Zwei Seiten einer Medaille

Warum Bekanntheit ohne Persönlichkeit auf Dauer nicht möglich ist

„Was denken die anderen über mich?“ ist eine häufig mit Sorge gestellte Frage. Auch Unternehmen sollten sich regelmäßig fragen: „Wie wirkt mein Unternehmen auf andere?“ Denn nicht nur Menschen, auch Unternehmen besitzen eine Persönlichkeit. Die Persönlichkeit eines Menschen entsteht aus der Summe seiner Erfahrungen, seiner Charaktereigenschaften und seiner Fähigkeiten. Ein Unternehmen besitzt all dies nicht? Doch!
Die Persönlichkeit eines Menschen oder eines Unternehmens bildet die Grundlage für dessen Image in der Öffentlichkeit. Das Image ist das Abbild, das eine Persönlichkeit in den Köpfen anderer erzeugt. Heute müssen wir uns nicht damit zu begnügen, ein mehr oder weniger zufälliges Image zu tragen. Wir können dieses selbst erzeugen und beeinflussen. Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, tun gut daran, ihr Image – den Eindruck, den ihre Persönlichkeit in der Öffentlichkeit hinterlässt – sorgfältig zu kontrollieren und sogar im positiven Sinne zu manipulieren. Es reicht nicht aus, als Marke bekannt zu sein. Denn Bekanntheit setzt voraus, eine Persönlichkeit zu besitzen und diese auch sichtbar zu machen. Dafür ist es notwendig, auch Persönliches preiszugeben.

Das menschliche Gesicht der Unternehmen

Microsoft hat lange Zeit darauf verzichtet, in Fernsehspots präsent zu sein. Heute hat auch das weltumspannende Softwarehaus begriffen, wie wichtig es ist, Gesicht zu zeigen. In einem You-Tube-Video erklärt Microsoft-Chef Steve Ballmer „I love this company“. Er springt auf der Bühne hin und her und schreit seine Begeisterung über sein Unternehmen heraus. Für alle, die sich fragen, was das soll: Das Video wurde mehr als drei Millionen mal angeschaut.
Ebenfalls erfolgreich war ein Spot von BMW, in dem der Designchef selbst erklärt, warum er die Linienführung des neuen Modells in dieser Weise gestaltet hat. Ein solcher Spot ist für jeden Autoliebhaber interessant. Und der Kunde fühlt sich ernstgenommen: Der Chefdesigner persönlich richtet sich an ihn. Deshalb ist ein solcher Spot deutlich wirkungsvoller als Werbung, die einfach nur behauptet, das neue Modell sehe gut aus.
Weniger glücklich war hingegen der Versuch des Internet-Providers 1&1, dessen Leiter Kundenzufriedenheit Marcell D’Avis in einem Werbespot verspricht, persönlich den Internet-Zugang bei einem Kunden zu regeln. Inzwischen kursiert das Video in mehreren veralberten Formen im Internet. Kein Wunder: Der Auftritt von D’Avis ist einfach unglaubwürdig. Statt unhaltbare Versprechen abzugeben, wäre er deutlich erfolgreicher gewesen, hätte er seinem Unternehmen ein menschliches Gesicht geben. Etwa indem er 20 Mitarbeiter des Call Centers persönlich vorgestellt hätte. Eine solche Maßnahme würde ein Unternehmen wie 1&1 greifbarer machen.
Wenn es um das menschliche Gesicht von Unternehmen geht, gilt folgende Faustregel: Die Persönlichkeit eines Unternehmens und sein Image sollten möglichst zusammenfallen. Bei BMW etwa stimmen Image und Persönlichkeit überein: Die Marke steht für den Slogan „Freude am Fahren“. Die Telekom hingegen hat bei vielen Kunden das Image eines Saftladens erworben, bei dem die eine Hand nicht weiß, was die andere tun. Das ist sicher nicht im Sinne des Unternehmens.
Fallen Image und Persönlichkeit zusammen, stellt sich als nächstes die Frage: Wie lassen sich diese nach außen kommunizieren? Wichtig ist auch hier, authentisch zu bleiben. Bei McDonalds zum Beispiel gibt es keine festgelegte Anrede, die die Mitarbeiter auswendig lernen. Vielmehr werden diese angehalten, spontan zu reagieren. Der Grund erschließt sich von allein: Menschen wollen mit Menschen kommunizieren, nicht mit gedrillten Automaten oder mit Institutionen.
Auch eine Anfrage an die Service-Hotline sollte nicht mit einem anonymen Textbaustein beantwortet werden, sondern mit der personalisierten Mail eines bestimmten Mitarbeiters der Servicestelle. Denn auch online möchte der Kunde mit einem Menschen im Gespräch sein, der zumindest in Konturen als solcher erkennbar ist. Der menschliche Faktor muss nicht in jedem Fall in Form einer bestimmten Person erkennbar sein, doch sollten die Sprache und die Aktion spüren lassen, dass ein Mensch hinter der Online-Kommunikation steht. Schon mit solchen kleinen Gesten können Unternehmen ein menschliches Gesicht zeigen.

Persönlichkeit ist gefragt

Bekannt sein ohne Persönlichkeit zu zeigen, ist heute nicht mehr möglich. Ein öffentliches Image funktioniert nur, wenn eine greifbare Persönlichkeit dahinter erkennbar ist. Als Robert Nabenhauer versuche ich immer, so authentisch wie möglich aufzutreten. Ich bin der Sohn eines Handwerkers und habe nie studiert, und ich versuche nicht, meine Herkunft zu verschleiern. Im Gegenteil: Ich stehe für Grundwerte wie das ehrliche Handwerk. So tickt auch meine Firma, und sie muss sich nicht verstecken.
Doch auch in Sachen Persönlichkeit ist Augenmaß gefragt. Intime Dinge preiszugeben ist weder erforderlich noch gern gesehen. So interessiert es niemanden, ob der Mitarbeiter eines Kaufhauses in einer Beziehung lebt oder wie diese gestaltet ist. Auch wenn man einen Geschäftskollegen duzt, heißt das nicht, dass man mit ihm bestens befreundet ist. Nur ein bestimmter Teil der eigenen Persönlichkeit eignet sich dazu, öffentlich gemacht zu werden. Welche Aspekte dies sind, hängt von der Branche und der Tätigkeit ab. Ein Banker würde bei XING nicht unbedingt seine kulinarischen Vorlieben einstellen – ein Koch hingegen schon.
Weil Persönlichkeit heute wichtig ist, kann man sich kein beliebiges Image zulegen. Wer das versucht, wird scheitern. Denn Image und Persönlichkeit müssen zusammen passen. Dieter Bohlen etwa macht unter anderem Werbung für Würstchen. So sehr die Wurstfirma ihre Hoffnung in den Promi setzen mag: Deutsche Würstchen passen einfach nicht zu Bohlens Image. Vom braun gebrannten Bohlen mit Villa auf Mallorca erwartet man eher, dass er Hummer speist – oder Paella. Und weil Bohlen nicht authentisch wirkt, ist die Werbung wirkungslos.
Die Menschen haben ein sehr genaues Gespür dafür entwickelt, was ehrlich gemeint ist und was nicht. Und sie haben es satt, etwas vorgespielt zu bekommen. Gerade in Zeiten, in denen auch unliebsame Wahrheiten durch Blogs und Foren verbreitet werden, können es sich Unternehmen nicht mehr leisten, ein Image vor sich her zu tragen, dass nicht mit der Realität übereinstimmt.
Jeder weiß zum Beispiel, dass das Essen bei McDonalds nicht gesundheitsfördernd ist. Daher wäre es Unsinn, wenn der Fast Food-Anbieter mit Gesundheitswochen werben würde. Die Menschen würden den inneren Widerspruch vielleicht nicht bewusst, aber auf jeden Fall unterschwellig wahrnehmen. Viel ehrlicher und authentischer wäre eine Kampagne, die geradeaus die Botschaft rüberbringt: „Das Essen bei McDonalds ist nicht gesund, aber es schmeckt.“
Auch ein Haarwuchsmittel im oberen Preisbereich sollte offen damit umgehen, dass es teuer ist: „Unser Mittel ist zwar teuer, aber extrem wirksam“ – das wäre die richtige Herangehensweise. Da Haarwuchsmittel den Ruf haben, nicht viel zu bringen, würde das Versprechen, ein wirksames Mittel zu verkaufen, den hohen Preis rechtfertigen.

Ehrlich währt am längsten

Die Persönlichkeit eines Unternehmens lässt sich den Kunden mit einfachen Mitteln nahebringen. Ich selbst sende mit jeder meiner Mails ein Foto von mir mit. So kann sich der Empfänger im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von seinem Ansprechpartner machen. Auf der Unternehmens-Homepage sind ebenfalls alle meine Mitarbeiter zu sehen – vom Geschäftsführer bis hin zur studentischen Hilfskraft. Natürlich zwingt mich niemand, die Positionen öffentlich zu machen. Aber ich mache sie öffentlich und widerstehe dabei der Versuchung, die studentischen Hilfskräfte als festangestellte Mitarbeiter vorzustellen. Denn ich will nicht vortäuschen, dass mein Unternehmen größer ist, als es ist.
Außerdem ist mein Lebenslauf auf der Webseite zu finden. Denn bei jedem meiner potentiellen Kunden bewerbe ich mich praktisch um einen Auftrag. Und ich finde, dass jeder Kunde das gute Recht hat, zu wissen, mit wem er Geschäfte macht.
Meiner Erfahrung nach kommt eine authentische Persönlichkeit immer positiv rüber. Wer zum Beispiel Dialekt spricht, sollte nicht versuchen, krampfhaft Hochdeutsch zu formulieren. Sich zu verstellen, nützt in der Regel gar nichts. Der regionale Einschlag wird früher oder später trotzdem durchschimmern. Vielmehr sollte er die Möglichkeit nutzen, mit seinem Dialekt authentisch zu wirken.
Gleiches gilt für Kleidung und Auftritt. Natürlich tritt man im Geschäftsleben mit Anzug und Krawatte auf. Und ja, es ist selbstverständlich, den Dresscode einzuhalten. Doch dazu müssen nicht die goldenen Manschettenknöpfe oder die dicke Rolex gehören, wenn diese nicht zur eigenen Persönlichkeit passen. Innerhalb des Dresscodes gibt es meistens genügend Spielraum, die eigene Individualität auszudrücken. Wichtig ist dabei nur, die positiven Elemente der Persönlichkeit hervorzuheben. Denn daraus bildet sich das Image im Kopf des Kunden.
Bei aller Ehrlichkeit ist es also wichtig, die Kontrolle über den Prozess der Imagebildung zu behalten. Gut kontrollierbar sind die Aspekte der Persönlichkeit, die nach außen getragen werden. Diese zeigt sich zum Beispiel im Sprachstil und in der Tonalität der Mails, die man versendet. Hier besteht allerdings ein Graubereich. Der Absender kann nicht vollkommen beeinflussen, wie seine Botschaft beim Empfänger ankommt. Gerade Mailtexte werden von Kunden manchmal falsch verstanden. Seriös und angemessen ist es, auf ein solches Missverständnis ehrlich und authentisch zu reagieren. Es genügt ein Hinweis wie: „Tut mir leid, dass da etwas falsch rübergekommen ist. Danke für den Hinweis, andere Kunden haben das vielleicht auch falsch interpretiert. Ich werde dies klarstellen.“

Das Gesicht nach außen

Für Unternehmen wird es zunehmend wichtiger, ein positives Image auszustrahlen. Denn das Image wird heute viel bewusster wahrgenommen: Im Internet können die Kunden ihre Eindrücke über ein bestimmtes Unternehmen austauschen – im Positiven wie im Negativen.
Außerdem sind die Märkte gesättigt. Früher hatte der Kunde bei Erfrischungsgetränken die Wahl zwischen Cola, Pepsi und Sinalco. Heute werben eine Menge mehr Marken um seine Aufmerksamkeit. Je geringer die objektiven Unterschiede zwischen den Produkten sind, desto mehr Bedeutung bekommen die subjektiven, also das Lebensgefühl, mit dem die Produkte aufgeladen sind.
Inzwischen hat die Bedeutung des Images sogar noch weiter zugenommen: Kunden möchten mit Menschen zusammenarbeiten, die auf ihrer Wellenlänge liegen. Sie werden immer sensibler und stellen angesichts des riesigen Angebots immer höhere Ansprüche. Statt Cola oder Pepsi werden sie vielleicht Bionade bestellen, wenn sie sich als Vertreter eines nachhaltigen Lebensstils einschätzen. Der Geschmack spielt dabei eine untergeordnete Rolle, es geht um das Lebensgefühl, das das Getränk vermittelt.
Emotionen spielen eine große Rolle, vor allem aber der Wunsch, in einer weitgehend technisierten Welt als Mensch wahrgenommen zu werden. Die Kunden möchten einem Ansprechpartner in die Augen sehen, und nicht von einer seelenlosen Maschine abgefertigt werden.
Jemand, der sagt: „Ich bin schon seit 30 Jahren Kunde bei Ihnen“, möchte ein Lob für seine Markentreue hören. Er erwartet eine Antwort im Stil von: „Das ist ja großartig, dass Sie schon so lange zu uns kommen.“ Diese Antwort gibt ihm die Gewissheit, dass er nicht nur als ein Kunde unter vielen, sondern als ein ganz besonders treuer Stammkunde behandelt wird. Er möchte also nicht nur das Unternehmen als Persönlichkeit auffassen, sondern auch selbst als Persönlichkeit wahrgenommen werden.
Sogar im Gasthof sind die Gäste anspruchsvoller geworden. Sie sind gut informiert und lassen sich nicht mehr abfertigen mit Sprüchen wie „Draußen nur Kännchen“. Heute gehören Cappuccino, Espresso, Latte Macchiato etc. neben dem normalen Kaffe zu einem ordentlichen Angebot einfach dazu – egal ob drinnen oder auf der Terrasse.
Erfolgreiche Firmen beherzigen diese Wünsche. Und sie machen sich diese Haltung bewusst zunutze. Denn sie wissen: Wenn sie die richtige Ausstrahlung haben, werden Kunden gerne bei ihnen einkaufen. Der Kunde wählt die Unternehmen aus, bei denen er sich verstanden fühlt.

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