Warum Kommunikation ohne Gegenseitigkeit auf Dauer nicht funktionieren kann
Der Mensch ist kein Einsiedler, sondern ein soziales Wesen. Deshalb reden die Menschen gerne miteinander und tauschen sich gerne aus. Einen anderen anzusprechen, den wir noch nicht oder nicht gut kennen, ist allerdings heikel: Die Kommunikation kann nur gelingen, wenn ein passender Aufhänger oder ein anderer guter Einstieg gefunden wird.
Am besten sucht man einen Anlass, der den anderen interessiert. Ist dieser gefunden, kann man auch tun, was normalerweise als unhöflich gilt: Mit der Tür ins Haus fallen und etwas anbieten. Bei dem Angebot sollte es sich aber um einen kostenlosen Service oder eine besondere Information handeln, nicht um eine kostenpflichtige Ware. Denn mit einem Kaufangebot wäre der Empfänger beim ersten Kontakt überfordert. Der erste Kontakt sollte also auf die Interessen des Empfängers zugeschnitten sein, einen passenden Aufhänger besitzen und mit einem kostenlosen Geschenk garniert sein. Dann ist er auch willkommen.
Der erste Schritt zur Kontaktaufnahme könnte sein, dass ich jemanden auf mein eBook aufmerksam mache mit der Bemerkung: „Das könnte Sie interessieren.“ Wer das Buch anfordert, erhält später eine neue Mail mit der Anfrage: „Könnten wir auch in anderen Bereichen zusammen arbeiten?“ Dies ist eine höfliche Art, um eine Beziehung aufzubauen. Wer so vorgeht, wird auch bei der Kaltakquise – also der Kontaktaufnahme zu bisher Fremden – erfolgreich sein.
Nie wieder Kaltakquise
Soziale Netzwerke ersparen die ungeliebte Kaltakquise. Wer hängt sich schon gerne den ganzen Tag ans Telefon, um bei 50 Telefonaten 49 unfreundliche Abfuhren zu erleben und vielleicht einen einzigen Erfolg zu verbuchen. Kaltakquise ist auch für die Umworbenen unerfreulich, denn meist empfinden sie diese als belästigend und zeitraubend.
Malings in sozialen Netzwerken bieten einen idealen Ersatz. Zum einen gilt auch hier das Gesetz der zeitversetzten Kommunikation: Die Mailings werden wahrgenommen, wenn der Empfänger Zeit für sie hat. Darüber hinaus ist für den Sender eine ablehnende Antwort per Mail leichter zu ertragen als eine persönliche Zurückweisung am Telefon. Dies ist ein Grund, warum sich gerade Freiberufler in den sozialen Netzwerken engagieren: Sie sind häufig auf aktive Akquise angewiesen.
Auch Facebook und Twitter bieten neue Möglichkeiten der Werbung. Wenn ein Freund Ihnen ein Produkt oder ein Unternehmen auf Facebook empfiehlt, hat das eine andere Glaubwürdigkeit als ein Fernsehspot. Die Empfehlungen von Freunden sind in der Tat so glaubwürdig, dass Kriminelle sie sich bereits zu nutze machten, um die Daten von Millionen Nutzern auszuspähen. 2010 fanden erstmals gezielte Attacken auf Facebook statt, indem eine Software über Empfehlungen weiter verbreitet wurde. Die Software machte angeblich auf partnersuchende Facebook-Mitglieder aufmerksam, spionierte aber in Wirklichkeit aus, wer mit wem vernetzt ist, um Mailadressen zu sammeln. Doch das sind unliebsame Einzelfälle, die das System selbst nicht in Frage stellen.
Der Nachrichtendienst Twitter erlaubt es, neue Ideen oder Angebote zur Diskussion zu stellen. Die Nutzer diskutieren und zeigen Schwachstellen oder Fehler auf. Sowohl der Sender profitiert von dieser öffentlichen Testphase, als auch der Empfänger. Er kann filtern, wessen Nachrichten er folgen möchte – und empfängt nur die Informationen, die ihn wirklich interessieren.
Haben oder Soll auf dem Beziehungskonto?
Bei jeder Kontaktaufnahme wird ein neues Beziehungskonto eröffnet. Wichtig ist daher, dass ich nicht gleich mit der Variante „Nehmen“ ins Haus falle. Nehmen ohne zu geben funktioniert nicht. Dies ist übrigens auch der Grund, warum Spam so unbeliebt ist: Hier wird zwar etwas angeboten, aber es handelt sich nur scheinbar um ein Angebot. In Wirklichkeit nimmt Spam etwas, es raubt nämlich Zeit. Beim Spam handelt es sich also um ein Nehmen, nicht um ein Geben. Daher sollte jeder vermeiden, seine Angebote wie Spam klingen zu lassen.
Dies hört sich simpel an, doch in der Geschäftswelt wird nur zu häufig mit Angeboten geworben, die eigentlich keine sind. Wenn ich einen Anruf erhalte mit der Anfrage, ob ich ein Angebot für eine Autoversicherung einholen möchte, fühle ich mich belästigt. Ich werde noch nicht einmal gefragt, ob ich überhaupt Interesse an einer Autoversicherung habe. Was kann mir der Anrufer bieten, was meine aktuelle Autoversicherung nicht hat? Ein solcher Anruf klingt wie ein „Geben“, ist aber im Grunde ein „Nehmen“. Mir wird Zeit gestohlen.
Besser wäre es, das Angebot mit einer echten Gabe zu kombinieren, etwa einem Gutschein für einen neuen Verbandskasten: „Mit uns sind Sie immer auf der sicheren Seite!“ – „Holen Sie ein Angebot von uns ein und Sie erhalten einen Gutschein, egal, ob Sie eine Versicherung abschließen oder nicht.“ Hier ist der Kunde immer der Gewinner, ob das Geschäft zustande kommt oder nicht. Eine solche Kontaktaufnahme würde nicht als Störung empfunden, selbst wenn klar ist, dass der Anrufer im Grunde etwas erreichen will. Er möchte einen neuen Abschluss für seine Versicherung.
Ich selbst achte darauf, dass ich potentiellen Kunden zunächst etwas gebe. In Zeiten des Internets ist es sehr einfach geworden, kostenlose Give-aways zu erstellen, zum Beispiel ein PDF, eine CD mit Tools oder ein eBook. Diese Veröffentlichungen können Informationen enthalten, die für den Empfänger nützlich sind. Jeder hat in seinem Fachgebiet Kenntnisse, die seine Kunden nicht besitzen. Daher kann jeder für seinen Geschäftsbereich Themen finden, die er in kostenlosen PDFs oder eBooks veröffentlichen kann. Der Aufwand ist gering, der Effekt groß.
Außerdem versende ich Gutscheine für Workshops. Auch das bereitet mir wenig Mühe. Der Workshop gibt ebenfalls Einblicke in mein Fachgebiet. Gleichzeitig positioniere ich mich durch das Angebot von Workshops als Experte, was wiederum meine Glaubwürdigkeit erhöht. Nach einem gewissen Zeitraum, durchaus auch mal nach einem ganzen Jahr, frage ich beim Empfänger nach, ob Interesse an dem Workshop besteht. Ich lege dazu passende Termine auf, die ich anbieten kann. Gleichzeitig sage ich: „Es würde mich freuen, wenn Sie an mich denken, sollten Sie ein neues Angebot im Bereich der Verpackungsfolien brauchen.“ Das ist eine ganz sanfte Vorgehensweise, um das eigene Angebot zu bewerben. Dadurch fühlt sich niemand überfahren oder genervt.
Interesse wecken
Wir alle kennen die Situation auf einem südländischen Basar, wenn nicht aus eigenem Erleben dann zumindest aus Filmen. Dort bewerben die Verkäufer ihre Ware sehr offensiv, sie sprechen die Kunden an oder zupfen sogar am Hemdsärmel: „Deutsch? Niederländer? – Do you speak englisch?“ In der Regel fühlen wir uns als Mitteleuropäer belästigt, wenn die Verkäufer so massiv um unsere Aufmerksamkeit buhlen.
Wenn ich aber an einem Stand stehen bleibe und frage: „Was ist das für eine Frucht?“ und der Verkäufer sagt: „Eine Maracuja, bitte probieren Sie!“, fühle ich mich nicht mehr belästigt. Da ich Interesse gezeigt habe, ist es folgerichtig, dass der Verkäufer mir ein Angebot macht. Er darf nun sogar sagen: „Hier habe ich eine ganz besondere Ananas, möchten Sie die auch kosten?“ Wenn mir die Früchte schmecken, werde ich nun an diesem Stand kaufen, da schon ein Kontakt besteht. Ich würde mich nicht abwenden und anschließend am Stand nebenan Maracuja und Ananas erstehen. Denn das wäre grob unhöflich.
Außerdem müsste ich am zweiten Stand wieder einen neuen Kontakt zum Verkäufer aufbauen, was eine umständliche Vorgehensweise wäre. Nein, ich werde bei dem Obsthändler kaufen, der mich so freundlich seine Früchte probieren ließ. Der Unterschied zur vorherigen Situation besteht darin, dass ich selbst aktiv Interesse an den Waren des Obsthändlers gezeigt habe. Das Interesse des potentiellen Kunden ist eine elementare Voraussetzung für den Geschäftsabschluss.
Wie sich ein gutes Angebot von Spam unterscheidet
Im Internet ist die Situation ähnlich: Spam wird an alle möglichen Empfänger versendet und als Belästigung empfunden. Damit ähnelt Spam den Verkäufern, die unaufgefordert mögliche Kunden belästigen. Spam bedeutet, jemanden mit Werbung zuzumüllen. Es handelt sich um die reine Aufforderung, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, ohne vorher das Interesse des Empfängers abzufragen.
Viagra-Werbung etwa erhalten alle Mail-Besitzer ohne Ansehen von Alter und Geschlecht. Dies macht sie so ärgerlich. Sinnvoller wäre es, diese Werbung nur an die Besucher einer Webseite mit Informationen über Erektionsstörungen zu senden.
Wer Viagra-Werbung an eine Nonne im Kloster sendet, muss sich nicht über mangelnde Resonanz wundern. Weder die Nonne noch deren Bekanntenkreis wird vermutlich Bedarf an Viagra haben.
Kommunikation bleibt eingleisig, wenn der Empfänger kein Interesse an der Information hat. Der Absender sollte sich im Vorfeld über die Interessen des Empfängers informieren. Die besagte Nonne, die sich zufällig in ein Rotlichtviertel verirrt hat, wird von den Türstehern dennoch nicht angesprochen. Es ist einfach zu deutlich, dass es keinen Sinn macht, sie in den Nachtclub einzuladen. Bevor ich also als Verkäufer aktiv auf einen potentiellen Kunden zugehe, sollte ich mich fragen, ob mein Angebot passt.
Zu wem mein Angebot passt, kann ich auf einfache Weise in Erfahrung bringen: Ich frage einfach den Empfänger, ob er Interesse daran hat. Das ist der Grundsatz des Permission Marketing. Permission Marketing holt erst die Zustimmung der potentiellen Kunden ein, bevor ein Angebot unterbreitet wird. Diese Zustimmung kann natürlich auch mit sanftem Zwang eingeholt werden, aber das macht wenig Sinn.
Besser ist es, ein verlockendes Angebot zu offerieren. Ein Obstverkäufer etwa könnte eine Schale mit aufgeschnittenen Früchten an seinen Stand stellen. Jeder darf zugreifen, unter der Bedingung, dass er seine Visitenkarte hinterlässt. Wenn jemand aber an dem Obststand vorbeigeht, schnell eine der aufgeschnittenen Früchte schnappt und keine Visitenkarte hinterlässt, wäre das nicht in Ordnung. Auch wenn jemand mehrere Früchte probiert, dann aber weitergeht und woanders kauft, würde das nicht gerne gesehen werden.
Ein solches Verhalten könnte der Obstverkäufer verhindern, indem er sagt: „Wenn du zurück kommst und bei mir kaufst, bekommst du die Ananas zum halben Preis.“ Ein Verkäufer, der nur anbietet, aber nicht nimmt, macht etwas falsch. Der Verkäufer sollte auch nehmen, nämlich die Kontaktdaten der Interessenten für sein Produkt. Das ist Permission Marketing.
Im zweiten Schritt die Kontaktdaten
Die erste Kontaktaufnahme sollte dazu führen, dass die Kontaktdaten übermittelt werden. Dies ist ein offener Deal: Der potentielle Kunde bekommt eine Information, der Verkäufer erhält die Kontaktdaten.
Genau so gehe ich selbst vor. Ich gebe zunächst etwas, zum Beispiel ein eBook oder ein PDF, erbitte dann über das Opt-in Verfahren vom anderen seine Mailadresse. Wenn ich die Mailadresse bekommen habe und er mir ausdrücklich bestätigt hat, dass er einverstanden ist, weitere Informationen zu erhalten, kann ich ihm diese senden. Zu einem späteren Zeitpunkt auch ein erstes interessantes Angebot, unverbindlich versteht sich. Nun folgt meist eine längere Phase, in der ich durch anhaltende Kontakte systematisch auf das Beziehungskonto einzahle, bis schließlich ein Geschäft abgeschlossen wird.
Beziehungskonten können auch vom Kunden genährt werden. In dem Fall gibt der Kunde etwas und der Verkäufer empfängt. Einer meiner Kunden erzählte mir beispielsweise: „Wussten Sie schon, Ihr Mitbewerber hat gerade seine Preise drastisch erhöht.“ – „Ist mir neu, danke für die Information.“ Für mich war diese Information natürlich Gold wert. Ich war dem Kunden, der mich über die Aktion des Mitbewerbers informierte, zu Dank verpflichtet.
Denn beim nächsten Kunden konnte ich diese Information sofort gewinnbringend einsetzen: „Haben Sie schon gehört, dass unser Mitbewerber die Preise erhöht hat? Bei uns kaufen Sie selbstverständlich zum alten Preis.“ Schon war das Geschäft gemacht. Auch hier habe ich auf das Beziehungskonto eingezahlt, denn der Kunde ist froh, nicht beim teureren Mitbewerber zu kaufen. Das Guthaben auf beiden Beziehungskonten wurde erhöht.
Diese Beziehungskonten pflege ich systematisch. Indem ich zuerst einzahle, erbitte ich die Erlaubnis, ein Angebot unterbreiten zu dürfen. So ist auch bei Erstkontakten die Form gewahrt: Der Kunde erhält etwas, bevor etwas von ihm gefordert wird. Die kostenlose Gabe ist der Türöffner. Die Einwilligung des Kunden, seine Kontaktdaten herauszugeben, führt zum zweiten Schritt: einem Angebot. Das Angebot trifft nun auf offene Ohren, da der Kunde den Absender bereits kennt und ihm gegenüber positiv eingestellt ist. Ein Angebot ist außerdem nicht bedrängend, denn es muss nicht unbedingt sofort zum Geschäftsabschluss führen.
Auf diese Weise pflege ich die Beziehungen zu meinen Kunden. Dabei steht die Freiwilligkeit des Kunden immer im Vordergrund: Ob er Informationen von mir erhalten möchte, ist seine Entscheidung. Ohne die Einwilligung des Kunden wären meine Angebote reiner Spam.
Bisher habe ich gezeigt, wie man geschickt auf Kunden zugeht. Es gibt aber auch Unternehmen, die nicht hinter ihren Kunden herlaufen, sondern durch ihre Positionierung die Kunden anlocken.