Aktiv oder passiv, aber immer persönlich

Warum Kommunikation persönlich sein sollte

Auf meiner Homepage stelle ich kostenlos ein Verpackungslexikon zur Verfügung. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung waren unterschiedlich: Manche Leser waren begeistert, andere kritisierten die Inhalte und wieder andere reagierten überhaupt nicht. So weit, so normal. Aber es blieb nicht bei diesen Reaktionen. Die Zugriffszahlen schossen in die Höhe und es entstand ein reger Traffic auf meiner Homepage. Die Besucher hatten keine Berührungsängste, denn allen war klar, dass es hier nicht ums Verkaufen geht.
Mit dem Lexikon habe ich Informationen angeboten. Um diese aber aufzusuchen, sind die Adressaten aber selbst aktiv geworden. Deshalb ist das Lexikon ein Element passiver Kommunikation, ebenso wie Internetseiten oder Blogs. Die passive Kommunikation erleichtert es dem Adressaten, mit dem Sender in Kontakt zu treten. Ein Unternehmen wird also besser gefunden, wenn es Content anbietet, als wenn es unsichtbar bleibt. Und wenn dieser angbotene Content für den Kunden auch noch attraktiv ist, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Anbieter nicht nur gefunden, sondern auch weiterempfohlen wird. So auch in meinem Fall.
Das Verpackungslexikon hat meine Bekanntheit sehr gesteigert. Wenig später habe ich bei XING eine Diskussionsgruppe für Verpackungsfolien gegründet und deren Moderation übernommen, wodurch ich mich in den einschlägigen Kreisen als Experte positionierte. Noch weiter verstärkt hat sich dieser Effekt, als ich dann eine Print-Ausgabe des Verpackungslexikons herausgegeben habe. Diese habe ich verteilt mit dem Anschreiben „Auf vielfache Nachfrage ist das Verpackungslexikon jetzt als Print-Ausgabe erhältlich.“ Und obwohl der Band genau die gleichen Inhalte versammelte wie die Homepage, habe ich damit meinen Expertenstatus noch weiter gefestigt.
Der dritte Baustein nach dem Lexikon und der XING-Gruppe war das Verpackungsverzeichnis. Dafür habe ich online die wichtigsten Adressen der Verpackungsbranche versammelt, einschließlich derer meiner Mitbewerber. Dadurch signalisierte ich ganz klar, dass ich mir das leisten konnte. Ich vermittelte den Eindruck, meine Position sei derart gefestigt, dass ich keine Angst vor dem Wettbewerb zu haben brauchte.
Der Vorteil der passiven Kommunikation: Wenn man es schlau anstellt, ist es ein sich selbst verstärkendes System. Nachdem ich diese Elemente aufgebaut hatte, konnte ich mit den Bausteinen spielen. Ich habe alle Seiten untereinander verlinkt. So steht etwa im Lexikon: „Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen wollen, besuchen Sie unsere XING-Diskussionsgruppe.“ Und in der Gruppe konnte ich wiederum auf das Lexikon verweisen.
Wenn jemand grundsätzlich an meinen Inhalten interessiert ist, dann wird er für jeden neuen Querverweis dankbar sein. Der Trick dabei ist, die User auch auf Rand-Bereiche aufmerksam zu machen. Verlinke ich dabei meine Seite nicht nur mit eigenen, sondern auch mit externen, aus Kundensicht „unabhängigen“, Portalen, dann hat der Kunde, wenn er sich im Netz durchklickt, noch stärker das Gefühl, genau das zu finden, was er gesucht hat. Das gilt auch für den Fall, dass die externen Portale ebenfalls mir gehören.
Um auf meine eigene Geschichte zurückzukommen: Nachdem ich dieses System der gegenseitigen Verweise aufgebaut hatte, brauchte ich nur noch ein Schwungrad, um dieses anzutreiben. Dazu dienen Blogs, Newsletter oder die Suchmaschinenoptimierung. Ich wies also potentielle Kunden auf die Elemente meiner passiven Kommunikationsstrategie hin und lud sie ein, sich an den Diskussionen zu beteiligen.
Es gibt Anbieter im Internet, die vergleichbare Systeme zu Verkaufszwecken nutzen. Zunächst versenden sie ein paar Häppchen kostenlose Informationen. Nach einer Woche erhalten die Empfänger den Hinweis auf ein E-Book mit weiterführenden Informationen, das für einen symbolischen Preis erhältlich ist. Die Hemmschwelle, zuzugreifen, ist also sehr gering. Dann folgt eine Mail mit dem Hinweis auf ein etwas teureres Produkt. Und wer dieses erwirbt, erhält ein Angebot für einen kostenpflichtigen, wöchentlichen Abodienst. In diesem Abodienst werden auch die übrigen Produkte sowie Seminare und Coachings des Absenders beworben.
Ein solches System nennt sich Cross Selling. In diesem Fall wird es kommerziell eingesetzt. Ich hingegen habe auf diese Weise meine Reputation gestärkt. Und es funktioniert sensationell. Denn auch wenn Cross Selling an und für sich nichts bahnbrechend Neues ist: Wer sich mit PreSales Marketing bereits vor dem Verkauf darauf vorbereitet, hat beim Verkauf selbst definitiv die besseren Karten.

Das Schwungrad antreiben

Wenn das Netz aus passiven Angeboten steht, kann man aktiv auf den Kunden zugehen und ihn in das System einbinden. Doch jede Kontaktaufnahme benötigt einen Anlass. „Ich will verkaufen“ ist kein besonders gelungener Aufhänger. Viel besser kommt es beim Kunden an, wenn er eine Mail bekommt mit dem Hinweis „Viele unserer Kunden sind in der XING-Gruppe Verpackungsfolien aktiv. Möchten Sie nicht auch mitmachen?“
Ziel einer solchen aktiven Kommunikation ist der kontinuierliche Kontakt zum Kunden, um eine Beziehung aufzubauen. Dem Empfänger fällt nicht auf, dass er regelmäßig angesprochen wird. Wenn die Mails aber aus irgendeinem Grund ausbleiben, wird er dies sofort bemerken. Das ist vergleichbar mit einem Zeitschriftabo, das man aus irgendeinem Grund einmal gekündigt hat. Nach einer Weile vermisst man in der Regel die Zeitschrift. Ich würde mir als Leser wünschen, dass fünf oder sechs Monate nach einer Kündigung ein Schreiben kommt mit der Nachfrage, ob ich nicht wieder abonnieren möchte. Dem Schreiben sollte ein kostenloses Probeheft beiliegen – ganz im Sinne des Gebens, nicht Nehmens.
Doch diese aktive Beziehungspflege praktizieren nur wenige Zeitschriften. Allenfalls kommt das Angebot für ein Schnupperabo. Dann fürchte ich, wieder in ein Abo reinzustolpern, ohne es wirklich zu wollen. Ein kostenloses Probeheft hingegen würde mich anregen, zu überdenken, ob ich die Zeitschrift nicht doch wieder beziehen möchte.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist in meinen Augen die Unterteilung in Alt- und Neukunden. Wenn ich in mein Stammlokal gehe, bin ich Kunde. Wenn ich es nach dem Essen verlasse, bin ich dann nicht mehr Kunde des Lokals? Niemand würde sagen: „Ärgerlich, diesen Kunden habe ich jetzt verloren!“ Ich bin kein Ex-Kunde, sondern allenfalls ein derzeit nicht kaufender Kunde. Dass eine Pause eintritt, nachdem ein Geschäft abgeschlossen wurde, ist völlig normal. Aber durch die Einteilung in Alt- und Neukunden behandelt man den Kunden so, als wäre er ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Kunde mehr. Mit verheerenden Folgen für die Unternehmen.
Um auf das Beispiel mit der Zeitschrift zurückzukommen: Es gab einen Grund, warum ich das Abo gekündigt hatte. Vielleicht hatte ich keine Zeit zu lesen und die Zeitschriften stapelten sich. Oder die Artikel eines bestimmten Redakteurs ärgerten mich. Oder ich hatte gerade kein Geld oder die Zulieferung funktionierte nicht. Die Gründe für eine Kündigung können vielfältig sein, und manchmal sind sie gar nicht der Rede wert.
Werden die Menschen gefragt, warum sie die Zeitschrift abbestellt haben, antworten die meisten nicht, weil es zu aufwendig ist. Würde aber ein Kontakt bestehen bleiben, wäre es viel leichter, den Kunden zurückzugewinnen. Wenn mir die Zeitschrift beispielsweise jeden Monat einen Newsletter senden würde, der Auszüge aus dem aktuellen Heft enthält, würde ich mich eventuell nach einiger Zeit wieder für ein Abo entscheiden. Die Zeitschrift würde mit minimalem Aufwand einen immensen Gewinn einfahren. Sie müsste nur den vorliegenden Inhalt nochmal verwerten, und schon hätte sie einige Abonnenten mehr.
Diese Beispiele zeigen: Ob ein Unternehmen aktiv oder passiv kommuniziert, ist nicht entscheidend. Wichtig für den Erfolg ist allein der kontinuierlicher Kontakt.

Originalität wird überschätzt

Unternehmen betrachten Kommunikation als aufwendige Angelegenheit. Das liegt daran, dass sie großen Wert auf originelle Inhalte legen. Wer Informationen anbietet, glaubt häufig, er müsse das Rad neu erfinden. Dabei ist Originalität in der Kommunikation gar nicht notwendig.
Täglich sehen wir Nachrichten im Fernsehen, lesen über die gleichen Ereignisse in der Zeitung und hören noch mal davon im Radio. Das stört uns nicht. Selbst wenn ein Kollege von diesem Ereignis noch mal berichtet, ist uns das willkommen, wenn uns das Thema interessiert. Völlig egal ist dabei, wer die Nachricht zuerst recherchiert hat.
Auch bei der Kommunikation in der Wirtschaft kommt es nicht darauf an, wer eine Information als erster verbreitet hat, sondern darauf, ob die Inhalte für den Empfänger relevant sind. Für Menschen, die sich in einem bestimmten Themenbereich kaum auskennen, ist im Grunde jede Information neu und originell.
Die Inhalte des Verpackungslexikons habe ich zum Beispiel nicht selbst erfunden, sondern an anderer Stelle gelesen und neu zusammengefasst. Trotzdem wurde er mir förmlich aus den Händen gerissen. Dieser Erfolg hat mit der Quelle der Informationen, mit ihrer Originalität oder mit ihrem Neuheitswert nichts gemein.
Auch einen Newsletter kann man zum Beispiel in Kooperation mit anderen Unternehmen der Branche herausgeben. Mehrere Nutzer können also die gleichen Inhalte an ihre Kunden versenden, ergänzt lediglich durch einige individuelle Nachrichten. Wenn der Inhalt den Empfänger interessiert, ist es egal, ob er auch noch an andere Kundenkreise geht – er bekommt dies ja gar nicht mit.

Persönliche und unpersönliche Kommunikation

Es gibt immer noch Unternehmer, die sich dagegen sträuben, das Verfassen eines Newsletters zu delegieren. Wer aber meint, diesen in mühseliger Nachtarbeit selbst schreiben zu müssen, hat das Prinzip verkannt, dass die persönliche Kommunikation vom Empfänger und nicht vom Absender definiert wird. Daber geht heutzutage niemand davon aus, dass ein Geschäftsführer eines Konzerns einen Newsletter selbst schreibt.
Kommunikation muss keine persönliche Ansprache enthalten, um zu wirken. Deshalb muss ein Unternehmer auch nicht alle Kunden persönlich kontaktieren. Würde er es versuchen, könnte er nie sonderlich erfolgreich werden. Denn der Tag hat auch für ihn nur 24 Stunden, und mehr als zehn Kunden kann er selbst nicht intensiv betreuen. Delegiert er aber die persönliche Ansprache, kann er 10.000 Kunden und mehr erreichen. Wenn die Kunden sich für die Inhalte interessieren, werden sie die Kommunikation niemals als unpersönlich empfinden.
Spam wird deshalb als unpersönlich wahrgenommen, weil die Inhalte den Empfänger nicht interessieren. Sobald die Themen einer Mail für den Empfänger relevant sind, empfindet er die Kommunikation als persönlich. Wenn ich ein Wirtschaftsmagazin kündige und nach einiger Zeit Werbe-Mails für dieses Magazin erhalte, stört mich das nicht, weil mich die Inhalte im Prinzip interessieren. Bei den meisten Kunden besteht nach einer Kündigung noch latentes Interesse an dem Produkt oder der Dienstleistung. Darin steckt großes Potential für neue Umsätze.
Den Satz „Ich habe ein persönliches Angebot für Sie“ können sich Unternehmen allerdings sparen. Alle Angebote sollten ja auf den Empfänger zugeschnitten sein. Und er ist derjenige, der entscheidet, ob er diese als persönlich empfindet oder nicht.
Wer in seinen Mailings generell interessante Inhalte verbreitet, kann sich sogar einige Fehlgriffe leisten. Wenn ich einen Newsletter abonniert habe und das Thema dieser Woche – sagen wir „Hartz IV“ – mich nicht persönlich angeht, lese ich diese Ausgabe einfach nicht. In der folgenden Woche dreht sich der Newsletter vielleicht um Steuerfragen. Da mich diese interessieren, öffne und lese ich die Mail. Diesen Newsletter werde ich nicht abbestellen, weil der Absender nicht mit jeder Ausgabe einen Treffer landet. Solange die Mehrheit der Beiträge interessieren, bleibt der Kanal offen, da die Glaubwürdigkeit des Absenders hoch ist. Deshalb kann ein Unternehmen auch Zehntausende – persönlich – ansprechen.

„Höchstpersönliche“ Kommunikation gibt es nicht

Eine Kommunikation, die die Interessen des Empfängers trifft, ist immer persönlich. Dafür muss der Unternehmenschef nicht selbst den Kundenkontakt halten. Denn „persönlich“ lässt sich nicht zu „höchstpersönlich“ steigern. Wenn ein Unternehmen so aufgebaut ist, dass jeder bis hin zum untersten Sachbearbeiter seine Sache gut macht, braucht der Geschäftsführer so gut wie nie selbst zu agieren. Wenn er es dennoch tut, nimmt er sich selbst zu wichtig.
Präsident Obama trifft auch nicht alle Entscheidungen selbst, sondern schickt seine Außenministerin oder die Botschafter zu Verhandlungen. Wenn er selbst kommt, dann hat das eine besondere politische Bedeutung. So ist es auch in der Wirtschaftswelt. Wenn der Geschäftsführer auftritt, handelt es sich um ein Politikum. Man kann nicht alles zur Chefsache machen, sonst würden die Kunden immer nur mit dem Chef verhandeln wollen.
Ich selbst schalte mich in das operative Geschäft meines Unternehmens nur selten ein und benutze meine Intervention als Joker. Ich schalte mich also erst ein, wenn ein Verkäufer zum Beispiel mit einem Kunden nicht klarkommt. Dann rufe ich den Kunden an und nehme eine scheinbar neutrale Ebene ein: „Wo liegt denn das Problem? Darf ich vermitteln?“ Ich betone sogar: „Sie kennen mich ja. Können Sie mir das Problem noch einmal schildern?“. So spiele ich die Rolle eines Mediators zwischen den Kunden und meinem Verkäufer, obwohl ich objektiv natürlich auf der Seite meines Verkäufers bin. Meistens wiederholt der Kunde dann, was mir der Verkäufer schon erzählt hat. Dann hake ich nach: „Das weiß ich schon, aber wo liegt denn nun wirklich das Problem?“ Häufig kommt der Kunde dann auf den Punkt, an dem die Kommunikation nicht funktioniert hat. Und einmal angesprochen, lässt er sich locker beseitigen.
Ich kläre dann die Angelegenheit, steuere aber die Kommunikation zurück zum Verkäufer: „Nachdem wir das Missverständnis ausgeräumt haben, lassen Sie mich bitte wieder mit dem Verkäufer verbinden, um die Einzelheiten zu klären.“ Damit betone ich meine Rolle als neutraler Vermittler, der sich nicht in die einzelnen Verhandlungen einmischt. Denn als Chef kann ich meine Souveränität nur erhalten, wenn ich nicht jedes Mal dem Sachbearbeiter hinterhertelefoniere. Sonst wäre ich bald der Ober-Sachbearbeiter, statt meinen eigenen Job zu machen.
Chefs dürfen sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. Eine aktive und persönliche Kommunikation ist ausreichend – und garantiert auch Erfolg im Geschäftsleben.

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