehung als eine Art Konto, so ist das Ziel, dass das Unternehmen stets auf das Beziehungskonto einzahlt.
Stellen Sie sich vor, der Außendienstler eines Schraubengroßhandels besucht seinen Kunden.
„Ich habe Ihre Regale wieder aufgefüllt.“
„Ja, danke!“
„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“
„Schön, dass Sie immer pünktlich liefern, aber mein Platz im Regal wird knapp. Ich bräuchte eigentlich neue Regale…“
Nun kommt der entscheidende Moment. In der Regel antwortet der Außendienstler:
„Tut mir leid, dafür bin ich nicht zuständig.“
Chance verpasst.
Der Außendienstler eines Leuchtturm-Unternehmens aber antwortet:
„Mal sehen, was sich machen lässt. Morgen schicke ich Ihnen die Adresse eines Regalbauers.“
Schon wurde auf das Beziehungskonto eingezahlt. Und womit habe ich denn bezahlt? Mit wenigen Minuten Zeit, die sich später als gut investiert zeigen werden. Ich bin in bestem Kontakt mit dem Kunden, muss weniger Mailings verschicken oder Anzeigen schalten. Und wenn ich gut organisiert bin, habe ich die Informationen sowieso parat. Denn die Fragen der Kunden wiederholen sich meist. Also ein guter Anlass, mich einmal wieder als Experte zu präsentieren.
Ziel einer guten Kundenbeziehung ist es, in der Summe stets auf das Konto einzuzahlen. Und zwar subtil. Völlig unproduktiv wäre es, dem Kunden durch Werbesprüche Zeit zu stehlen. Wer die Zeit seines Kunden klaut, bucht vom Beziehungskonto ab. Einzahlungen auf das Konto entstehen daher auch, wenn dem Kunden neue Argumente geliefert werden, um weiterhin Kunde zu bleiben.
Denn Kunden, Einkäufer zum Beispiel, stehen unter Rechtfertigungsdruck. Sie müssen sich legitimieren, wieso sie beim Leuchtturm-Unternehmen einkaufen und nicht bei der Konkurrenz. Eine Mail mit dem Hinweis „Bei Stiftung Warentest haben wir hervorragend abgeschnitten“ hilft dem Kunden, das eigene Einkaufsverhalten zu begründen. Eine solche Mail wird daher nicht als Werbung oder Belästigung wahrgenommen, sie zählt zur Beziehungspflege.
Besonders gute Beziehungen werden gerne nach außen dokumentiert. Erinnern wir uns: Das Paar läuft Händchen haltend über den Schulhof. Ehegatten legen ihre Trauringe nicht ab. Und ein begeisterter Kunde bekennt sich gerne zu einem Leuchtturm-Unternehmen.

Die Bilanz im Plus halten

Ein wirksames Bekenntnis zu einem Unternehmen bilden Referenzschreiben. Diejenigen, die bereitwillig ein solches Schreiben formulieren, bleiben in der Regel Kunden. Natürlich kann ich Ihnen die Arbeit auch abnehmen, indem ich ihnen bei der Schreibarbeit helfe. Denn manche tun sich damit enorm schwer oder haben schlicht keine Zeit zum Schreiben, obwohl sie gerne bereit zu einer Empfehlung sind.
Andere, die zögern oder ablehnen, eine Referenz auszustellen, könnten abwandern. Ein Referenzschreiben ist ein öffentliches Bekenntnis zu einem Unternehmen – und damit eine effektive Kundenbindung. Der Kunde outet sich als „Fan“ des Unternehmens und dokumentiert dies in aller Öffentlichkeit mit dem Referenzbrief.
Ein Leuchtturm-Unternehmen wird immer darauf achten, dass das Beziehungskonto zu den Kunden noch im Haben-Bereich ist. Hinweise, dass zuviel vom Konto abgebucht wurde, kommen stets vom Kunden selbst. Benutzt der Kunde einen Kuli mit dem Werbeaufdruck des Konkurrenten? Hier ist die Bilanz des Beziehungskontos nicht im Lot. Auch wenn ein ehemaliger Stammkunde zum Mitbewerber abwandert, weil dieser ein paar Euro preiswerter anbietet, hat die Beziehung nicht gestimmt. Der Kunde wurde vernachlässigt. Ein Leuchtturm-Unternehmen wird immer bemüht sein, den Kunden seine Wertschätzung spüren zu lassen. Denn Wertschätzung zahlt sich positiv auf das Beziehungskonto aus.
Eine Beziehung, die viele Jahrzehnte hält, beruht auf zwei Überzeugungen: „Ich bin wichtig“ und „Du bist mir wichtig“. Wer den anderen und sich selbst schätzt, hat große Chancen, mit seinem Partner die Torte zur Goldenen Hochzeit anzuschneiden.

Miteinander reden

Warum Märkte tatsächlich Gespräche sind

Willkommen im Zeitalter der Quasselstrippen: Mit dem Internet und seinen vielen neuen Kommunikationswegen hat eine Ära des Massengeplauders begonnen. Menschen schreiben E-Mails. Sie versenden Newsletter und die Erfolgsbotschaft des Tages. Über Skype wird nicht nur telefoniert, sondern auch gechattet und wer möchte, kann sich dabei via Bildschirm in die Augen sehen oder zunicken. Manche machen ihre Ideen über ihre Webseiten publik. Andere veröffentlichen ihre Ansichten in Blogs. Auf XING werden Steckbriefe formuliert, auf Facebook Statusmeldungen abgegeben. Es wird so viel kommuniziert wie nie zuvor. Und das ist gut so. Denn Kommunikation ist die Grundlage jeden Handels. Und der größte aller denkbaren Handelsplätze ist heute das Internet.
Als Anfang der 90er Jahre der Grundstein für das gelegt wurde, was wir heute unter dem Begriff „Internet“ kennen, da war es noch kein Handelsplatz und weit entfernt von allen Anwendungen des Web 2.0. Geläufig war es lediglich international arbeitenden Wissenschaftlern und einer Handvoll Nerds, also abgedrehten Computerfreaks. Dann wagten sich die ersten Privatleute hinaus in die virtuelle Weite. Anfangs dachte niemand daran, dort Dinge zu verkaufen. Es ging darum, sich mit anderen zu unterhalten – oder auch nur vor sich hinzureden, in der Hoffnung, dass jemand zuhört. Aus diesen Unterhaltungen, dem Wunsch, sich mitzuteilen, entwickelten sich erste Projekte: Newsgroups, Chatrooms, Foren. Boris Becker krähte im Werbespot, „Bin ich schon drin?“ und freute sich wie ein Schneekönig über seinen schnellen Erfolg. Sie erinnern sich? Menschen erstellten Websites, um andere über ihre Hobbys und Vorlieben zu informieren. Seht mal, ich bin interessant! Und fast immer fand sich jemand, der bereit war, dem zuzustimmen.
Aus dem Austausch entstanden Beziehungen. Menschen traten miteinander in Kontakt, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Das Netz bekam seinen Namen, weil es Menschen vernetzte. War es da nicht selbstverständlich, dass findige Köpfe auf die Idee kamen, es für ihre Marketingaktivitäten zu nutzen?

Back to the roots

Der Markt, das Handeln von Waren und die damit verbundene Kommunikation gehören zu den Grundlagen nahezu jeder Gesellschaft auf dieser Erde und das seit Jahrtausenden. Die Regeln des Marktes sind uns wortwörtlich in Fleisch und Blut übergegangen. Selbst zwei Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen, können miteinander feilschen. Jeder, der schon einmal auf einer Reise nach Souvenirs Ausschau gehalten hat, weiß das. Mit Gesten und Mimik lässt sich sowohl der Preis eines Teegefäßes in Thailand ausmachen als auch der Wert einer Tüte Vanilleschoten in Mexiko. Kleines Beispiel gefällig? Was ist aus diesen Gesten herauszulesen?
Käufer: Auf die Tüte zeigen, beide Hände nach außen drehen und Kopf leicht schief legen. Augenbrauen hoch – lächeln.
Händler: Viele Finger heben.
Käufer: Die Hälfte der Finger heben.
Händler: Augen aufreißen, Kopf schütteln. Auf die Tüte zeigen. Mehr Finger heben.
Nun einigt man sich in der Mitte und besiegelt den Tausch von Geld und Ware mit einem Nicken oder gar mit einem Handschlag. Der Handel ist perfekt. Oder der Käufer schüttelt den Kopf und geht weiter.
Viele Gesten werden weltweit verstanden. Sie können aber auch missverstanden werden, wenn sie nur einen Deut abweichen von der Norm. Von dem, was in dieser Gesellschaft üblich ist. Ein Nicken kann in Asien bedeuten, dass der andere das Anliegen verstanden hat. Es muss nicht heißen, dass er einverstanden ist.
Selbst zwischen deutschen und Schweizer Geschäftsleuten kommt es häufig zu Irritationen, weil die Codes minimal abweichen. Zum Beispiel bei der Auftragsvergabe. Der Deutsche erkundigt sich, ob sein Angebot in Ordnung ist: „Passt alles?“ – Der Schweizer darauf: „Ja, das passt“. Damit ist für den Schweizer alles gesagt. Für den Deutschen noch lange nicht, er möchte nun den Knopf dran machen, denn noch scheint ihm der Auftrag nicht vergeben: „Also kann ich den Auftrag buchen?“ hakt er nach. Das irritiert den Schweizer, der ja bereits zugesagt hat. Umgekehrt sind die Deutschen nach einem solchen Gespräch und der Bemerkung „Ja, das passt!“ mehr als verwundert, wenn ihnen in der Folge bereits die Auftragsbestätigungen ins Haus flattern. Minimale Unterschiede, die zum Scheitern von Geschäftsbeziehungen führen können. Wenn nicht rechtzeitig über das Missverständnis gesprochen wird.
Missverständnisse kann es auch bei den Umgangsformen geben. Auf der Einladung zu einem Unternehmens-Treffen in der Schweiz war der Kleidungs-Code „casual“ angegeben, Start der Veranstaltung sollte um 18 Uhr sein. Doch ich war der einzige, der ohne Anzug erschienen ist – und peinlich berührt über seinen Fehler war. Ich hätte mich besser informieren müssen! Verbale und nonverbale Kommunikation. Was habe ich an diesem Abend mit meinem Pullover gesagt? Ich habe keine Ahnung, sorry!

Verpassen Sie nicht den Markttag!

Wer die Kunst der Kommunikation beherrscht, hat definitiv bessere Chancen, sich auf den internationalen Märkten durchzusetzen. Das war schon so, als es noch keine globalen, sondern nur lokale Märkte gab. Und das Internet noch nicht einmal als Idee existierte. Gehen wir noch ein Stück weiter zurück: als es noch nicht einmal Telefon gab.
In diesen düsteren Zeiten, in denen man nach einem langen Tag auf dem Feld keine Pizza bestellen konnte und das Entertainment nicht aus den Serien-Hits im Privatfernsehen bestand, sondern aus dem sonntäglichen Kirchgang, gehörten die Markttage zu den wichtigsten und aufregendsten Ereignissen des Jahres.
Christopher Locke beschreibt es im Bestseller „The Cluetrain Manifesto“ etwa so: „Vor 5.000 Jahren war der Marktplatz der Dreh- und Angelpunkt unserer Zivilisation. Ein Ort an dem Händler exotische Gewürze, Seide, Affen, Papageien, Juwelen feil boten, die sie aus fremden Ländern mitgebracht hatten – und fantastische Geschichten.“ Wer hätte da fehlen wollen?
Sicher ist: Wer den Markttag verpasste, hatte auf all diese begehrenswerten Dinge keinen Zugriff. Er war abgeschnitten. Nicht nur von den Waren, sondern auch vom Informationsfluss. Denn genauso wichtig wie die Güter, die auf den Märkten die Besitzer wechselten, waren die Nachrichten, die dort feilgeboten wurden. Und noch wichtiger waren die Beziehungen, die geknüpft werden konnten. Daran hat sich in 5.000 Jahren nichts geändert. Erster Satz des Cluetrain Manifestos: „Märkte sind Gespräche“.
Wer also beim jährlichen Markttag nicht dabei war, blieb außen vor. Da war nichts nachzulesen oder zu googeln. Nicht, wo es den billigsten Mais gab, nicht, wo gerade Arbeitskräfte gesucht wurden. Vor allem aber: keinen Tratsch, keine Neuigkeiten von den Nachbarn, keine Insider-Infos. Dieses wunderbare Grundrauschen eines geschäftigen Tages. Bei wem läuft der Laden gut? Wer hat drei Kunden in Folge verärgert und wer ist vertrauenswürdig? Darüber wurde nebenbei gesprochen, zwischen zwei Handschlägen. En passant.
Aber genau diese eigentlich nebensächlichen Gespräche sind es oft, die über einen erfolgreichen Deal entscheiden. Die letztlich dafür sorgen, dass der Kunde bei diesem und nur bei diesem Händler kauft. Warum? Weil Gespräche Beziehungen aufbauen und festigen. Beziehungen sind wertvoller als Waren. Zumindest dann, wenn die Waren bezahlbar und in identischer Qualität von mehreren Verkäufern angeboten werden. Womit wir uns wieder in der Jetztzeit befinden. In einer Welt der globalen Märkte. Und mit Internet.

Im Schraubenforum

Das Internet erlaubt uns nämlich nicht nur, weltweit mit anderen Menschen zu kommunizieren. Rein theoretisch könnten wir auch mit allen anderen handeln. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Herr Mutter will eine Schraube kaufen. Weil Herr Mutter das mit den globalen Märkten und der Informationsgesellschaft verstanden hat, geht er erst einmal online. Auf Wikipedia und in den Archiven diverser Nachrichtenseiten macht er sich schlau, welche Typen von Schrauben es gibt und welche Schraube für ihn optimal ist. Weil er Menschen mehr vertraut als Medien, liest er zusätzlich noch die Erfahrungsberichte in dem einen oder anderen Schraubenforum durch. Jetzt fühlt er sich gut informiert.
Über eine Seite zum Preisvergleich sucht er nach dem günstigsten Angebot. Es finden sich zwanzig Händler, die genau diese Schraube in ihrem Sortiment haben, für 1,99 Euro das Stück. Herr Mutter vergleicht die Kosten für die Verpackung und die Lieferzeiten und sortiert zehn Händler aus. Fünf weitere lassen in Sachen Serviceleistung zu wünschen übrig. Bleiben immer noch fünf, die drei Jahre Garantie geben, 24 Tage Rückgaberecht einräumen und ein rund um die Uhr erreichbares Servicetelefon anbieten. Wo kauft Herr Mutter nun seine Schraube?
Wenn es rational betrachtet keinen Unterschied macht, ob er bei Händler A oder Händler B kauft, wird er die Entscheidung nach emotionalen Gesichtspunkten treffen. Vielleicht ist es die Website, die den Ausschlag gibt: schöne Farben, angenehme Musik, das Foto auf der Startseite erinnert ihn an den letzten Urlaub, an Mamas Apfelkuchen, an die nächste Gehaltserhöhung. Vielleicht triggert der Name des Verkäufers etwas – bestenfalls, weil dieser Kommunikationsmittel genutzt hat, die einen guten Eindruck hinterlassen haben. Weil die Botschaft lustig war oder clever oder grundehrlich. Vielleicht hat Herr Mutter auch mal von jemandem gehört der von jemandem gehört hat der dort gekauft hat und zufrieden war. Der Schraubenanbieter hat jedenfalls alles richtig gemacht. Er könnte sich jetzt zurücklehnen und darauf warten, dass Herr Mutter bei ihm kauft.
Oder er könnte noch einmal an ein paar Stellschrauben drehen, um genau dieses positive Gefühl ins Spiel zu bringen, dass es für das entscheidende Ja braucht. Emotionen lassen sich nicht erzwingen. Aber befeuern lassen sie sich schon.

Emotion und neue Regeln 

Tatsächlich spielen Emotionen eine wachsende Rolle auf unseren Märkten. Das liegt zum einen daran, dass wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, die zunehmend mit Dienstleistungen handelt, mit Rechten und Ideen. Also mit gefühlten oder fühlbaren Werten, die sich jedoch nicht anfassen lassen. Zum anderen aber auch daran, dass das Netz unsere Art zu kommunizieren emotionalisiert hat. Am Anfang ging es im Internet eher darum, sich selbst auszudrücken, als sich zu vermarkten. Dabei wurden eine ganze Reihe neuer Regeln aufgestellt und einige alte über den Haufen geworfen. Ein Beispiel: Spontaneität. Diese gab es in der Fernkommunikation nämlich bis Anfang des letzten Jahrhunderts nicht.
Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass berittene Boten einst Wochen unterwegs waren, um eine Nachricht von A nach B zu bringen. Wie lange haben Menschen wohl gebraucht, um einen Brief zu schreiben? Es musste ja wirklich alles unmissverständlich und makellos aufgeführt sein, denn meist ging es um entscheidende Fragen: Welche von Ihren drei Töchtern soll ich jetzt zur Frau nehmen? Die Möglichkeit für eine Rückfrage bot sich oft erst Wochen später. Und wenn der Brief einmal unterwegs war, hieß es warten. Lange warten. Bis die Antwort kam. Die Zeit, die verging, war reine Wartezeit, sie zahlte nicht auf das Beziehungskonto ein.
Das Telefon hat die Kommunikation zwischen Geschäftspartnern deutlich erleichtert. Endlich konnten Gespräche mit weit entfernten Personen in Echtzeit ablaufen. Aber auch diese teuren Fernverbindungen wurden noch überlegt geplant und auf Ausnahmen beschränkt. Richtig spontan wurde die berufliche Kommunikation erst durch den Einsatz von E-Mails oder Chats. Und dadurch wurde sie zwar persönlich, schneller, direkter, aber auch – zugegebenermaßen – undeutlicher, unpräziser, schlicht: geschwätziger. Eine E-Mail mit drei ??? im Betreff ist genau so schnell zurück gefeuert, wie man „Hä?“ sagen kann. Und in diesem Moment etwa genauso höflich.
Während das Telefon noch in der Lage war, schlechte Laune oder einen Scherz zu transportieren, lieferte die Kommunikation via Mail in den ersten Jahren nur sachliche Information. Zwischentöne wurden kaum ausgedrückt, es war chic, möglichst sachlich, womöglich sogar nur in Stichworten zu kommunizieren. Freude oder ein Augenzwinkern wurden in winzige elementare Symbole gepackt. Doch dutzendweise Smileys in den Text einzubauen genügt schon längst nicht mehr.
E-Mails und andere Kanäle der neuen Medien bieten uns heute, was uns für einige Jahre zumindest im Berufsleben nicht mehr zugänglich war: die emotionale Kommunikation des Marktplatzes. Die Zeiten, in denen man sich hinter den kalten Methoden des klassischen Marketing verstecken konnte, sind vorbei.
Stattdessen werden Faktoren wie Vertrauen, Sympathie oder Transparenz immer wichtiger. Mit Werbung lassen sich zwar Emotionen wecken, aber nur bedingt steuern. Nur, weil jemand im Kino über einen brillanten Spot gelacht hat, heißt das nämlich noch lange nicht, dass er dem Hersteller auch vertraut.
Aber genau hier setzt PreSales Marketing an. Vertrauen entsteht, wenn man nicht nur am Markttag anwesend ist. Man muss die Runde machen. Hier eine Hand schütteln, da auf eine Schulter klopfen. Hören, worüber geredet wird. Seine Meinung sagen. Stellung beziehen. Gemeinsam lachen. Beziehungen aufbauen, die dann langfristig die Vorreiterstellung am Markt sichern.

Informationen filtern

Das Netz hat den Markt zu uns gebracht. Wer einen Computer hat oder auch nur ein Smartphone, kann Präsenz zeigen. Kommunikationsplattformen wie Twitter, Facebook oder XING ermöglichen es jedem, sich sofort in das Geschehen einzumischen. Nie war es einfacher, zu kommunizieren. Nie ließen sich so leicht Kontakte knüpfen, Kontakte vervielfachen und verbindliche Beziehungen pflegen. Und nie war es so kompliziert.
Die Ruhe, da müssen wir uns nichts vormachen, ist dahin. Arbeiten in Zeiten des Web 2.0 ist ein bisschen, als hätte man seinen Schreibtisch zwischen Gemüse-Heiner und Aale-Dieter aufgestellt: Es ist laut. Unruhig. Das macht es schwieriger sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Was genau war noch mal das Wesentliche? Ach ja – Informationen filtern. Sich nicht ablenken lassen. Wann muss ich agieren? Wann reagieren? Wie viele Gedanken muss ich durch die Kanäle jagen, um wahrgenommen zu werden? Das alles sind Fragen, die noch niemand klar beantworten kann. Und vermutlich auch nie beantworten können wird.
Der Umgang mit den neuen Medien ist ein Lernprozess, der viel mit Persönlichkeit zu tun hat. Mit der eigenen und der des Gegenübers. Der eine lässt sich am besten mit einem handgeschriebenen Brief milde stimmen. Der andere freut sich über einen Anruf. Und wieder ein anderer schätzt es, dass seine Gedanken via Twitter aufgegriffen und weitergegeben werden. Wer von den möglichen Handelspartnern jedoch welchen Kanal bevorzugt, wird man nur herausfinden, wenn man bereit ist, auf den Markt zu gehen und dort in Kontakt zu treten.
Die Mittel, um Beziehungen zu pflegen, sind vorhanden. Aber die Beziehungen aufzubauen ist eine Arbeit, die nicht einmal das Web 2.0 kann. Das können nach wie vor nur wir Menschen selbst. Allerdings: Die neuen Technologien und ihr cleverer Einsatz können uns dabei mächtig unter die Arme greifen!

Der Aufstieg der sozialen Netzwerke – Teil 1

Warum Menschen die Gemeinschaft in sozialen Netzwerken suchen

Niemand ist eine Insel – deshalb suchen Menschen die Gemeinschaft. Nur in der Gruppe fühlen wir uns sicher und aufgehoben. Die Familie stärkt uns, Freunde machen das Leben bunt. In Vereinen, Clubs und Selbsthilfegruppen finden wir Gleichgesinnte. Und auch im beruflichen Leben suchen wir Anschluss: So wie sich in früheren Zeiten Handwerker und Händler in Gilden und Zünften organisierten, schließen sich Berufstätige heute in Verbänden und branchenspezifischen Vereinigungenzusammen. Dem Einzelnen bringt das große Vorteile: er fühlt sich in der Gruppe geborgen und verstanden, er kann seinen Wünschen und Zielen mehr Gewicht verleihen – und kann reden.

Miteinander zu kommunizieren ist eines der dringendsten Bedürfnisse des Menschen überhaupt. Jeder möchte sich austauschen und sich ausdrücken, sich zeigen und präsentieren. Selbst das schüchternste Mauerblümchen möchte wahrgenommen werden. Doch nicht jedem ist es gegeben, sich dem Mitmenschen im persönlichen Gespräch interessant zu machen. Das ist mit dem Internet einfacher geworden.

Wie alles begann

In den Neunziger Jahren, den Anfängen des Internet-Zeitalters, diente das Netz als ein riesiger Speicher von Informationen. Wie ein gigantischer Karteikasten machte es dem Nutzer Auskünfte zugänglich. Auf der Suche nach einem dringend benötigten Buch musste er nun nicht mehr mühsam die ihm bekannten Bibliotheken per Brief oder Telefon abklappern. Ein bisschen Hintergrundwissen und ein paar Tastenkombinationen –und schon hatte er recherchiert, von wo er es sich zuschicken lassen konnte. Doch von einer umfassenden Kommunikation konnte nicht die Rede sein. Für den Großteil der Nutzer war das Internet eine Einbahnstraße: Sie konnten Unmengen von Daten in Sekundenbruchteilen abrufen, nicht mehr und nicht weniger. Nur wenige Institutionen speisten Daten ein, zumeist Wissenschaftszentren und Universitäten, später auch einzelne Unternehmen. Da die Programmierung der Webseiten aufwendig war und nur von Spezialisten durchgeführt werden konnte, wurden ihre Inhalte nur selten aktualisiert. Das Internet war im Grunde statisch.

Heute kann man sich kaum noch an die Zeiten erinnern, in denen das Internet das Laufen lernte. Die sozialen Netzwerke und ihre Möglichkeiten sind heute derart präsent, dass wir vergessen, wie neu sie eigentlich sind. Dabei ging Google erst 1998 online, Wikipedia startete 2001 und Twitter zwitschert grade mal seit März 2006. Praktisch über Nacht hat sich ein völlig neues Medien-Verhalten etabliert. Unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit die neuen Möglichkeiten der Kommunikation aufgesogen wurden! Alle Welt nutzt das Internet, aber kaum jemand ist sich darüber bewusst, was für ein Quantensprung damit verbunden ist. Kannte ein Kaufmann früher zwanzig Kumpels aus dem örtlichen Fußballclub, ist er heute in der Lage, sich über die sozialen Netzwerke mit Millionen potentieller Bekannter auszutauschen.

Manche Sätze werden so oft gebetsmühlenartig wiederholt – von Leuten, die Ahnung haben und von solchen, die sie nur nachplappern –, so dass man sie nicht mehr hören mag und sie auch nicht mehr ernst nimmt. Doch sie werden dadurch nicht falsch: Die Welt ist ein Dorf geworden.

Robert Nabenhauer 2 / 9 Teil 1: Marketing reloaded Tuesday, 31. October 2017 Kapitel 1: Der Aufstieg der sozialen Netzwerkebisschen Hintergrundwissen und ein paar Tastenkombinationen –und schon hatte er recherchiert, von wo er es sich zuschicken lassen konnte. Doch von einer umfassenden Kommunikation konnte nicht die Rede sein. Für den Großteil der Nutzer war das Internet eine Einbahnstraße: Sie konnten Unmengen von Daten in Sekundenbruchteilen abrufen, nicht mehr und nicht weniger. Nur wenige Institutionen speisten Daten ein, zumeist Wissenschaftszentren und Universitäten, später auch einzelne Unternehmen. Da die Programmierung der Webseiten aufwendig war und nur von Spezialisten durchgeführt werden konnte, wurden ihre Inhalte nur selten aktualisiert. Das Internet war im Grunde statisch. Heute kann man sich kaum noch an die Zeiten erinnern, in denen das Internet das Laufen lernte. Die sozialen Netzwerke und ihre Möglichkeiten sind heute derart präsent, dass wir vergessen, wie neu sie eigentlich sind. Dabei ging Google erst 1998 online, Wikipedia startete 2001 und Twitter zwitschert grade mal seit März 2006. Praktisch über Nacht hat sich ein völlig neues Medien-Verhalten etabliert. Unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit die neuen Möglichkeiten der Kommunikation aufgesogen wurden! Alle Welt nutzt das Internet, aber kaum jemand ist sich darüber bewusst, was für ein Quantensprung damit verbunden ist. Kannte ein Kaufmann früher zwanzig Kumpels aus dem örtlichen Fußballclub, ist er heute in der Lage, sich über die sozialen Netzwerke mit Millionen potentieller Bekannter auszutauschen. Manche Sätze werden so oft gebetsmühlenartig wiederholt – von Leuten, die Ahnung haben und von solchen, die sie nur nachplappern –, so dass man sie nicht mehr hören mag und sie auch nicht mehr ernst nimmt. Doch sie werden dadurch nicht falsch: Die Welt ist ein Dorf geworden.

Web 2.0 – eine neue Dimension

Mit 2.0 wird eigentlich eine zweite, komplett überarbeitete Version einer Software bezeichnet. Insofern spielt der Begriff „Web 2.0“, der übrigens erst Ende 2003 Eingang in den allgemeinen Sprachschatz fand, auf die radikal neuen Möglichkeiten des Internets an, die mit der Einführung interaktiver Software entstanden. Das beste daran: Diese Software wirdintuitiv genutzt und ist damit spielerisch leicht zu bedienen. Mit drei Klicks kann jeder seine eigene Webseite im Internet veröffentlichen. Kinderleicht auch, auf dieser Seite ein Internet-Tagebuch, also einen Blog zu führen. Dazu sind keinerlei Programmierkenntnisse nötig. Selbst technisch unbedarfte Menschen können problemlos einen Videofilm oder ein Foto von ihrem Handy ins Netz überspielen und der ganzen Welt bekannt machen.

Auch der Nachrichtendienst Twitter macht jeden zum Reporter und bietet ungefilterte Informationen aus allen Winkeln der Erde. Ein Erdbeben in Haiti? Auf Twitter informierten Haitianer wenige Minuten nach der Katastrophe über die Folgen. Ein Versprecher des amerikanischen Präsidenten? Auf Twitter wird berichtet und die ganze Welt lacht. Das Web 2.0 führt zudem Wissen zusammen. User aus aller Welt arbeiten am Online-Lexikon Wikipedia, das die Enzyklopädien in Buchform zu einem Schattendasein verdammt hat. Die unüberschaubare Anzahl an Foren, die es zu jedem erdenklichen Spezialthema gibt, ergänzt diese Informationsquelle.

Ein weiteres typisches Element des neuen Internet sind die Plattformen. Sie bieten Raum für den allgemeinen Austausch von Meinungen und Erfahrungen. Und damit die Gelegenheit, sich kennenzulernen. Die Mitglieder von Facebook, XING, StudiVZ und anderen Netzwerken betreiben Kommunikation pur! Das Web 2.0 ist das Mitmach-Netz. Es bietet ein riesiges Feld, um sich auszudrücken, sich zu präsentieren, mit anderen Menschen auszutauschen oder einfach nur zu spielen. Es stellt also genau das zur Verfügung, was der Mensch braucht.

Geschäftschancen im Mitmach-Netz

Fast alle sozialen Netzwerke können als Geschäftsbasis genutzt werden. Facebook wurde nicht gegründet, um berufliche Kontakte herzustellen, doch es wird inzwischen auch dazu genutzt – direkt und indirekt. Auch wenn es keinen direkten beruflichen Nutzen hat, in einem Forum für Hobby-Häklerinnen aktiv zu sein, können doch auch die dort entstandenen Kontakte irgendwann geschäftlich von Vorteil sein. Um mit potenziellen Geschäftspartnern ins Gespräch zu kommen, bietet sich das 2003 als openBC (open Business Club) gegründete und 2006 umbenannte berufliche XING-Netzwerk an. Mit mehr als zehn Millionen Mitgliedern weitweit (September 2010) ist diese Plattform inzwischen so groß geworden, dass es geradezu ein „Muss“ ist, Mitglied zu sein.

In einem solchen Netzwerk suchen die Mitglieder keine unverbindlichen Bekanntschaften, sondern sie sind explizit an Geschäften oder an ihremberuflichen Fortkommen interessiert. Es werden keine Geschäfte abgeschlossen, aber sie werden angebahnt – denn für diesen Zweck ist XING geradezu ideal. Doch aufgepasst! Es gelten strenge Regeln: Verkäufer, die die Plattform direkt als Handelsbasis nutzen wollen, werden unweigerlich ausgeschlossen. Dennoch bieten diese Plattformen auch und gerade Verkäufern ideale Möglichkeiten, wenn sie nur richtig genutzt werden. Denn Kontakte sind das A und O für Geschäfte jedr Art. Ohne Kontakte kein Verkauf. Die sozialen Netzwerke bieten gerade dies: Kontakte ohne Ende. Denn die Anzahl der erreichbaren Menschen ist enorm hoch und wächst mit jedem Tag.

Anders als in der realen Welt lassen sich im virtuellen Raum viel schneller Bekanntschaften schließen. Wenn sich zwei Menschen zufällig auf der Straße begegnen, laufen sie aneinander vorbei, ohne Kontakt miteinander aufzunehmen. Denn sie kennen sich nicht und eine spontane Ansprache wäre unhöflich, würde vermutlich falsch verstanden und zurück gewiesen werden. Anders im Netz: Hier können sich zwei Personen unverbindlich kennenlernen. Sie studieren zunächst das Profil des anderen und erfahren so, ob und welche Gemeinsamkeiten bestehen. Sie können Anknüpfungspunkte suchen und nutzen.

Im realen Leben müssen sich zwei Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Platz einfinden, um miteinander Kontakt aufzunehmen. Und wenn sie miteinander telefonieren, braucht es immer noch die Gleichzeitigkeit. Im Netz sind dagegen Raum und Zeit sind nicht mehr maßgeblich: Heute wird eine Anfrage eingestellt, der Adressat antwortet morgen oder wenn er aus dem Urlaub wieder zurück ist. So entsteht eine Kommunikation ohne umständliche Verabredungen.

Die Phase des gegenseitigen „Beschnupperns“ entfällt oder wird kürzer. So hat sich im Netz eine neue Etikette der Kontaktanbahnung etabliert. Die Kommunikation wird direkter und ehrlicher. Die Nutzer kommen schneller auf den Punkt. Sie posten ihre Anliegen ins Profil oder stellen konkrete Anfragen ins Netz. „Ich sehe, Sie suchen dies – ich biete Ihnen das.“ Die Kommunikation reduziert sich auf die Inhalte.

Kontakte im Internet sind schnell hergestellt. Dies bedeutet auf der anderen Seite aber auch eine gewisse Unverbindlichkeit. Wer hundert Internetbekanntschaften zu einem realen Treffen einlädt, darf sich nicht wundern, wenn nicht ein einziger kommt. Wer im Internet erfolgreich Kontakte schließen und diese auch nutzen will, wird mit der Zeit seine Erfahrungen sammeln und bald herausbekommen, was geht und was nicht. All diese Veränderungen bringen neue Möglichkeiten für die geschäftliche Kontaktaufnahme und Kundenwerbung. Die sozialen Netzwerke bieten einen Ersatz für unpersönliche Mailings. In Form personalisierter Mailings, die die Anliegen klar kommunizieren, können die Empfänger zielgerichtet und persönlich angesprochen werden. Denn der Sender weiß vieles über den Empfänger – ein Blick in dessen Profil genügt. Wer einem Banker eine Druckmaschine zum Kauf anbietet, macht sich lächerlich – er hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Und noch einen weiteren Vorteil bietet die Kontaktaufnahme per Internet:In den sozialen Netzwerke werden automatisch alle Daten über die Kontaktaufnahme archiviert. Dies ist nützlich, etwa um zu erfahren, wann in der Vergangenheit bereits Mailings an den potenziellen Kunden versandt wurden. Diese Informationen sind jederzeit abrufbar – eine ideale Grundlage, um die Historie von Geschäften zu beobachten und daraus zu lernen.

Freiwillig oder gar nicht

Warum eine erfolgreiche Kommunikation die Einwilligung des Adressaten voraussetzt

Spam bedeutet nichts anderes als minderwertiges Dosenfleisch. Dieses Fleisch war in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs von der Rationierung der Lebensmittel ausgenommen und daher weit verbreitet. 1970 schrieben die Komiker von Monty Python einen Sketch rund um Spam. Eine Imbissbude bietet ausschließlich Gerichte mit Spam an: Spiegelei mit Spam, Würstchen mit Spam, Spam mit Spam …
Heute hat sich das Wort Spam eingebürgert als Bezeichnung für ungeliebte Mails, die genauso viel Widerwillen erregen wie das Dosenfleisch. Selbst in der Not möchte man nicht mehr darauf zurück greifen. Spam als Synonym für ungeliebte Massenmails zeigt, dass diese unwirksam sind. Spam funktioniert nicht, denn die Botschaft der Spam-Mails wird ignoriert. Die alten Methoden der Drückerkolonnen lassen sich nicht mehr durchsetzen, weder an der Haustür – noch im Internet.
Spam ist im Grunde nichts Neues. Lange vor der Erfindung des Internets quollen Spam-Nachrichten aus dem Faxgerät, bevorzugt nachts zu Zeiten niedriger Telefontarife. Die ungeliebten Spam-Faxe waren ein Ärgernis, denn sie verbrauchten Papier und Toner. Heute klickt man Spam-Nachrichten einfach weg oder lässt sie automatisch ausfiltern – ein vergleichsweise einfacher Weg, nicht behelligt zu werden.
Auch die Briefe mit der Anschrift “an alle Haushalte” sind nichts anderes als Spam. Heute nimmt Spam im Internet nur deshalb neue Dimensionen an, weil der Versand nichts kostet. Prospekte zu versenden ist hingegen teuer und lohnt sich nur noch für Einzelhandelsgeschäfte, die mit ihren Angeboten werben und auch die nicht-internetaffinen Verbraucher erreichen möchten.
Spam funktioniert also nicht mehr in Zeiten des Mitmachnetzes. Es geht nicht darum, Werbebotschaften im Akkord heraus zu schicken, sondern Kontakte auszubauen und zu kommunizieren. Es geht um Interaktion und Beziehungen, nicht um einseitige Informationskampagnen.

Newsletter, Mittel der Wahl

Den Newsletter halte ich heute für das Mittel der Wahl, um Informationen einem großen, aber ausgewählten Empfängerkreis bekannt zu machen. Die Kunst ist es, zu erreichen, dass meine Newsletter oder Mails gelesen werden. Dazu gibt es eine einfache Möglichkeit: Ich hole offiziell die Erlaubnis des potentiellen Empfängers ein. Wer aktiv einen Newsletter bestellt, wird diesen höchstwahrscheinlich auch lesen. Denn die Inhalte interessieren ihn, sonst hätte er ihn nicht angefordert.
Dies ist nicht nur ein Marketing-Trick, sondern im übrigen auch eine Vorgabe des Gesetzes. Man spricht vom Opt in-Prinzip oder von Permission Marketing. Es bedeutet: Der Empfänger stimmt ausdrücklich zu, dass er eine Werbebotschaft erhalten will. Typischerweise gilt dies für den Versand von Newslettern: Früher wurden sie wahllos an alle erreichbaren Adressen verschickt. Seit 2004 ist im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelt, dass das nicht zulässig ist. Vielmehr muss der Empfänger ausdrücklich zustimmen, dass er den Newsletter erhalten möchte.
Zuvor wurden die Verbraucher mit einer Flut von Newslettern überschwemmt. Die allerersten, die im Netz versandt wurden, hatten noch große Erfolge. Dann sprangen sämtliche Unternehmen auf den fahrenden Zug auf, sie

wollten nachholen, was sie zuvor versäumt hatten, und erreichten das Gegenteil: Ein gnadenloses Überangebot, das etwa 2009 kulminierte. Um ihre Verspätung aufzuholen, gingen die Sender besonders aufdringlich vor. Die Öffnungsrate wurde schlechter, das heißt die Newsletter wurden ungeöffnet gelöscht, es hagelte Beschwerde-Mails und Abmeldungen. Daraus haben viele nun gelernt, auch ich.
Die Gesetzesvorschrift ist also durchaus keine schlechte Nachricht für den Absender und Autor des Newsletters: Denn ein Newsletter, der bewusst bezogen wird, wird aufmerksamer gelesen. Er profitiert von der gesteigerten Akzeptanz und Wirkung. Daher wäre es sogar empfehlenswert, auf die Opt-in-Lösung zu setzen, selbst wenn diese nicht gesetzlich vorgeschieben wäre.
Dennoch: Den Vertriebsprofi stellen die neuen Regeln vor neue Herausforderungen. Auf den ersten Blick erscheint die Hürde hoch, für jede Werbebotschaft die Zustimmung des Adressaten einholen zu müssen. Genauer betrachtet, ist sie es nicht: Denn schon das Angebot eines Goodies ködert den Adressaten.

Den Empfänger ködern

Ein Beispiel: Auf XING bietet jemand ein eBook zum kostenlosen Download an und zwar aufgeteilt in einzelne Kapitel. Jede Woche erscheint ein neues Kapitel. Mit jeder Veröffentlichung wird auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Newsletter zu beziehen. Die meisten Interessenten, die das Buch herunterladen, entscheiden sich im Lauf der Wochen auch für den Newsletter.
Wer die Mailadresse eines potentiellen Kunden erhält, kann zu Recht davon ausgehen, dass dieser an Informationen interessiert ist. Der Newsletter kann an diesen potentiellen Kunden verschickt werden.
Denn wir sind nicht die einzigen, die Informationen an die Adressaten bringen möchten. Viele Menschen sind bemüht, auf sich und ihre Produkte ausmerksam zu machen. Voraussetzung für einen Newsletter, der kein Spam werden soll, ist daher ein erfolgreiches Personal Relation Marketing im Vorfeld – der potentielle Kunde sollte den Absender des Newsletters kennen und ihm vertrauen. Wenn der erste Schritt gemacht und eine persönliche Beziehung aufgebaut wurde, sind die Schleusen für meine Newsletter und auch für weiteren Botschaften geöffnet. Wenn der erste Schritt übergangen wurde, würde ich mit meinem Newsletter mit der Tür ins Haus fallen und eine Ablehnung riskieren. Daher ist es unumgänglich, zunächst eine Beziehung aufzubauen und dann um die Einwilligung zum Erhalt des Newsletters zu bitten.
Es ist gar nicht so schwer, die Einwilligung zu einem Newsletterversand zu erreichen, sofern das Profil des Empfängers aufmerksam studiert wurde. Dort erfahre ich meist alles, was ich wissen muss.

Die Zielpersonen kennenlernen

Wer seine Hausaufgaben erledigt und sich über die Bedürfnisse und Vorlieben seiner Adressaten schlau gemacht hat, kann eine anfängliche Ablehnung des potentiellen Empfängers argumentativ überwinden. Statt sich abblocken zu lassen, verweist der Absender auf die Inhalte des Newsletters – er weiß, dass diese den Empfänger interessieren, da er dessen Profil kennt. Aus einem klaren „Nein“ zum Newsletter wird so ein „vielleicht“ und nach Kenntnis der Inhalte ein „ja, will ich haben“.
Auch dieses Vorgehen zählt jedoch zum Graubereich des Marketing. Am saubersten ist die Opt-in-Lösung. Eine Zustimmung des Empfängers sollte vorliegen, bevor Informationen versandt werden. Wenn sich alle an diese Regel halten, bleibt die Aufmerksamkeit für Mails bestehen.

Wenn nicht, werden Mails allzu schnell als Spam eingeordnet und automatisch von Filtern in den Junk-Ordner verschoben. Doch ein Angebot, dessen Qualität bekannt ist und das bewusst per Opt-in angefordert wurde, landet nicht im Spam.
Spam wird sowohl in der realen Welt wie im Internet immer rüder abgewiesen. Der Verbraucher ist mündig und aufgeklärt und lehnt es ab, mit Spam überschüttet zu werden.
Auch wer einen Newsletter an Empfänger versendet, die diesen angefordert haben, muss damit rechnen, dass Abmeldungen oder Beschwerden als Antwort zurückkommen. Es ist schwierig, den Erfolg eines Newsletterversands richtig einzuschätzen. Als Faustregel gilt: Wenn etwa genauso viele Empfänger positiv wie negativ reagieren, zeigt dies eine gute Akzeptanz des Angebots. Diese Akzeptanz lässt sich zudem gezielt erhöhen.

Informationen von Experten gelten etwas

Informationen, die von Experten kommen, sind glaubhafter als die Informationen Unbekannter. Ein sicherer Weg, sich als Experte bekannt zu machen, ist das Engagement als Moderator auf der Plattform XING. Jede XING-Gruppe hat einen oder mehrere Moderatoren. Die Moderatoren sind allen Mitgliedern der Gruppe bekannt, denn sie laden in die Gruppe ein, sie moderieren die Diskussionen im Forum und versenden die Newsletter.
Auf der Plattform XING ist es möglich, Newsletter ohne die ausdrückliche Zustimmung des Empfängers zu versenden. Dies ist ein Graubereich des bestehenden Rechts: Zwar dürfen Mailings nicht ungefragt an Mailadressen geschickt werden, Mitglieder einer XING-Gruppe bekommen jedoch automatisch den Newsletter der Gruppe zugesandt. Wer sich bei XING als Mitglied einer bestimmten Gruppe anmeldet, hat damit bereits sein Interesse an dem Thema signalisiert. Er weiß also, was er tut.
Der Moderator kann potentielle Interessenten auch aktiv in seine Gruppe einladen. Er ist engagierter und agiert auf einer höheren Ebene als ein einfaches Gruppenmitglied. Auch das signalisiert Kompetenz. So etabliert sich der Moderator als Experte.
Wenn nun der Moderator in seiner Expertenrolle einem Mitglied seiner XING-Gruppe ein Angebot unterbreitet, ist die Reaktion meist positiv: „Freut mich, dass Du an mich gedacht hast.“ Die Information oder das Angebot haben ihren werblichen Charakter verloren. Anders als Werbung nach dem Gießkannenprinzip wird ein solches Angebot häufig dankbar angenommen.
Der XING-Moderator kann einen positiven Kreislauf in Gang setzen, um seinen Expertenstatus weiter zu verbessern. Ich habe zum Beispiel auf meine Webseite ein Verpackungslexikon gestellt. Dann habe ich Menschen aus der Branche eingeladen, am weiteren Ausbau des Lexikons mitzuarbeiten: „Wollt Ihr nicht mitwirken?“ Dieses Angebot wurde gerne akzeptiert, viele fühlen sich einbezogen.
Damit signalisiere ich Offenheit und Transparenz. Und das Verpackungslexikon wurde immer umfangreicher und interessanter. Auch in der Presse wurde die Idee aufgegriffen und darüber berichtet. Ich habe im Netzwerk widerum auf die Presseberichte hingewiesen. So begann ein sich verstärkener Kreislauf und ich war im Gespräch. Als Herausgeber des Verpackungslexikons habe ich Bekanntheit erlangt und meinen Expertenstatus gefestigt.
Wie auch der Erfolg des Online-Lexikon Wikipedia zeigt, möchten sich viele Menschen an den Datenbanken beteiligen und ihr Wissen einbringen. Sie geben ihr Know-How gerne weiter. Hinter den Online-Lexika steckt eine ungeheure Menge Arbeit, die nur durch die Beteiligung Vieler zu schaffen ist.

Grundsätzlich gilt auch in diesem Fall: Werbung, Akquise und Kundenpflege darf nicht als Störung wahrgenommen werden, sondern sie muss als Bereicherung gesehen werden.

Der Kunde und das Mitmach-Netz

Die Zeiten, in denen Kunden ergeben Werbeinformationen lauschten, sind also definitiv vorbei. Wir leben in einem interaktiven Zeitalter. Viele glauben, dass Interaktivität nur im Internet möglich ist. Doch das ist falsch. Auch klassische Werbung kann interaktiv sein, wie Coupon-Aktionen und Gewinnspiele zeigen, die ebenfalls einen aktiven Einsatz des Kunden verlangen.
Sicherlich ist das Internet als Mitmach-Netz ganz besonders gut geeignet, um mit Kunden zu kommunizieren. Alle Maßnahmen, um Kunden zu werben und zu halten, sollten interaktiv sein.
Interaktivität macht Spaß, da der Kunde auf die Angebote reagieren kann. Dies zeigt auch das Angebot, sich am Aufbau des Verpackungslexikons zu beteiligen. Selbst wenn jemand nicht auf das Angebot eingeht, hat er das Gefühl, eingeladen zu sein und sich beteiligen zu können. Damit fühlt sich der Ansprechpartner geehrt, denn ihm wird offensichtlich das nötige Wissen zugetraut. Dass es sich um eine Werbemaßnahme handelt, mit der die Bekanntheit meiner Webseite gesteigert wird, steht nicht im Vordergrund. Das Angebot des Verpackungslexikon aufzubauen und zu nutzen wird nicht als Werbung empfunden ist damit keine Störung.
Wenn Personal Relations genutzt wurden, um die geeigneten Ansprechpartner zu finden, dann können Anbieter und Kunden gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft durchstarten. Denn wenn der Anbieter seine Hausaufgaben gemacht hat und die richtigen Ansprechpartner ausgesucht hat, besteht bei diesen ein aktives Interesse an seinem Angebot. Die aktive Bestätigung “ja, ich habe Interesse” macht dem potentiellen Kunden bewusst, dass es in seinem Interesse liegt, diesen Kontakt zuzulassen und diese Informationen zu beziehen.
Die erfolgreiche Kommunikation setzt also die Einwilligung des Empfängers voraus.
Das Internet nutzt jedoch nicht nur dem Anbieter, sondern auch dem Kunden. Dieser informiert sich im Internet genauso wie in den klassichen Medien. Webseiten, Foren und Blogs bieten eine Fülle von Informationen. Im Gegensatz zu den Informationen der Presse sind die Meldungen im Internet ungefiltert und häufig subjektiv gefärbt. Das bietet Chancen – genauso wie es Gefahren birgt.
Doch eins ist klar: Klassische Werbung allein ist mehr und mehr ein Fall für den Papierkorb. Wer seine potentiellen Kunden zielgerichtet erreichen will, kommt ums Internet nicht mehr herum.

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