Ich bin wichtig – Du bist wichtig

Warum Wertschätzung Geschäftsbeziehungen verbessert

Häufig lade ich Menschen in meine XING-Gruppe ein und bekomme daraufhin die Nachfrage: „Wieso sprechen Sie gerade mich an?“ Beim ersten Mal hat mich diese Reaktion noch überrascht. Inzwischen weiß ich: Dahinter steckt lediglich der unbewusste Wunsch, die eigene Wichtigkeit bescheinigt zu bekommen. Seitdem mir das klar ist, antworte ich immer: „Sie sind mir wichtig, weil …“
Aus vielen Kontakten, die ich auf diese Weise angebahnt habe, sind später enge Geschäftsbeziehungen geworden. Das hat mir gezeigt: Eine der elementarsten Grundregeln für den Umgang mit Kunden ist Wertschätzung. Jeder sollte im Geschäftsleben aktiv Signale aussenden, um dem Gegenüber seine Wertschätzung zu vermitteln.
In einem Restaurant kann ich der Bedienung sagen: „Vielen Dank, wir haben uns bei Ihnen wohl gefühlt.“ Das ist eine kleine Geste, die ehrlich gemeint ist, gut ankommt und nicht viel kostet. Völlig übertrieben wäre aber die Rückmeldung: „Noch nie habe ich erlebt, so perfekt bedient zu werden wie bei Ihnen, und ich bin schon viel rumgekommen.“ Übertriebenes Lob wirkt wenig glaubhaft und wird daher meist als unangenehm empfunden.
In der Wirtschaftswelt kommt aber gerade ein solches Verhalten häufig vor. Viele tun so, als sei der Kunde der Wichtigste auf der Welt – und vergessen dabei, wie wichtig der Selbstwert ist für eine faire, ausgeglichene Geschäftsbeziehung. So auch das Unternehmen, von dem ich folgende Mail bekam: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie als Kunde sind uns wichtig. Wir werden uns umgehend bei Ihnen melden. Sie können sich stets auf uns verlassen.“ Gut, der Kunde mag König sein. Aber viel Honig wollen nicht einmal Könige um den Bart geschmiert bekommen. Bei mir jedenfalls ist sofort der Eindruck entstanden: Dieser Verkäufer macht sich selber klein. Ganz davon abgesehen, dass die eigentlich nützliche Aussage – nämlich der Zeitpunkt, an dem ich mit einer Antwort rechnen kann – in dem Wust an Versprechungen untergeht. Dabei wäre es völlig ausreichend gewesen zu schreiben: „Danke für Ihre Anfrage. Wir kümmern uns darum und melden uns, sobald wir die Informationen haben.“ Jeder Kunde wäre damit absolut zufrieden und hätte das Gefühl, mit Seinesgleichen zu reden.
Aber wer andere bauchpinselt, wirkt unglaubhaft. Und wer gebauchpinselt wird, fühlt sich auf den Arm genommen. Was soll denn ein Kunde denken, dem ein Verkäufer vemittelt: “Auf Sie habe ich mein Leben lang gewartet..:”? Er weiß sehr wohl, dass diese übertriebene Wertschätzung nicht ehrlich sein kann. Und er kann vor allem nicht in gleicher Weise darauf antworten – jedenfalls nicht, wenn er selbst ehrlich auftritt.

Wertschätzung ja, aber bitte mit Maß

Häufig bekommen Einkäufer zu hören: „Schön, dass Sie entschieden haben, in Zukunft bei mir zu kaufen.“ Dieser Satz klingt zwar harmlos und ist sicherlich gut gemeint. Aber er setzt den Einkäufer völlig unter Druck. Denn ein Einkäufer entscheidet nie allein. Er steht immer im Dialog mit Kollegen aus anderen Abteilungen. Wird er in die Rolle des alleinigen Entscheiders gedrängt, so fühlt er sich in höchstem Maß unwohl.
Einen neuen Lehrling begrüßt ein Arbeitgeber auch nicht mit den Worten: „Schön, dass Du hier angefangen hast, in 15 Jahren sehe ich Dich als unseren Geschäftsführer.“ Mit einer solchen Erwartung wäre der junge Mann komplett überfordert. Augenmaß ist also das Gebot der Stunde. Jeder erhält die Wertschätzung, die ihm zukommt, nicht in übertriebenem Maße, aber auch nicht zu sparsam.
Doch immer wieder erlebe ich auch das andere Extrem: Dass Menschen ihren eigenen Wert überschätzen und ihr Gegenüber dadurch respektlos behandeln. Zum Beispiel kommt es häufiger vor, dass Menschen bei uns im Unternehmen anrufen und partout den Geschäftsführer sprechen wollen. Sie lassen sich einfach nicht darauf ein, der Sekretärin ihr Anliegen zu erklären. Ich als Geschäftsführer reagiere allergisch auf solche Anrufer, denn ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Wer mich wirklich schätzen würde, würde mir nicht meine Zeit wegnehmen, sondern der Sekretärin den Grund seines Anrufs nennen. In diesen Fällen überschätzen die Anrufer ihren eigenen Wert und unterschätzen den Wert meiner Zeit.
Neulich aber erhielt ich eine Mail, in der es hieß: „Ich versuche schon seit August, Sie zu erreichen, komme aber an der Vorzimmerdame nicht vorbei. Es handelt sich um folgendes… Bitte rufen Sie mich zurück.“ In diesem Fall habe ich sofort zum Hörer gegriffen. Denn es blieb mir überlassen, ob ich den Anlass wichtig fand oder nicht. Der Ball wurde mir zugeworfen, ohne dass ich gezwungen wurde, mitzuspielen – und dadurch fühlte ich mich wertgeschätzt. Der Absender, der so lange vergeblich anrief, hatte nun einen erfolgversprechenderen Kanal benutzt: Bei einer Mail entscheide ich, ob ich antworte: „Danke, kein Interesse“ oder „Danke, lassen Sie uns nächste Woche telefonieren.“

Wertschätzung als allgemeine Grundhaltung

Alle Menschen verdienen Wertschätzung – ob Direktor oder Praktikant. Denn jeder ist es Wert, als Mensch und Geschäftspartner geschätzt zu werden, unabhängig davon, welche Position er innehat. Aber wenn ich Wertschätzung taktisch einsetze, kann dies ungewünschte Folgen haben, denn Menschen kommunizieren untereinander – auch über mich.
Wenn ich Kopierer warte und zu einem Kunden ins Unternehmen komme, weil das Gerät defekt ist, treffe ich in der Regel den Techniker des Betriebs. Nun habe ich zwei Möglichkeiten. Ich kann meinen Unmut darüber äußern, nach dem Motto: „Habt ihr’s mal wieder geschafft, dass der Kopierer streikt!“ Oder ich kann ihm aufmerksam zuhören, ihm ein Kundengeschenk überreichen und pünktlich und zuverlässig meinen Job machen. Sie ahnen schon, der zweite Weg ist der erfolgversprechende. Nicht selten passiert nämlich folgendes: Nachdem ich das Haus verlassen habe, fragt der Abteilungsleiter den Techniker: „Und, wie war der so, der Typ von der Kopiererfirma?“ Wenn ich den Techniker gut behandelt habe, wird er nun eine positive Wertung abgeben. Das ist mehr als nur Smalltalk – es ist eine Referenz für mich.
Wertschätzung ist eine Grundhaltung gegenüber allen Menschen. Wer diese Haltung lebt, muss sich auch nicht verstellen, wenn er Wertschätzung äußern möchte.
Als ich noch als Angestellter in einem Unternehmen arbeitete, kam einmal ein Kunde und fragte mich: „Sind Sie der Praktikant? Können Sie mir sagen, wo ich Herrn Nabenhauer finde?“
„Ich bin Robert Nabenhauer.“
Der Kunde wurde blass. Er war peinlich berührt, weil er mich, der ich damals noch recht jung war, unterschätzt hatte. Entsprechend schwierig lief dann das Gespräch: Der Kunde wollte kaufen, versuchte aber gleichzeitig seinen Lapsus wieder auszugleichen. Als Verkäufer hatte ich dadurch den Vorteil, dass er mit weniger günstigen Konditionen zufrieden war und in der Verhandlung nachgab.
Nachdem das Geschäft abgeschlossen war, ging ich jedoch wieder auf ihn zu und sagte: „Es passiert häufig, dass ich für jünger gehalten werde, als ich bin. Sie sind da nicht der einzige.“ So half ich ihm, sein Gesicht zu bewahren. Wäre ich nicht mehr auf die Situation zurückgekommen, hätte er sicherlich nie wieder ein Geschäft mit mir gemacht, da ihm die Erinnerung an unsere Begegnung peinlich gewesen wäre. Für mich war es extrem wichtig, diese Situation zu retten. Das gelang tatsächlich und seitdem sind wir beste Geschäftspartner.

Das richtige Level finden

Wertschätzung drückt sich darin aus, dass man sich auf eine Stufe mit dem Gegenüber begibt. Das kann auch bedeuten, den eigenen Status bewusst herunterzusetzen. Wer man mit jemandem Geschäfte machen möchte, sollte schauen, auf welcher Ebene sich der andere bewegt. Wie ist sein sozialer Status, seine Einkommensschicht, sein Bildungsniveau?
Einem jüngeren Geschäftspartner gegenüber würde man nicht mit der Mitgliedschaft im Golfclub oder mit einem teuren Auto protzen. Da der andere nicht mithalten kann, würde er sich definitiv überfahren fühlen. Und dieses Gefühl bildet keine gute Grundlage für eine Geschäftsbeziehung.
Das gleiche gilt für die Sprache. Drückt sich jemand eher umgangssprachlich aus, werde ich nicht mit Fremdwörtern um mich werfen, sondern mich möglichst einfach und klar ausdrücken. Andernfalls würde ich arrogant wirken. Und dann bestünde die Gefahr, dass der andere sich nicht wertgeschätzt fühlt, nach dem Motto: „Du bist unwichtig, und mir ist egal, ob du mich verstehst oder nicht.“
Sich auf das Niveau des anderen zu begeben, ist keine reine Taktik, sondern drückt Wertschätzung aus. Genauso wichtig ist es übrigens, auch den eigenen Wert richtig einzuschätzen. Zum Beispiel wäre es sinnlos, als 23jähriger zu einem 60jährigen Geschäftsführer zu sagen: „Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung …“ Der Geschäftsführer würde schallend lachen. Allerdings spricht nichts gegen eine Bemerkung wie: „In den letzten drei Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass …“ oder „In der kurzen Zeit, in der ich in der Branche tätig bin, habe ich die Erfahrung gemacht, dass …“ Damit relativiere ich den Wert meiner Erfahrung im Vergleich zur jahrzehntelangen Erfahrung des anderen. Der Gesprächspartner wird automatisch Achtung spüren und gleichzeitig zu schätzen wissen, dass der Geschäftspartner seine Erfahrungen zur Diskussion stellt, ohne den Wert seiner Kenntnisse einzuschränken.
Auch das Internet bietet Wege und Möglichkeiten, den Geschäftspartner Wertschätzung spüren zu lassen. Wenn in einem Autoresponder steht: „Danke für Ihre Anfrage, wir melden uns umgehend bei Ihnen“, macht es einen schlechten Eindruck, wenn einige Wochen lang nichts geschieht. Folgt der Anruf hingegen schon nach einer Stunde, wird der Kunde mehr als zufrieden sein. Denn das Versprechen, das der Autoresponder gab, wurde eingehalten – und möglicherweise sogar seine Erwartungen übertroffen.
Ich selbst stelle mein Wissen über Verpackungen kostenlos auf meiner Homepage zur Verfügung. Die Kunden erhalten also die wichtigsten Informationen, die für einen Abschluss in meiner Branche nötig sind, vorab. Ich überfahre sie nicht mit Fachbegriffen, sondern biete ihnen die Möglichkeit, sich auf ein Gespräch vorzubereiten. Damit signalisiere ich Wertschätzung, denn meine Kunden erkennen: Ich will mit ihnen auf Augenhöhe verhandeln und sie nicht über den Tisch ziehen.

10.000 Follower oder: Sich selbst wichtig sein

Für den Verkäufer ist der potentielle Kunde immer interessant. Deshalb ist die Wertschätzung des Kunden im Grunde programmiert. Was die meisten Verkäufer aber aus den Augen verlieren, ist dass die Wertschätzung der anderen bei ihnen selbst anfängt. Bei dem sogenannten Selbstwert, dem Von-Sich-Selbst-Überzeugt-Sein.
Bei XING sind unzählige Anbieter registriert, deren Anzahl an Kontakten monatelang stagniert. Jeder, der nur ein bisschen Geduld und Beharrlichkeit mitbringt, kann das beobachten. Das mag von außen so aussehen, als seien diese Anbieter im “richtigen Leben” über die Maße beschäftigt und als hätten sie keine Zeit für Networking-Spielchen im Social Web. Aber ich gehe jede Wette ein: Die meisten trauen sich schlicht nicht zu, ihren Freundeskreis auszuweiten. Der Grund ist ganz einfach: Deren Selbstbild suggeriert ihnen: „Ich bin ein kleiner Krauter, der mit 30 Kunden schon gut beschäftigt ist.“
Wer sich so gering schätzt, setzt sich selber Grenzen. Denn die Zahl der möglichen Kunden ist grundsätzlich unbegrenzt. Und egal wieviele Kontakte ein Geschäftsmann bereits hat: Wenn er sich selbst wirklich schätzt, wird er stets über neue Zielgruppen und Möglichkeiten der Expansion nachdenken. Denn ein Unternehmer mit Selbstwertgefühl ist der festen Überzeugung: Ich bin es wert, 10.000 Follower zu haben! Und wer sich das wert ist, der ist auch dazu in der Lage. Weil er nicht nur sich, sondern auch seine Kunden wichtig nimmt.
Dass der Sender sich selbst wichtig ist, ist nämlich die Voraussetzung für eine wertschätzende Kundenbeziehung. Das bedeutet aber nicht – und darin liegt eine große Gefahr – dass er sich für wichtiger halten darf, als er wirklich ist. Wer heute eine Homepage hat und sich deshalb enstpannt zurücklehnt und auf Aufträge wartet, leidet an völliger Selbstüberschätzung. Denn heute gehören neben einer Website ein aussagekräftiger Newsletter und andere Aktivitäten im Internet zur Mindestausstattung eines Unternehmens. Eine realistische Selbsteinschätzung ist die Basis für eine gesunde Selbstwertschätzung. Und dazu reicht ein Vergleich mit ähnlichen Unternehmen der gleichen Branche.
Wer sich selbst wichtig ist, der macht nämlich seine Hausaufgaben – und vermittelt seinem Gegenüber automatisch, dass er ihn wertschätzt. Denn Selbstwertschätzung und Wertschätzung der anderen sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wer sich vor einem Gespräch über seinen potentiellen Kunden, dessen Interessen und Aufgaben informiert und genau die Unterlagen mitbringt, die der Kunde braucht, lässt ihn ehrliche Wertschätzung spüren. Ist der Verkäufer auf diese Weise in Vorleistung gegangen, kann er problemlos auch für sich Respekt einfordern. Und damit zeigen, dass er sich selbst wichtig ist.
Ein Verkäufer, der sich selbst schätzt, ich auch für den Kunden ein Segen. Einmal habe ich einem Geschäftspartner gesagt: „Wissen Sie, ich versuche seit fünf Jahren, Sie als Kunden zu gewinnen, aber entweder gefalle ich Ihnen als Person nicht oder Sie haben kein Interesse an meinem Produkt – lassen wir es doch einfach.“ Dieser Unternehmer nahm mir meine Worte nicht übel. Im Gegenteil, er war erleichtert, dass ich verstanden hatte, dass er kein Geschäft mit mir abschließen wollte. Ich hatte seine Einstellung wahrgenommen und respektiert, und er fühlte sich wertgeschätzt.
Nur wer auf sich selbst hört, nimmt unangenehme Situationen in Kauf und hat den Mut, unproduktive Geschäftsbeziehungen abzubrechen – zur Erleichterung beider Parteien. Hätte ich weiterhin diesen Geschäftspartner mit Informationsmaterial zugeballert, hätte er irgendwann selbst entnervt das Weite gesucht. So habe ich ihm eine goldene Brücke gebaut: Sollte er jemals ein Produkt benötigen, das ich anbiete, kann er jederzeit ohne Gesichtsverlust auf mich zukommen.
“Ich bin nicht für alles zu haben.” Dieser Satz mag erstmal eigennützig klingen. Aber wer die Souveränität besitzt, seinen Geschäftspartnern dies auf eine wertschätzende Weise zu signalisieren, der ist sich nicht nur selbst wichtig – der schätzt in gleichem Maße auch seine Geschäftspartner.

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