Warum Emotionen in der Kommunikation so wichtig sind
Angenommen Sie brauchen einen Staubsauger. Vielleicht haben Sie sich schon einen ausgeguckt, der einen soliden Eindruck macht und zu Ihren Anforderungen passt. Bevor Sie ihn bestellen, werden Sie aber weitere Informationen einholen.
Das machen heute fast alle Käufer. Sie durchsuchen das Internet, sie vergleichen Preise, technische Daten und Lieferbedingungen – und entscheiden sich in den meisten Fällen doch für das erste Angebot. Die Recherche war notwendig, um das spontane Gefühl mit objektiven Argumenten zu untermauern. Denn jeder Käufer möchte Fehler vermeiden. Allerdings dauert der Entscheidungsprozess dadurch deutlich länger, als wenn dem Bauchgefühl sofort gefolgt worden wäre.
Wir leben heute angeblich im Informationszeitalter, dabei waren Informationen noch nie so unwichtig wie heute. Sie werden nur als Vorwand benutzt, um emotionale Entscheidungen zu begründen.
Denn täglich strömen eher zu viele, als zu wenige Informationen auf die Menschen ein. Was verloren geht, ist das Miteinander im Alltag – und das Mitgefühl.
Früher lud man potentielle Geschäftspartner ins Unternehmen ein, ging mit ihnen essen, lernte sie kennen. Man holte ein paar Empfehlungen ein, und traf am Ende, aus dem Bauch heraus, eine Entscheidung. Diese Zeiten habe ich selbst noch miterlebt. Inzwischen haben sich die Gebräuche im Geschäftsleben stark verändert. Viele Konzerne verbitten sich von vornherein den Vertreterbesuch. Mittelständler akzeptieren diese Form der Akquise noch, begrenzen sie aber auf einige wenige Besuche pro Jahr. Der Grund ist ganz einfach: Die Zeit wird immer knapper.
Eine der Konsequenzen, die ich daraus ziehe: Ich muss versuchen, die Emotionen auch über verschiedene andere Kanäle zu transportieren. Das ist eine echte Herausforderungen – oder haben Sie schon einmal eine einfühlsame Twitter-Nachricht erhalten?
Für den Verkäufer heißt es, dass es reicht, wenn er seine Kunden zwei oder drei Mal im Jahr besucht. Würden alle Vertreter darauf bestehen, jeden Monat bei ihren Kunden vorbeizuschauen, hätten diese gar keine Zeit mehr. Und das wäre reichlich kontraproduktiv. Denn der Kunde würde sofort auf die Informationsstrategie umschwenken: Statt sich emotional auf die Vertreter einzulassen, würde er im stillen Kämmerlein selbst nach Informationen suchen und lediglich auf deren Basis entscheiden. Und das wäre für die Vertreter ein herber Verlust.
Informationen sind alles, Gefühle nichts
Wer Gefühle als Basis für Entscheidungen anführt, gilt heutzutage schnell als „Weichei“. Deshalb glauben immer mehr Menschen, sich nicht auf ihre Gefühle verlassen zu dürfen. Die neuen technischen Möglichkeiten machen eine Fülle an Informationen verfügbar und befördern dadurch den Trend, Informationen als Entscheidungsgrundlage zu vertrauen.
Früher engagierte man den Handwerker vor Ort aufgrund seines guten Rufs. Heute beauftragt kaum jemand einen Handwerker, ohne sich mehrere Angebote einzuholen. Vertrauen oder eine jahrelange Kundenbeziehung zählen nicht. Wer sich bei der Vergabe eines Auftrags allein darauf bezieht, wird für verrückt gehalten.
Wenn ein unbekannter Handwerker 20 Prozent billiger anbietet als mein angestammter Dienstleister, werde ich denken, dass mich der Handwerker vor Ort bisher über den Tisch gezogen hat, auch wenn mir der günstigere Anbieter völlig unbekannt ist. Dieses Denken setzt eine Spirale in Gang: Man beginnt, sich immer mehr auf Informationen zu verlassen und immer weniger auf seine Gefühle.
Den Kunden emotional abholen
Wer die Preise nicht vergleicht, dem fällt es schwer, einen Auftrag zu vergeben. Das mag erschreckend klingen, birgt für Verkäufer aber auch eine Chance: Wenn er sich dieses Entscheidungsmechanismus bewusst ist, kann er seine Kunden emotional abholen – und zwar genau an dem Punkt, wo sie stehen.
Eines Tages lud mich ein Kunde ein, wies auf einen Haufen Angebote auf seinem Schreibtisch und sagte: „Herr Nabenhauer, Sie sind leider der Zweitteuerste.“
Warum hat er mich eingeladen? Um mir mitzuteilen, dass ich der zweitteuerste Anbieter bin? Sicher nicht. Im Grunde war der Kunde hilflos. Er wollte mit mir Geschäfte machen, sah aber keine Möglichkeit dazu, weil er Informationen eingeholt hatte, die bewiesen, dass ich ihm ungünstige Konditionen anbot.
Ich wies ihn daraufhin ganz direkt auf sein widersprüchliches Verhalten hin, um ihm dies bewusst zu machen: „Warum laden Sie mich dann ein?“
Der Kunde war in seinen Emotionen gefangen. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich den günstigsten Anbieter beauftragen sollte. Würde dieser Qualität liefern? Waren die Angebote wirklich vergleichbar? Manche Anbieter versprechen vor dem Auftrag das Blaue vom Himmel, schränken aber nachher ihre Leistungen ein. Der Kunde stand vor einem Dilemma.
Nun ging es darum, ihn zu überzeugen, dass es okay wäre, wenn er seinem Wunsch folgen würde: nämlich bei seinem Stammlieferanten, also bei mir, zu kaufen. Völlig falsch wäre es gewesen, jetzt mit Informationen zu argumentieren, etwa mit der technischen Ausstattung oder ähnlichem. Stattdessen stellte ich mich emotional an die Seite des Kunden und baute ihm eine Goldene Brücke: „Lassen Sie uns die Sache mal gemeinsam betrachten. Worauf kommt es Ihnen bei diesem Auftrag am meisten an?“
Ich identifizierte mich mit der Position des Kunden und es gelang mir, den Auftrag zu erhalten, obwohl ich einer der teuersten Anbieter war.
In einem anderen Fall konnte ich mich der Preisargumentation des Kunden nicht verschließen. Als er mir sagte: „Sie sind zehn Prozent teurer als Ihr Mitbewerber“, räumte ich ein: „Ja, es ist uns nicht gelungen, die Preise zu drücken. In dieser Situation rate ich Ihnen, beim Mitbewerber zu kaufen.“ Auch damit hatte ich den Kunden auf meiner Seite. Statt mich seinem Argument zu verschließen, bin ich emotional auf ihn eingegangen. In einer späteren Situation wird er sich daran erinnern und wieder auf mich zukommen: „Herr Nabenhauer, Sie haben mir doch damals einen uneigennützigen Rat gegeben. Der war genau richtig. Heute aber habe ich einen Auftrag, der mir gut zu Ihrem Angebot zu passen scheint…“
Bewertungen als emotionale Entscheidungshilfe
Es gab Jahre, in denen es schick war, den kühlen Geschäftspartner zu spielen. Man versuchte, ohne Emotionen im Geschäftsleben auszukommen, bis man merkte, dass man damit nicht glücklich wurde.
Heute ist die Bedeutung persönlicher Kontakte und der Emotionen, die damit verbunden sind, so groß wie eh und je: Niemand würde eine Stelle besetzen, ohne den Bewerber persönlich kennenzulernen. Niemand würde einen Millionenauftrag vergeben, ohne den Geschäftspartner vorher zu Gesicht zu bekommen.
Allerdings tendiert die Geschäftswelt verstärkt zu einem Weg in der Mitte. Man weiß, an wen man einen Auftrag vergeben möchte, holt aber dennoch Vergleichsangebote ein. Das Pendel wird vermutlich in beide Richtungen noch einmal stark ausschlagen: Ein Teil der Marktteilnehmer werden in den optimierten Suchmaschinen der Zukunft noch mehr Informationen einholen. Ein anderer Teil wird sich in Zeiten der Globalisierung, in der weltweit ähnliche Produkte zu vergleichbaren Preisen und annähernd der gleichen Qualität auf dem Markt sind, bei seinen Entscheidungen auf die Emotionen stützen.
Dabei geht es meist um ganz banale Entscheidungen. Ich zum Beispiel weiß nicht, welches Gerät für mich am besten wäre: ein Blackberry, ein iPod oder ein anderer mobiler Computer? Wenn mir aber ein Bekannter sagt: „So, wie ich Deine Gewohnheiten kenne, würde ich Dir dieses Gerät empfehlen“, wäre für mich die Entscheidung schon gefallen. Wenn ich mit Informationen überflutet werde, stützte ich mich auf Empfehlungen und Bewertungen, die den Informationen ein emotionale Komponente hinzufügen. Denn Empfehlungen sind nichts anderes als subjektiv gewertete Fakten.
Zu dem Emotionen bei der Kommunikation im Internet zählt auch die nonverbale Kommunikation, etwa die Fotos, mit denen die XING-Mitglieder ihre Profile ausstatten. Wer auf dem Foto lächelt, signalisiert Freundlichkeit und Verbindlichkeit. Wer sich ernst gibt, betont seine Seriosität. Und beide senden emotionale Botschaften aus.
Dies ist auch in der nicht-virtuellen Geschäftswelt so. Ein Imbiss-Verkäufer mit schmutziger Schürze signalisiert unbewusst eine Botschaft. Vielleicht lautet seine Werbung: „Heute frische Hähnchen.“ Der Käufer aber denkt: „Heute frische Schürze wäre auch schön gewesen.“ Eventuell kauft er in der Eile dennoch hier. Wenn ihm aber später der Bauch grummelt – und dies kann Zufall sein – wird er die Schuld auf das Essen vom Imbiss schieben. Der Kunde verknüpft sofort die dreckige Schürze des Verkäufers mit der Qualität des Brathähnchens. Das ist eine Form der emotionalen Bewertung.
Neben den Fotos in sozialen Netzwerken können auch Mails versteckte Botschaften enthalten. Eine Mail kann informativ oder emotional wirken. Um den richtigen Ton zu treffen, braucht man ein wenig Fingerspitzengefühl. „Wow“ ist als Antwort auf ein Angebot etwa nicht zu empfehlen. Jüngere werden diesen Ton verstehen, Ältere ihn vielleicht ablehnen. Eine Ablehnung entspräche einer Abbuchung vom Beziehungskonto.
Deshalb ist es ratsam, bevor man eine Mail verfasst, Informationen über den Empfänger einzuholen. Stellt sich heraus, dass der Adressat ein 60-jähriger Geschäftsführer ist, kommt eine Anrede wie „Hallo, Herr Müller“ meist nicht in Frage. Und aus dem „Wow“ wird dann ein „vielen Dank, ich habe Ihr Angebot gerne gelesen und es hat mir sehr gut gefallen.“ Dafür muss man Herrn Müller nicht persönlich kennen. Ohne ihn je gesehen zu haben, entwickelt jeder, der recherchiert, eine bestimmte Vorstellung vom Geschäftspartner. Und diese Vorstellung wird meistens nicht allzu fern der Wirklichkeit sein.
Warum Emotionen wirksamer sind als Informationen
Die Gefühle eines Verkäufers spiegeln sich in seinem Verkaufsverhalten. Wer für sein Produkt glüht, wird erfolgreich sein. Lässt die Freude des Verkäufers an seinem Produkt nach, werden seine Verkaufszahlen sinken. Nach 15 erfolgreichen Jahren im Verkauf habe ich gemerkt, dass meine Euphorie für das Thema Verpackung verlorenging. Daraus habe ich die Konsequenzen gezogen und mich neu orientiert, indem ich ein Consulting-Unternehmen gegründet habe.
Wie wichtig Emotionen sind, zeigt die BILD-Zeitung jeden Tag. Offiziell Informationsmedium, arbeitet die Boulevard-Zeitung mit den Gefühlen ihrer Leser. Jede Information wird mit einer Emotion verknüpft – ob durch erschreckende Fotos oder durch polarisierende Schlagzeilen. Mit dieser Methode ist die BILD eine der wenigen Zeitungen, die von der Medienkrise nahezu unberührt bleibt. Mit einer Auflage von über drei Millionen Exemplaren ist sie weiterhin die meistverkaufte Tageszeitung Deutschlands.
Doch im Geschäftsleben gilt wie im Zeitungsgewerbe: Wer Emotionen einsetzt, braucht Mut. Es fällt schwer, einem bisherigen Kunden zu sagen: „Herr Mayer, es schmerzt mich, dass Sie nach zehn Jahren der Zusammenarbeit wegen einem Euro den Zulieferer wechseln.“ Mit dieser Bemerkung öffnet man sich emotional und wird deshalb verletzlich. Die Antwort könnte lauten: „Ich kann nicht ändern, dass Ihnen das weh tut, ich musste den Anbieter wechseln.“ Aber die Erfahrung zeigt, dass der andere in der Regel reagiert, indem er sich seinerseits emotional öffnet.
Umgekehrt habe ich schon erlebt, dass mich ein langjähriger Kunde verzeifelt anrief und sagte: „Lieber Herr Nabenhauer, es tut mir leid, aber ich muss den Anbieter wechseln, der andere ist um 40 Prozent billiger und der Chef setzt mir die Pistole auf die Brust.“ Der Mann war wirklich betroffen. Er weinte beinahe am Telefon.
Ich fing ihn emotional auf und sagte: „Das tut mir auch leid.“ Es hätte nicht gereicht, einfach nur zu sagen: „Ich kann Ihre Situation verstehen.“ Der Kunde hätte gedacht, der Anbieterwechsel sei mir völlig egal. Eine emotionale Handlung erfordert eine emotionale Reaktion. Denn nur eine emotionale Reaktion zeigt Verbundenheit – und dies ist die Basis für gute Geschäftsbeziehungen.