Säen und Ernten

Warum lautes Trommeln nicht peinlich ist

Ein Gärtner, der sein Gemüse erntet, tut dies selbstverständlich und ohne schlechtes Gewissen. Schließlich hat er sich viel Mühe gegeben, es zu säen und zu pflegen. Mancher Verkäufer hingegen preist seine Produkte nur ungern an. Er hält dies für unsauber und hat Angst, als Marktschreier daherzukommen. Diese Einstellung ist nicht nur unbegründet, sie schadet auch dem Geschäft. Denn das Ernten ist die eigentliche Leistung des Gärtners, das Säen ist nur Mittel zum Zweck.
Damit eine Saat aufgeht, müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein. Wirft man es auf eine Autobahn, wird selbst ein Super-Saatkorn nicht aufgehen. Um zu gedeiehen braucht es nämlich Wasser, Erde und Licht. Genauso ist es auch in der Wirtschaft: Ein Geschäft setzt Kontakte, ein System und Energie voraus. Das Netzt an Kontakten ist das Wasser, das die Mühle in Gang setzt. Ein Unternehmer muss Kontakte haben und weitere schaffen, um potentielle Kunden zu finden.
Die Erde stabilisiert den Samen und die Pflanze. In der Wirtschaft übernimmt ein System diese Rolle. Das System des PreSales Marketing etwa dient dazu, die vorhandenen Kontakte zu nutzen und sie wie mit einem Trichter zum Geschäftsabschluss zu führen. Der Trichter wiederum besteht auch aus Kontakten, nämlich jene, zu denen der Verkäufer eine Beziehung pflegt. Bei diesen Kontakten hat er immer die Sicherheit, dass sie Interesse am eigenen Angebot haben.
Weiterhin braucht eine Pflanze Licht, um zu wachsen. Die Sonne liefert die nötige Energie für die Photosynthese. In der Wirtschaft muss der Unternehmer diese Energie selbst beisteuern. Ohne seinen Einsatz und sein Engagement funktioniert das System nicht.
Es gibt vermutlich kein Produkt, dass sich ohne jeden Aufwand von selbst verkauft. Ein Gärtner kann Sämlinge setzen und einige Jahrzehnte später einen Wald durchforsten, ohne dazwischen viel Aufwand zu betreiben. Das ist in der Wirtschaft nicht möglich. Einige Produkte sind eher Selbstläufer, aber auch sie brauchen eine gewisse Werbung.
Hinzu kommt der Faktor Zeit. Ein Halm wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Selbst die Düngung beschleunigt das Wachstum nur begrenzt. Die Pflanze muss bereit sein, die Nährstoffe des Düngers aufzunehmen. Sie wird durch den Dünger vielleicht größer und kräftiger, reift aber trotzdem nicht schneller.
Erst wenn alle Faktoren berücksichtigt wurden, ist die Pflanze reif für die Ernte – und der Kunde für den Geschäftsabschluss. Trotzdem ist ein letzter Schritt nötig: Um das Geschäft abzuschließen, muss ich den kaufwilligen Kunden kontaktieren. – Also aufs Feld gehen.

Sichel oder Mähdrescher?

Zum Ernten braucht der Bauer Werkzeug. Er benutzt dazu entweder eine Sichel oder einen Mähdrescher. Beide Instrumente sind geeignet, Korn zu schneiden, allerdings ist dafür unterschiedlich viel Muskelkraft gefragt.
So ähnlich ist es in der Wirtschaft auch: Manche Produkte lassen sich schon mit Mailings verkaufen, andere benötigen mehr Überzeugungskraft und Einsatz. Die Mailings sind vergleichbar mit dem Einsatz des Mähdreschers. Dieser ist jedoch nicht immer das geeignete Werkzeug. Manche Produkte lassen sich nur mit der feinsten Handsichel verkaufen. So kann man vielleicht ein Buch per Mailing verkaufen, aber nicht den Abschluss eines Friedensvertrags erreichen. Selbst Präsident Obama könnte es sich nicht erlauben, bei Verhandlungen in Krisengebieten den Gesprächspartnern seine neue Vision samt Lösungsvorschläge einfach per Mail zu senden: „Hier mein neues Konzept, siehe Anhang.“ In einem solchen Fall muss er persönlich anreisen, an den Verhandlungen teilnehmen und für sein Konzept werben.
Wie ein Produkt idealerweise beworben wird, damit es sich gut verkauft, hängt in der Regel von der Art des Produktes ab. Ich selbst habe zum Beispiel noch nie eine Mail bekommen, in der mir ein Atomreaktor angeboten wurde. Dieses Produkt ist zu speziell, um es per Mail zu verkaufen. Wenn ich solche Mails nicht bekomme, so liegt es nicht daran, dass ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Immerhin trudeln bei mir dauernd Mails mit Angeboten für kleine blaue Pillen ein, obwohl ich nicht zur Zielgruppe gehöre.

Everybody’s darling ist everybody’s Depp

In der Geschäftswelt sollte man sich entscheiden, ob man zum Typ “Hobbygärtner” oder “Erwerbsgärtner” gehört. Der Hobbygärtner umhegt seine Pflanzen, streichelt die Rosen und spielt ihnen Mozart-Konzerte vor. Kein Aufwand ist ihm zu groß, seine Arbeitszeit berechnet er nicht. Der Erwerbsgärtner hingegen hat sich zum Ziel gesetzt, dass der Aufwand durch den Preis gedeckt werden muss. Er verkauft lieber zehn Standard-Rosen für je einen Euro, als eine Rose, die vielleicht perfekt ist, für 1 Euro und zehn Cent.

Wer verdienen will, tut gut daran, immer das Pareto-Prinzip walten zu lassen. Dieses besagt, dass sich mit 20 Prozent des Aufwands 80 Prozent des Ergebnisses erreichen lassen. Die restlichen 20 Prozent erfordern unverhältnismäßig viel mehr Aufwand. Das Prinzip stammt, wie der Name verrät, vom italienischen Ökonom und Soziologen Vilfredo Pareto. Dieser untersuchte die Verteilung des Volksvermögens in Italien und fand heraus, dass etwa 20 Prozent der Familien rund 80 Prozent des Vermögens besitzen. Wenn sich die Banken also vornehmlich um diese 20 Prozent der Bervölkerung kümmern, wäre ein Großteil ihrer Auftragslage gesichert.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn ich merke, ein Kunde will nicht von mir kaufen, sollte ich meine Bemühungen einstellen. Nach 19 Abfuhren lohnt es sich nicht, noch ein 20. Mal anzurufen. Statt auf der Stelle zu verharren, ist es viel lohnender, sich dem nächsten Kunden zuzuwenden.
Neulich las ich einen Ratgeber für die Kaltakquise, der empfahl, einen Kunden, der eine Absage erteilte, nach einer halben Stunden erneut anzurufen. Der Verkäufer solle nachfragen, was er beim Verkaufsgespräch hätte besser machen können. Ich klappte das Buch zu und war irritiert. Was hat der Verkäufer denn davon? In der Zeit hätte er bereits zehn neue Interessenten anrufen können, die seinen Bemühungen gegenüber aufgeschlossener sind.
Wer so vorgeht, ähnelt einem perfektionistischen Koch. Den allermeisten Kunden schmeckt sein Essen gut, einem einzigen Gast hingegen nicht. Deshalb betreibt der Koch jetzt einen Riesenaufwand, um diesen einen Gast von seinen Kochkünsten zu überzeugen. Dass dieser Übereifer nicht viel bringen kann, ist eigentlich von Anfang an klar. So eine Handlung zeugt von völliger Selbstüberschätzung. Ein Angebot muss und kann nicht allen schmecken.

Wer trommelt, sollte es möglichst laut tun

Kein Unternehmen kann erwarten, dass alle seine Werbemaßnahmen von jedem willkommen geheißen werden. Wenn ich meinen Newsletter versende, schreiben mir manche Empfänger lobende Worte zurück, andere bemänglen den Inhalt. Wieder andere melden sich einfach ab, die große Mehrheit jedoch reagiert gar nicht. Diese Reaktionen sind völlig normal. Daher bin ich nicht beleidigt, nur weil meine Maßnahmen keine hundertprozentige Zustimmung erhalten. Ablehnende Reaktionen halten mich auch nicht davon ab, weiterhin Marketing zu betreiben. Denn wenn ich etwas verkaufen will, muss ich trommeln. Und je lauter ich trommele, desto lauter werden die Reaktionen – im Guten wie im Schlechten.
Ein potentieller Kunde fühlt sich durch Verkaufe nicht belästigt. Er hat sogar einen Nutzen davon. Amazon empfiehlt seinen Kunden Bücher, die aus demselben Segment stammen wie die bisher erworbenen. Wenn ich zum Beispiel einen Schwangerschaftsratgeber kaufe, bekomme ich die Empfehlung für ein Buch wie „So schläft Ihr Kind durch.“ Ich hatte noch nicht daran gedacht, dass ich einen solchen Ratgeber vielleicht bald dringend brauche. Jetzt ist mir das klar – also bestelle ich das Buch gleich mit. Das ist keine Belästigung, sondern Kundenservice.
Jede Fleischersfrau auf dem Markt fragt „Darf es auch ein bisschen mehr sein?“ Wenn 104 Gramm Wurst auf der Waage liegen statt 100 Gramm, habe ich noch nie erlebt, dass ein Kunde sagt: „Nein, bitte geben Sie mir nur 100 Gramm.“ Zum einen ist es technisch schlecht möglich, vier Gramm wegzunehmen, zum anderen würde sich der Kunde schämen, so kleinlich zu sein. Auf die vier Gramm kommt es ihm nicht an. Die Fleischerei hat aber gerade vier Prozent mehr Umsatz gemacht.
Deshalb müssen sich Verkäufer nie schämen, zu fragen: „Darf’s ein bisschen mehr sein?“

Für jedes Produkt gibt es einen Käufer

Wer trommelt, sollte dabei ruhig so laut sein, dass ihn auch diejenigen hören, die er nicht für seine Kunden hält. Manchmal finden die Kunden selbst Einsatzgebiete, an die der Hersteller noch nicht gedacht hatte. Displays zur Kontrolle von Maschinen in Fabriken kosten zum Beispiel mindestens 150 Euro. Ein findiger Bastler hatte einmal die Idee, digitale Bilderrahmen ein wenig umzubauen und als Display zu verwenden. Die Kosten für einen Bilderrahmen sind nur ein Bruchteil jener für industrielle Displays. Ein cleverer Hersteller von Bilderrahmen könnte diese Erkenntnis nutzen, um neue Käufergruppen anzusprechen.
Der Verkäufer darf nicht denken, dass er die Kunden mit seinen Angeboten nervt. Kunden warten meistens ungeduldig auf Lösungen. Lautes Trommeln ist daher keine Störung. Bestes Beispiel dafür ist die Bild-Zeitung. Diese hat drei Millionen Käufer – und überhaupt keine Scheu davor, laut und schrill zu sein. Sie trommelt, wo sie nur kann. Dabei hat sie keinen hohen Anspruch auf journalistische Perfektion. Aber das ist kein Nachteil. Die Leser wissen, was sie in dieser Zeitung erwartet: Die leicht bekleidete Dame auf Seite Drei, der „Liebe ist…“-Spruch auf der Rückseite, dazwischen reißerische Nachrichten. Drei Millionen Leser mögen das. Und ich bin sicher, dass es noch mehr als drei Millionen Menschen gibt, denen die Bild nicht gefällt. Trotzdem: Was würde passieren, wenn man die Bild von heute auf morgen abschaffen würde? Es würde einen Aufschrei geben. Die Macher der Bild-Zeitung sind deshalb ganz selbstbewusst. Was interessieren sie die Kritiker? Sie leben ja von den Käufern – und das sind immerhin drei Millionen Menschen.
Übersetzt in die Welt der Wirtschaft heißt das: Ich brauche mich nicht zu verstecken. Für mein Produkt gibt es Käufer. Wenn ich denke, ich darf nicht trommeln, verbaue ich mir selbst meine Marktchancen.
Trommeln ist ein Erfolgsgarant, vorausgesetzt ich biete etwas an, was die Menschen tatsächlich brauchen. Wenn ein Produkt nicht benötigt wird, verkauft es sich trotz Werbung nicht. Vielleicht werden in 30 Jahren sogar Produkte wie Coca Cola oder die Bild keine Käufer mehr finden – wenn sie den Menschen von morgen keinen Nutzen mehr bieten.
Für ein gelungenes Geschäft muss ich also wissen, was die Leute wollen. Dann muss ich für das Produkt meine Hausaufgaben machen und die potentiellen Käufer kennenlernen, um ganz zum Schluss die Werbetrommel zu rühren. Ganz praktisch bedeutet das etwa, nur auf dem richtigen Terrain zu trommeln. Wurst-Dieter würde ganz sicher nicht in eine Kirche gehen, um seine Waren dort anzupreisen, nur sich weil dort potentielle Kunden befinden könnten. Er geht vielmehr auf den Marktplatz. Dort regt sich keiner über seine Werbung auf. Im Gegenteil: Dort wird er erwartet und gesucht. Es gilt also, die Trommel zu rühren – aber nicht zu provozieren um jeden Preis.
Gerade Handwerker oder Mittelständler scheuen davor zurück, lauthals für sich zu werben. Sie setzen auf die Handwerker- oder Kaufmannsehre, sehnen sich nach dem Geschäft per Händedruck und verabscheuen die laute Verkaufe. Sie möchten jeden einzelnen Kunden zufrieden stellen. Das ist jedoch unmöglich. Wer Geschäftserfolge verzeichnen will, braucht drigend eine andere Denkweise!
Was wäre, wenn jemand eine wichtige neue technische Errungenschaft allein durch Flüsterpropaganda verkaufen würde? Das wäre ziemlicher Unsinn. Der Verkäufer hätte es gar nicht nötig, den Ball so flach zu halten. Denn der Kunde fühlt sich nicht auf den Schlips getreten, wenn man ihm etwas anbietet, was ihn interessiert.

Ernten ist selbstverständlich

Pflanzen brauchen Wasser, Erde, Licht und Pflege. Einige benötigen mehr Aufmerksamkeit, andere weniger. Doch sicher ist, dass der Gärtner sie nach der Pflege ernten wird. Dies schadet den Pflanzen nicht. Eine Frucht ist dazu da, um Menschen oder Tiere zu ernähren. Und einem Apfel kann es egal sein, ob er gegessen wird oder vom Baum fällt und verschimmelt – in beiden Fällen wird er vergehen.
Ein Käufer, der Brötchen holt, wird sich nicht darüber aufregen, dass der Bäcker Geld dafür verlangt. Es ist doch klar: Der Verkäufer macht seinen Job und verkauft. Der Käufer erfüllt seine Bedürfnisse und kauft. Deshalb ist es unnötig, wenn Verkäufer sich hinter Begriffe verstecken wie „Kundenbetreuer“ oder „Servicemitarbeiter“. Sie können offen sagen, dass sie verkaufen wollen, niemand nimmt ihnen das übel. Der Kunde weiß ganz genau: Er bekommt etwas und bezahlt dafür.
Der Verkäufer wird nicht belohnt fürs Säen, sondern für das Ernten. Würde er nichts verkaufen, wäre er vergleichbar mit einem Bauern, der zwar sät, aber seine Ernte auf dem Feld vergammeln lässt. Diesen Mann würde jeden für einen schlechten Bauern halten. Darum sollen sich Unternehmer nicht zu schade sein, für ihre Produkte zu trommeln und sie zu verkaufen.

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