Vielen persönlich bekannt oder persönlich Vielen bekannt?

Warum Leuchtturm-Unternehmen mit ihren Kunden im Dialog stehen

Was ist erfolgversprechender: Wenn ein Lehrer vor der versammelten Elternschaft über die Unarten seiner Klasse klagt oder wenn er mit jedem Elternpaar die Besonderheiten des jeweiligen Schülers bespricht? Vermutlich die zweite Variante. Denn Einzelgespräche sind persönlich und können persönlich geführt werden. Das gleiche gilt für die Wirtschaft: Unternehmen erfahren viel mehr über die Ansprüche und Erwartungen ihrer Kunden, wenn sie mit ihnen in Dialog treten. Dank des Internets ist es ein Kinderspiel geworden, die Kunden direkt anzusprechen. Deshalb nutzen immer mehr Unternehmen die neuen technischen Möglichkeiten.
Kommunikation ist heute keine Einbahnstraße mehr. Sie funktioniert nach anderen Regeln als noch vor ein paar Jahren. Werbliche Kommunikation war früher nach dem Muster „one-to-many“ gestrickt: Ein Unternehmen verkündete seine Werbebotschaft und viele lauschten. Doch dieses Modell ist längst überholt. Viel verbreiteter ist heute die „eins-zu-eins“-Kommunikation, das heißt, dass ein Unternehmen direkt zu seinen jeweiligen Kunden spricht.
Soziale Netzwerke bieten eine ideale Plattform sowohl für „one-to-many“- als auch für „one-to-one“-Kontakte. Wenn ein Moderator eine Mitteilung an eine Gruppe von Abonnenten, an seine Follower, Fans oder Freunde sendet, dann entsteht eine „one-to-many“-Situation. Wenn aber ein Empfänger der Nachricht dem Moderator direkt antwortet oder von sich aus Kontakt zu ihm aufnimmt, kommuniziert er nach dem Muster „one-to-one“. Denn der Kontakt ist direkt, individuell und persönlich. Diese Sprünge, die in den sozialen Netzwerke möglich sind, zeigen: In Wirklichkeit sind die beiden Kommunikationsformen nicht so scharf voneinender getrennt. Sie existieren nicht nebeneinander, sondern gehen fließend ineinander über.
Auch auf Blogs finden sich Mischformen der beiden Kommunikationsarten. Wenn ein Blogger auf den Kommentar eines Lesers antwortet, richtet er sich zwar persönlich an diesen einen Leser, aber seine Antwort ist auch für alle anderen Blog-User sichtbar. Die „one-to-one“-Kommunikation ist also gleichzeitig eine „one-to-many“-Kommunikation. Ähnliches gilt für die Internet-Foren. Ein Forumsmitglied stellt eine Frage, auf die andere antworten – jeder kann den Dialog verfolgen und seinerseits kommentieren.

Eine anonyme Gemeinschaft von Nickname-Trägern

Ob auf Facebook, bei Twitter oder auf Internet-Foren: Überall dort, wo eine „one-to-many“-Kommunikation möglich ist, wollen manche ihre Identität bedeckt halten. Deshalb laufen etwa die Dialoge auf den Foren weder anonym noch personalisiert ab, sondern in der Regel in einer dritten Form: per Nickname. Jedes Forumsmitglied wählt sich einen fiktiven Namen, unter dem er im Forum bekannt sein möchte. Unter jungen Internet-Usern ist dies eine völlig normale und akzeptierte Umgangsform, während ältere Leute auch im Internet eher unter ihrem bürgerlichen Namen auftreten.
Selbst die Kommunikation per Mail bietet die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Denn meine Mail muss nicht immer Vorname-Nachname@provider lauten, sie kann auch Userxyz@provider heißen.
Damit stellt sich auch für Unternehmen die Frage: Welche Form der Kommunikation wollen wir mit unseren Kunden pflegen?

Die meisten Unternehmen streben heute danach, zu jedem einzelnen Kunden den direkten Kontakt herzustellen. Daher steht sogar auf jedem Joghurt-Becher eine Telefonnummer, die der Kunde bei Wünschen oder Beschwerden anrufen kann. Durch Umfragen wird versucht, persönlich mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Waren Umfragen in der Regel früher anonym, wird der Kunde heute immer um die Angabe seiner Kontaktdaten gebeten. Oder es werden Preise verlost, um unter diesem Vorwand die Adressdaten der Kunden zu erhalten und diese dann direkt anzusprechen.
Doch die „one-to-one“-Kommunikation ist nicht der einzige Weg, einen guten Draht zum Kunden aufzubauen. Eine große Chance, Kundenzufriedenheit zu erzeugen, liegt darin, auf die Fragen der Kunden öffentlich zu antworten. Einige Unternehmen unterhalten daher eigene Foren oder veröffentlichen zumindest häufig Informationen auf einer FAQ-Seite.
Sogar Krankenhäuser wählen diesen Weg, da sie immer häufiger mit Mitbewerbern um Patienten konkurrieren. So bietet etwa eine auf Tinnitus-Behandlung spezialisierte Klinik den Patienten ein online-Forum, das von den Ärzten der Klinik moderiert wird. Den Patienten wird damit ein Raum geboten, in dem sie ihre Erfahrungen austauschen können.
Auch Anbieter von Software oder Host-Provider richten häufig Foren ein. In diesen Foren geben die Kunden ihre Erfahrungen weiter, zum Beispiel, wie eine Software auf einem seltenen Betriebssystem wie Linux läuft. So helfen sich die Kunden untereinander. Auf diese Weise profitiert nicht nur derjenige, der die Frage gestellt hat, sondern auch andere Kunden.
In diesem Fall ist die „one-to-many“-Kommunikation im Forum der „one-to-one“-Kommunikation deutlich überlegen: Denn wenn die Fragen in Mails oder bei einem Telefonat beantwortet würden, hätten andere Kunden nichts davon. Ein solcher Service ist einfach zu realisieren – und trägt unweigerlich zu einem positiven Markenbild bei. Die Kunden fühlen sich ernst genommen und verstanden, denn das Unternehmen geht auf ihre Fragen ein. Zudem bleibt die Möglichkeit bestehen, zum Hörer zu greifen und das Unternehmen anzurufen.
Mit der Kommunikation über Foren signalisiert ein Unternehmen, dass es sich für seine Kunden interessiert. Diese spüren das und so entsteht eine ganz neue Qualität der Beziehung.

Aus Fehlern lernen

Im Internet spricht sich alles schnell herum. Auch Kritik an einem Produkt oder Unternehmen. Die User twittern, wenn sie sich über etwas ärgern, sie schreiben negative Erfahrungsberichte und geben schlechte Bewertungen ab. Früher musste ein unzufriedener Kunde seinen Ärger über ein Produkt oder ein Unternehmen herunterschlucken. Allenfalls erzählte er seinen Bekannten davon. Wer so weit ging, dass er sich bei einem Hersteller direkt beschwerte, musste sich allzu oft für seine Kritik rechtfertigen. Doch damit ist Schluss. Denn heute kann der unzufriedene Kunde übers Internet in alle Welt herausposaunen, was ihn an welchem Produkt genau stört.
Das mag zunächst erschreckend klingen. Für die Unternehmen liegt darin aber eine große Chance. Denn der Ärger eines Kunden ist eine Art Hilferuf: Der Kunde beschwert sich und will ernst genommen werden! Und das Unternehmen kann sich glücklich schätzen: Aus der Kritik des Kunden kann es lernen, was es künftig zu verbessern gilt.
Früher stimmten die Kunden mit den Füßen ab: Sie kauften einfach woanders. Das Unternehmen erfuhr nichts davon, außer, dass eventuell die Verkaufszahlen sanken. Heute haben die Unternehmen die Chance, die Gründe für die

Unzufriedenheit ihrer Kunden zu erfahren. Sie müssen nur lernen, mit der Kritik richtig umzugehen.
Ein Unternehmen, das sich auf die Kommunikation mit seinen Kunden einlässt, sollte gut vorbereitet sein. Wer die Gepflogenheiten der Neuen Medien nicht kennt, verursacht schnell ein Kommunikations-Desaster. Die Deutsche Bahn etwa landete einen Fehlstart mit ihrem Facebook-Auftritt. Statt Fans zu gewinnen, erntete sie eine Menge negativer Kommentare. Die Facebook-User ließen ihrem Ärger über unpünktliche Züge und den geplanten Bahnhofsumbau in Stuttgart freien Lauf. Wie reagierte die Deutsche Bahn? Gar nicht. Nach neun Stunden Facebook-Mitgliedschaft hatte die Bahn insgesamt 37 Posts, von denen sie nur sechs selbst geschrieben hatte. Dabei hatte sie nur ein einziges Mal auf den Post eines Users geantwortet. In Blogger-Kreisen machte sich das Unternehmen damit völlig lächerlich, denn die Gepflogenheiten im Internet erfordern eine dauernde Präsenz und zeitnahes Antworten.
Das Beispiel Deutsche Bahn zeigt: Unternehmen können sich nicht mehr leisten, Fehler einfach auszusitzen, zu vertuschen oder die Kritik der Kunden zu ignorieren. Denn mit dem Internet haben diese ein mächtiges Werkzeug an der Hand, mit dem sie ihre Meinung auf der ganzen Welt verbreiten können. Deshalb reagieren Unternehmen inzwischen durchaus sensibel auf die Kritik ihrer Kunden.
Als bei einem bestimmten Toyota-Modell in den USA die Fußmatte unter das Gaspedal geraten konnte, worauf das Gaspedal verklemmte, reagierte der Autohersteller mit einer weltweiten Rückrufaktion. Weiterhin wurden acht Millionen Autos auf dem ganzen Globus auf Kosten Toyotas in Werkstätten untersucht.

Der gute Ruf im Internet

Nicht nur Kritik, auch Lob spricht sich im Internet schnell herum. Darin liegt eine noch größere Chance für Unternehmen: Wer in einem sozialen Netzwerk empfohlen wird, hat in Sachen Glaubwürdigkeit schon gepunktet.
Wem würden Sie eher vertrauen: einem Werbespot oder der Empfehlung eines Bekannten aus dem gemeinsamen sozialen Netzwerk im Internet? Die Empfehlungen von Bekannten sind meist die, denen man eher glaubt. Daher ist es für Unternehmen unerlässlich, in den Netzwerken präsent zu sein und viele Bekannte zu gewinnen.
Für jedes Fachgebiet gibt es inzwischen spezialisierte Internet-Foren. Die User, die häufig in einem Forum aktiv sind, können sich gegenseitig ziemlich gut einschätzen, da die Art der Postings einiges über die Absender verrät. Dadurch gewinnen die Informationen in den Foren einen noch höheren Wert: Selbst wenn die User sich nicht persönlich kennen, können sie doch einschätzen, wem zu vertrauen ist. Wenn ein User, der immer zuverlässige Informationen sendet, nun den Namen Ihres Unternehmens positiv bewertet und Ihre Produkte empfiehlt, hat das einen höheren Wert als eine Anzeige, die einfach überblättert wird.
Auch in den Neuen Medien gelten die Regeln der Etikette. Dazu gehört, die Kunden zu beachten und ernst zu nehmen. Keine Resonanz zu bekommen ist unangenehm – und jeder hasst diese Situation. Daher sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dem anderen zuzuhören. Doch gerade bei der Online-Kommunikation wird diese simple Regel häufig missachtet.
Für Unternehmen bedeutet Zuhören: die eigene Zielgruppe im Internet kennenzulernen. Wie verhalten sich die potentiellen Kunden dort? In welchem Stil kommunizieren sie miteinander? Welche Fragen und Probleme bewegen sie? Ein Unternehmen, das seine Kunden kennt, wird erfolgreicher sein als der ignorante Mitbewerber, denn eskann seine Kommunikation an die Wünsche der Kunden anpassen. Pflegen die Kunden einen eher lässigen Stil, kann das Unternehmen sich auch in diesem Ton an sie wenden.
Ein Unternehmen muss nicht mühsam das gesamte Internet nach Kunden durchforsten. Vielmehr kann es mit Hilfe der Neuen Medien selbst die Plattformen schaffen, auf der es mit seinen Kunden kommuniziert. So ist es relativ einfach, auf XING eine Gruppe zu einem Thema einzurichten, das zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört. Für mein Verpackungsunternehmen habe ich beispielsweise die XING-Gruppe „Folienverpackungen“ geschaffen. Diese moderiere ich und daher kenne ich meine Kunden.
Wer für seinen Teil der Wirtschaft kein Forum findet, tut gut daran, eines zu gründen. Als Betreiber eines Forums profiliert er sich wiederum und steigert seine Bekanntheit.
Allerdings gibt es Ausnahmen. Unternehmen, die ein Produkt vertreiben, das besonders tabuisiert oder exklusiv ist, sollten sich nicht auf die „one-to-many“-Kommunkation per Plattform verlassen. Hier ist vielmehr das „one-to-one“-Gespräch angesagt. Denn niemand möchte öffentlich etwa über Kondome diskutieren. Auch der Maybach-Fahrer möchte anonym bleiben. Denn als Nutzer eines elitären Produkts möchte er keinen Neid zu erzeugen, indem er die Aufmerksamkeit der Massen erregt. Außerdem hält er sich ohnehin für so wichtig, dass er eine individuelle Kommunikation erwartet. Daher sollte er vom Unternehmen unter allen Umständen persönlich angesprochen werden.
In der Wirtschaft ist es also wie beim Elternsprechtag: Manches sollte am besten für alle geklärt werden. Anderes wiederum gehört nicht an die Öffentlichkeit. Die Eltern des Klassenclowns wollen nicht vor den anderen Eltern ermahnt werden, ihren Nachwuchs besser unter Kontrolle zu bekommen. Aber wann die Zeugnisse ausgegeben werden, sollten alle erfahren dürfen.

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