Warum ohne persönliche Ansprache nichts mehr läuft
Das Internet birgt eine Fundgrube an Informationen. Es ersetzt Telefonbuch, Adressbuch, Datenbanken und teure Umfragen: Denn im Internet geben viele Menschen freiwillig persönliche Informationen über sich preis. Diese Informationen können genutzt werden, um die Menschen individuell anzusprechen. Damit wird Public Relations zum Auslaufmodell.
Das Vorgehen der klassischen PR-Agenturen ist etwa so effektiv, als würden Sie auf der Suche nach außerirdischem Leben ungerichtet Signale ins All senden: Sie funken und warten ab, ob jemand zuhört. Ein durchschnittlicher fest angestellter Redakteur bekommt an die 1.000 Pressemitteilungen – pro Tag. Die landen nicht etwa in der Zeitung, sondern im Papierkorb.
Unter Public Relations wird jede Form der interessengeleiteten Information verstanden, sie umfasst also weit mehr als die reine Produktwerbung. Ihr Ziel ist es, Sympathie für eine Organisation, ein Unternehmen oder ein Produkt zu wecken und so ein günstiges Umfeld zu schaffen. Sie versucht in einem aufwendigen Verfahren, positive Informationen über den Auftraggeber in der öffentlichen Meinung zu verankern. Dazu werden die klassischen Medien mit den entsprechenden Informationen versorgt. Die Abdruck- bzw. Senderaten sind jedoch in der Regel gering. Die Redakteure seriöser Medien sind sich der PR-Maßnahmen bewusst und versuchen diese zu ignorieren. Die meisten PR-Maßnahmen sind sehr teuer und wenig zielgerichtet. Auch sie funktionieren nach dem Gießkannenprinzip.
Das Internet mit seiner Transparenz an Daten und persönlichen Informationen liefert uns heute ein neues Instrument, um Public Relations durch Personal Relations abzulösen. Grundvoraussetzung für Personal Relations ist es, dass eine persönliche Beziehung vom Sender zum Empfänger aufgebaut wird, und zwar eine positive persönliche Beziehung. Denn nur diese helfen uns weiter. Persönliche Beziehungen können schließlich auch negativ geprägt sein, etwa durch Neid, Missgunst, Ablehnung oder reine Antipathie. – Wir aber wünschen uns eine positive, vertrauensvolle Beziehung des Senders zum Empfänger, damit der Empfänger dem Sender und dessen Botschaft vertraut. Denn Vertrauen ist das A und O der Glaubwürdigkeit.
Der erste Schritt der Personal Relations besteht also darin, die richtigen Empfänger auszuwählen. Denn gelungenes Marketing arbeitet infusionär, nicht inflationär. Um in diesem Beispiel zu bleiben: Für eine Infusion sucht die Krankenschwester zunächst die richtige Vene.
Um die Botschaft an den richtigen Platz zu bringen, sucht Personal Relations zunächst nach dem richtigen Empfänger. Dazu studiert der Sender die Webseite und alle Veröffentlichungen des Unternehmens, das er ansprechen will: Wer ist zuständig für welche Geschäftsbereiche? Wer ist der richtige Ansprechpartner für mein Anliegen? Er stellt sich zusätzlich detailierte Fragen: Welche Ziele hat dieser Ansprechpartner vermutlich? Und was will er auf keinen Fall? Darin besteht die Basisarbeit eines gelungenen Marketings – es kann langweilig und aufwendig sein, ist aber unerlässlich.
Im Internet sind die Profile der Menschen, die wir ansprechen wollen, öffentlich erkennbar. Zunächst werden wir uns also anhand dieser Profile über die Ansprechpartner informieren – sind dies wirklich die potentiellen Kunden, die ich mir wünsche?
Wer mag was?
Um die Frage der Vorlieben zu entscheiden, muss ich mehr über die Menschen wissen, die ich erreichen will. Nichts leichter als das: Einträge in Facebook, XING, Presseartikel in Google und andere Informationen, die im Internet frei verfügbar sind, liefern eine Datenbasis, die den einzelnen meist sehr genau beschreibt. Diese Datenbasis wird jeden Tag umfangreicher. In zehn Jahren wird die Datenbasis so groß sein, dass sie die Lebensgeschichte jedes einzelnen Menschen widerspiegelt. Und die seines sozialen Netzwerks dazu.
Heutzutage machen die Menschen ihre Vorlieben öffentlich. Das ermöglicht es, sie persönlich anzusprechen. Aus Zielgruppen werden Zielpersonen. Die Zielpersonen der Personal Relation.
Solche Zielpersonen über Anzeigenkampagnen anzusprechen, wäre immens teuer, da die Streueffekte zu groß sind. Untersuchungen zeigen, dass sich viele Menschen an eine bestimmte Kampagne erinnern, aber gar nicht wissen, welches Produkt damit beworben wurde. Falls sie die Kampagne überhaupt verstanden haben. So wurde der Werbeslogan „Come in and find out“ der Parfümeriekette Douglas von einer großen Mehrheit als „Komm rein und find wieder raus“ interpretiert – die Kampagne war ein Schlag ins Wasser, obwohl sie aufwendig inszeniert war und den Auftraggeber viele Millionen kostete.
Heute bestimmt nicht mehr das Werbebudget über den Erfolg einer Werbekampagne, sondern die Idee, die dahinter steckt. Simple Filmchen auf YouTube, die eine witzige Werbung transportieren, werden zigtausendmal angeklickt. Ein Video, in dem eine Frau einen zudringlichen Mann mit dem dicken Katalog des Versandhauses Otto auf den Kopf schlug, wurde wie ein guter Witz unter Freunden weiterempfohlen und erreichte hohe Abrufzahlen. Wenn die Idee einer Kampagne stimmt, reden die Leute darüber. Das Beste daran: Ideen kosten nichts.
Empfehlungsmarketing spielt also eine immer größere Rolle. Früher hörten die Menschen darauf, was ihre zwei, drei Freunde ihnen erzählten. Heute sind sie im Internet mit viel mehr Menschen vernetzt – Empfehlungen werden sehr schnell und an sehr viele Freunde weiter gereicht. Der erhobene Daumen in Facebook ist leicht angeklickt. Wer etwas verkaufen möchte, tut daher gut daran, die Erwartungen seiner Kunden nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Nur dann werden sie ihre sozialen Netze aktivieren und ihn weiter empfehlen.
Wer viele solcher Kontakte hat, die ihn weiterempfehlen, erspart sich eine teuere Werbekampagne. Wie aber kommt diese Vielzahl an Kontakten zustande? Wer mit Hilfe der sozialen Netzwerke und der Internetprofile potentielle Ansprechpartner gefunden hat, sollte sich nicht scheuen, einen Anlass zu suchen und den ersten Schritt zu unternehmen, um einen Kontakt aufzubauen.
Denn wir wissen: Menschen sind soziale Wesen und grundsätzlich daran interessiert, mit anderen zu kommunizieren.
Wie eine Beziehung entsteht
Zur Personal Relation gehört es, sich Gedanken über die Bedürfnisse und Probleme des Adressaten zu machen, bevor Sie ihn ansprechen und mit Informationen versorgen. Nur wer seine Hausaufgaben gemacht hat und genügend über den Adressaten weiß, kann seine Personal Relations-Kampagne starten. Der Ansprechpartner erhält nun kontinuierlich Informationsangebote. Diese Phase kann einige Monate oder sogar jahrelang dauern, bis die persönliche Beziehung so stark gewachsen und belastbar ist, dass eine geschäftliche Beziehung entstehen kann.
Personal Relation ist kein Gegenpol zu Public Relation. Die Grenzen sind vielmehr fließend. Personal Relation ist gut gemachte Public Relation. Allerdings sollte zwischen klassischer PR und Online-PR unterschieden werden. Beide Formen sollten sich idealerweise ergänzen. PR ist und bleibt ein wichtiges Instrument des Marketing. Gut geschriebene Pressemeldungen werden teils eins zu eins übernommen – Voraussetzung ist allerdings, dass der Redakteur Vertrauen in den Absender hat.
Ich behandele die Redakteure, die über mein Fachgebiet schreiben, genauso aufmerksam wie meine Kunden. Die Journalisten wissen: „Was vom Nabenhauer kommt, ist kein Spam“. Meine Pressemitteilungen werden nicht als werblich wahrgenommen, weil sie Informationen enthalten, die nicht interessengeleitet sind und dem Empfänger nutzen. Das erhöht die Abdruckrate immens.
Vertrauen zählt
Personal Relation kann auf eine einfache Formel gebracht werden: Personal Relation ist PR plus Vertrauen. Ein Empfänger einer Werbebotschaft unterscheidet nicht zwischen Public Relation oder Personal Relation. Er fragt lediglich danach, wie stark er dem Absender der Botschaft trauen kann. Der Absender muss nicht unbedingt eine Person sein, es kann sich auch um ein Unternehmen, um Führungskräfte oder Mitarbeiter einer Firma handeln. Auch Vertrauen in Produkte kann auf diesem Weg aufgebaut werden. Wenn ein Produkt oder ein Absender mehrmals als Qualitätsanbieter wahrgenommen wurde, baut sich langsam Vertrauen auf. Bekannten Produkten oder Menschen wird eher Vertrauen entgegen gebracht. Dieses Vertrauen lässt sich durch geeignete Maßnahmen noch steigern.
Vertrauen entsteht, wenn aus sporadischen Kontakten stetige Kontakte werden. Der erste Moment der Kontaktaufnahme erfordert besonderes Fingerspitzengefühl. Es reicht nicht, einfach jemanden anzurufen und zum Geburtstag zu gratulieren. Der Angerufene wird sich fragen, woher sein Geburtstag bekannt ist: Der Zweck des Anrufs ist zu offensichtlich. Ein ungebetener, bisher unbekannter Anrufer wird als aufdringlich empfunden. Daher ist es wichtig, für die erste Kontaktaufnahme einen Anlass zu finden, der angemessen ist.
Denken Sie dabei an den Adressaten: Wer eine Information besitzt, die den Empfänger wahrscheinlich interessiert, hat gute Karten. Ist dieser erste Schritt getan, wird der weitere Kontakt leichter. Die Kontakte sollten in moderaten zeitlichen Abständen wiederholt werden, bis sie Normalität erreichen und eine Beziehung entstanden ist, die weiter wachsen kann.
Personal Relations ist also nicht beendet, wenn ein Kontakt hergestellt wurde. Sie fängt damit erst an. Denn Beziehungen müssen gepflegt werden, durchaus auch auf persönlicher Ebene. Wenn die Beziehung gewachsen ist, können Sie sich informieren, wie die Ehefrau oder der Partner des Ansprechpartners heißt und wann sie oder er Geburtstag hat. Dann bietet es sich an zu gratulieren oder eine Aufmerksamkeit zu schicken. Diese eher privaten Informationen können entscheidend sein, um der Zensur der Vorzimmerdame zu entgehen. Einen Anrufer mit der Bitte „Ich will nur kurz gratulieren“ wird die Sekretärin gerne durchstellen.
Eine persönliche Beziehung schafft also Vertrauen – und Vertrauen erhöht die Glaubwürdigkeit des Absenders.
Experten verkaufen besser
Besonders glaubwürdig erscheinen Menschen, die als Experten wahrgenommen werden. Daher ist es erstrebenswert, einen Expertenstatus aufzubauen.
Ich selbst habe in den vergangenen Jahren nichts anderes getan, als gezielt meinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Diesen habe ich aktiv beeinflusst, indem ich zum Beispiel auf meiner Webseite ein Verpackungslexikon aufgebaut habe. Als Herausgeber dieses Lexikons habe ich mich nun als Experte für die Verpackungsindustrie profiliert.
Nicht anders arbeiten Stars: Das Management von Michael Jackson hat durchgesetzt, dass Radiostationen ihn als King of Pop ankündigen. Das ist klassische Public Relation. Irgendwann gingen die Radiomoderatoren dazu über, ihn automatisch als King of Pop zu bezeichnen.Der Begriff hat sich verselbstständigt und ist zu einem Synomym für Michael Jackson geworden. Er hatte sich einen Status als King geschaffen, als Experte für Pop. Damit übte er eine Machtposition aus. Dies ist Personal Relation. Das Beispiel zeigt: Irgendwann gehen Personal Relations und Public Relations ineinander über.
Der Expertenstatus verleiht Macht und bürgt dafür, dass die Menschen Vertrauen in den Experten setzen. Wenn ich als Experte für die Verpackungsindustrie heute behaupte, dass die Preise für Verpackungen demnächst steigen werden, ist das glaubwürdig. Mit einer solchen Information schaffe ich Mehrwert für meine Kunden. Meine Strategie zielt darauf ab, weiter an Vertrauen und Bekanntheit zu gewinnen, nicht aber darauf, das Verhalten meiner Kunden zu ändern.
Das Internet ist wie geschaffen dafür, einen Expertenstatus aufzubauen. Dazu genügt es nicht, einen Blog zu schreiben, zu twittern oder als Mitglied bei Facebook angemeldet zu sein. Denn die Nur-Senden-Mentalität gehört zum alten Denken. In der Welt des Mitmach-Internets geht es darum, interessante Inhalte zu schaffen und dann gezielt zu überlegen, auf welchem Kanal diese gesendet werden. Eignet sich besser Print oder Twitter, You Tube oder Facebook? Auf welchem Kanal erreiche ich die Menschen, die ich mit meiner Botschaft ansprechen möchte?
Heutzutage sind die Menschen daran gewöhnt, jederzeit auf alle Dinge zugreifen zu können. Im Netz sind Filme oder Musiktitel rund um die Uhr erreichbar, auch nach Ladenschluss und am Wochenende. Deshalb müssen Angebote heute auf allen Kanälen zu finden sein. Denn wenn der Nutzer eine Information oder eine Ware nicht auf Anhieb bekommen kann, wird er sie bei einem anderen Anbieter suchen.
Experten trumpfen mit einer Karte auf, die “Bekanntheit” heißt. Denn der Mensch orientiert sich gerne an Bekanntem und scheut das Unbekannte. Vor der Wahl zwischen einer Milka- und einer Noname-Schokolade werden die meisten Verbraucher die Markenschokolade wählen, einfach, weil sie den Namen kennen und dieser ihnen Vertrauen einflößt. Daher ist es das Ziel eines Experten, allgemein bekannt zu sein. Der Expertenstatus gekoppelt mit dem Bekanntheitsgrad sorgt für hohes Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Anders ausgedrückt: Wenn ich in einem bestimmten Bereich Vertrauen genieße, bin ich automatisch der Experte für diesen Bereich.
Ein Beispiel für erfolgreiches Personal Marketing lieferte Timothy Ferriss, ein amerikanischer Publizist und Unternehmer, der sein Buch “Die Vier-Stunden-Woche” erfolgreich an die Spitze der Bestsellerlisten katapultierte. Er startete damit, dass er Kontakt zu Bloggern aufnahm, diese persönlich traf und ihnen das Buch zusandte – ausdrücklich ohne um eine Rezension zu bitten. Die Blogger griffen die Ideen des Buches auf und berichteten darüber, so dass Ferriss’ Werk ohne weitere PR sehr erfolgreich wurde. Das sind angewandte Personal Relations. Ferriss identifizierte die Blogger als Ansprechpartner, er baute Beziehungen auf und nutzte diese in seinem Sinn. Entscheidend war dabei, dass die Blogger freiwillig die Rezensionen posteten. Denn Blogger sind der klassischen PR gegenüber besonders kritisch eingestellt.