Bekannte hoch zwei

Warum Bekannte zweiter Ordnung so effektiv sind

Sie können 62.500 Vertriebsmitarbeiter beschäftigen, die Ihre Endkunden und deren Bedürfnisse bestens kennen. Wie das? Ganz einfach: Jeder Mensch hat durchschnittlich 250 Bekannte. Diese Bekannten haben wiederum 250 Bekannte. 250 hoch zwei oder 250 mal 250 ergibt 62.500 Kontakte, die Sie nutzen können.
Diese vielversprechende Möglichkeit ist erst durch das Internet entstanden. Früher kannte ich die Bekannten meiner Bekannten nicht oder nur aus deren Erzählungen. Heute sind die Kontakte meiner Bekannten in den sozialen Netzwerken sichtbar, ein Klick genügt und ich lande auf deren Profil. Diese Transparenz verschafft dem Marketing völlig neue Perspektiven. Wir können die Kontaktnetzwerke nun aktivieren, um unsere Angebote weiter zu empfehlen. Natürlich sind dabei einige Spielregeln zu beachten.
Zunächst ein Negativ-Beispiel, ein Exempel, wie es gerade nicht funktioniert: Ich erhielt vor einiger Zeit den Anruf eines Kunden, der mir erzählte, jemand habe sich bei ihm als ein enger Bekannter von mir ausgegeben. Der Kunde war jedoch stutzig geworden, weil dieser Mensch meinen Namen verwechselte, er sprach von Norbert und nicht von Robert Nabenhauer. Als ich hörte, um wen es sich handelte, musste ich lachen: „Das ist kein Bekannter von mir, das ist einer meiner Mitbewerber.“ Der Anrufer war froh, mir davon erzählt zu haben. Und enttäuscht, dass er hintergangen worden war. Er sagte: „Dieser Mensch ist für mich gestorben.“
Heute wird es schwieriger, sich als Bekannter von irgendjemanden auszugeben, da die sozialen Netzwerke im Internet einsehbar sind. Zudem kann per Mail schnell nachgefragt werden, ob eine angebliche Referenz echt ist.
Die Bekanntschaften hoch zwei können genutzt werden, aber nicht die Bekanntschaft hoch x. Es wird behauptet, dass alle Menschen über nur 20 Ecken miteinander verwandt sind. Trotzdem könnte nun nicht jeder daher kommen und etwa Barack Obama anrufen – mit dem Hinweis auf eine weitläufige, abstrakte Verwandtschaft. Wenn jemand aber den persönlichen Assistenten von Obama kennt, würde dieser Zwischenschritt ausreichen, um an den Präsidenten heranzutreten. Die Aussage „wir haben einen gemeinsamen Bekannten“ schafft sofort Nähe und Vertrautheit.

Bekannte gewinnen

Wer ist überhaupt mein Bekannter? Zu einem Bekannten besteht eine emotionale Bindung. Diese emotionale Nähe hat zunächst einmal nichts mit örtlicher Nähe zu tun. Mein Cousin fünften Grades kann zwei Häuser weiter wohnen, dennoch ist er mir weniger vertraut als der eigene Bruder, der in einer anderen, weit entfernten Stadt lebt.
Auch Menschen, die ich nicht persönlich kenne, können meine Bekannten sein. Ich habe zum Beispiel einige witzige Videos auf meinem Rechner gespeichert. Die meisten dieser Videos hat mir jemand geschickt, den ich noch nie gesehen habe. Dennoch ist mir der Absender vertraut: als die Person, die immer die witzigen Videos schickt. Vielleicht stammen einige der Videos auf meinem Computer sogar von jemand anders, doch da ich gewohnt bin, humorvolle Videos immer von dem gleichen Absender zu bekommen, ordne ich diesem auch die wenigen anderen Filmchen zu, die aus anderer Quelle stammen. Für mich wirkt der Versender der Komik-Videos wie ein direkter Bekannter.

Auch mit Bekannten, die wir schon einmal getroffen haben, sind wir nicht unbedingt vertrauter als mit jemanden, den wir aus unserem geschäftlichen Umfeld kennen. Denn ein Schulkamerad, mit dem wir vor 30 Jahren die gleiche Schulbank drückten, den wir aber nur noch alle zehn Jahre beim Abitreffen sehen, weiß wenig über unseren aktuellen Alltag. Ein Kollege hingegen, den wir nur aus einem beruflich orientierten Forum kennen, kann uns sehr vertraut vorkommen.
Entscheidend ist also die Vertrautheit, nicht die Tatsache, ob man sich schon einmal real begegnet ist.

Schwache Bindungen, starke Netzwerke

Die Beziehungen zu den Bekannten meiner Bekannten sind zwar nicht gerade intim, dennoch sind die sozialen Netzwerke belastbar und effektiv. Jemanden zu kennen, muss nicht immer eine persönliche Bekanntschaft bedeuten. Zum einen sind Bekannte Menschen, die wir mal getroffen haben, die aber nicht unsere Freunde sind. Zum anderen spricht man von Bekannten im Sinne von „bekannter Experten für etwas.“
Unternehmen können sich die sozialen Netzwerke zunutze machen, indem sie Empfehlungsmarketing online betreiben. Systematisch wird diese Methode von den sozialen Netzwerken selbst genutzt. XING etwa verleiht allen Mitgliedern, die weitere Mitglieder werben, einige Monate kostenlose Premium-Mitgliedschaft.
Doch im allgemeinen wird das Marketing über die Bekannten der Bekannten unterschätzt. Dabei eignet es sich auch für kleine und mittlere Unternehmen, da es nicht viel Aufwand erfordert und nachgerade preiswert ist. Einfache Werbeinstrumente sind Referenzen oder Rezensionen sowie Gutscheinaktionen.
Referenzen von Kunden bieten auch Dienstleistern eine Möglichkeit, ihr Angebot zu bewerben.
Rezensionen von Publikationen stellen eine Bewertung von unabhängiger Seite dar und werden daher als glaubwürdig wahrgenommen. Wie die Flut an Rezensionen zeigt, werden diese auch gerne geschrieben: Denn viele Menschen haben ein Interesse daran, ihre Meinung mitzuteilen.
Das Teilen von Gutscheinen erhöht das Interesse, die Mitteilung des Absenders wahrzunehmen beziehungsweise weiter zu geben.
Dazu ein aktuelles Beispiel. In einem US-Blog über das Backen fand ich folgende Gutscheinaktion: Der Hersteller von Haushaltswaren schenkte der Bloggerin einen Gutschein über 50 Dollar, mit der Bedingung, in ihrem Blog über die Aktion zu berichten. Außerdem erhielt die Bloggerin einen weiteren Gutschein über 50 Dollar, den sie an einen Leser ihres Blogs weiter geben durfte. Bei einer solchen Aktion gewinnen alle: der Hersteller, weil er bekannter wird. Die Bloggerin, weil sie den Gutschein erhält und gleichzeitig durch die Vergabe des Gutscheins für ihren eigenen Blog wirbt. Der Empfänger des zweiten Gutscheins freut sich ebenfalls: 50 Dollar sind 50 Dollar.
Doch noch sind sich viele Unternehmen der starken Wirkung der online-Netzwerke nicht bewusst. Sie werden noch längst nicht überall strategisch eingesetzt.

Ich selbst hingegen nutze diese Möglichkeit offensiv. Mit einem Newsletter, mit PR und in den sozialen Netzwerken schaffe ich Möglichkeiten für meine Kunden, sich miteinander und natürlich auch über mein Unternehmen zu unterhalten. Dieser Dialog ist ein Service für meine Kunden. Allerdings kann ich nicht ausschließen, dass auch meine Mitbewerber die von mir geschaffenen Plattformen, etwa die Gruppen in XING, für ihre eigene Werbung nutzen. Die Vorteile der Methode überwiegen dennoch.

Bekannte von Bekannten für sich arbeiten lassen

Die sozialen Netzwerke benutze ich für ein systematisches Empfehlungsmarketing. Früher funktionierte Empfehlungsmarketing so: Man fragte einen Bekannten nach zwei Adressen von Leuten, die vermutlich am eigenen Angebot Interesse haben. Dann rief man diese beiden an. Das ist arbeitsaufwendig und wenig Erfolg versprechend.
Heute haben wir andere Möglichkeiten. Die sozialen Netzwerke bieten sich an: Jeder Mittelständler, auch der Handwerker von nebenan kann sie nutzen. Es braucht wenig Grundkenntnisse oder Kapital. Nur den Willen, sich mit diesen neuen Werkzeugen des Empfehlungsmarketings zu beschäftigen.
So könnte etwa ein Klempner jeden Kunden nach getaner Arbeit fragen, ob er mit seinem Service zufrieden war. Wenn 90 Prozent der Kunden zufrieden waren, kann der Klempner damit werben, zum Beispiel auf seiner Homepage: „90 Prozent zufriedene Kunden!“. Wenn sich lediglich die Hälfte der Kunden zufrieden äußerte, sollte er nachfragen, woran das liegt. Dann hat er die Chance, seinen Service zielgerichtet zu verbessern.
Systematisch genutzt wird das Empfehlungsmarketing im Internet bisher nur von Bewertungsportalen. Diese bieten den Verbrauchern eine Möglichkeit, einen Dialog zu führen. Die Verbraucher fühlen sich endlich ernst genommen. Für die Unternehmen sind die Portale eine hervorragende Möglichkeit, eine unvoreingenommene Rückmeldung zu bekommen.
Wenn nun viele Unternehmen die sozialen Netzwerke nutzen würden, um eigene Kampagnen zu verbreiten, wären die Empfänger nach einer Weile überfordert. Dies würde jedoch vermutlich nicht passieren. Denn mit 250 Bekannten von 250 Bekannten haben Sie 62.500 Vertriebsmitarbeiter, die alles über den Endkunden wissen und für Sie die Zielgruppe filtern. Das Filtern ist wichtig, denn es verhindert, dass Informationen an diejenigen weitergegeben werden, die sich nicht für diese Informationen interessieren.
Jemand, der eine bestimmte Sache oder Person weiter empfiehlt, wird sich gut überlegen, ob der Empfänger die Nachricht wirklich zu schätzen weiß. Wenn jemand unnütze oder uninteressante Empfehlungen ausspricht, fällt dies auf ihn zurück. Daher werden Empfehlungen sorgfältig geprüft, bevor sie an einen ausgesuchten Kreis von Empfängern weiter geleitet werden. Diese Empfänger werden also nicht mit Werbung überschüttet.
Die zielgerichtete, gefilterte Weitergabe von Informationen an interessierte Empfänger wird nicht als Werbung empfunden. Allenfalls wird jemand, der allgemein mit zu vielen Mails überschüttet wird, die Absender bitten, ihn nicht mehr anzumailen. Da sich die Absage auf die Mails bezieht und nicht auf die Person des Absenders, beeinträchtigt diese Bitte, nicht belästigt zu werden, die persönliche Beziehung nicht.
Ähnlich wie die Informationsvermittlung in Online-Netzwerken funktioniert die Weitergabe von Adressen bestimmter Zielgruppen. Junge Eltern erhalten zum Geburtstermin Werbegeschenke von Herstellern von Babynahrung. Wer die Adressen der Eltern und die Geburtstermine weitergibt, selektiert hier für die Nahrungsmittelhersteller die Zielgruppe. Auch Menschen, die gerade umgezogen sind, erhalten mit der Ummeldebestätigung der Post eine Menge Werbung: Und tatsächlich sind auch nützliche Hinweise dabei. Das Ausfiltern bestimmter Personengruppen funktioniert zuverlässig: Einem 80-Jährigen wird niemand die Werbung für eine Alterssicherung zusenden.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Es ist für jeden möglich, die sozialen Netzwerke zu nutzen. Wenig effizient ist es jedoch, einfach die Bekannten erster Ordnung um Weiterleitung einer Nachricht zu bitten. Sie haben vielleicht keine Zeit oder kein eigenes Interesse, die Botschaft oder Empfehlung weiter zu geben. Daher hilft ein einfacher Trick: Man bitte seine Bekannten um Erlaubnis, sich direkt selbst an deren Bekannte wenden zu dürfen. Die meisten Menschen haben nichts dagegen. XING ist eine wunderbare Plattform für solche Aktionen. Da in der Regel sichtbar ist, wer welche Kontakte hat, kann man also schon vorher einschätzen, welche neuen Bekanntschaften sich ergeben können.
Ich selbst allerdings zeige meine Kontakte auf XING nicht öffentlich, denn ich bin mir deren Wert bewusst. Die Kraft der Möglichkeiten dieses Netzwerkes kenne ich nur zu gut, deshalb gebe ich die Namen nicht preis.
Doch helfe ich gerne weiter, wenn ich direkt gefragt werde: „Kennst Du jemand, der xy weiß?“ Dann gehe ich folgendermaßen vor: Ich sende meinem Bekannten die Adresse desjenigen, der ihm vermutlich weiterhelfen wird. Dazu setze ich denjenigen in Kopie, den ich empfehle. Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich zahle gleichzeitig auf zwei Beziehungskonten ein. Ich habe zum einen dem geholfen, der den Experten suchte, zum anderen habe ich den Experten weiterempfohlen. Wenn ich diesen nicht davon in Kenntnis setzen würde, würde er eventuell nie erfahren, wer ihm diesen potientiellen Kunden geschickt hat. Und er ist besser vorbereitet, sollte sich dieser melden. Meine Empfehlung ist also doppelt wirksam.
Wenn meine Kontakte auf XING öffentlich einsehbar wären, hätte sich mein Bekannter eventuell selbst direkt an den gesuchten Experten gewendet, dessen Namen er auf meiner Kontaktliste fand. In diesem Fall wäre mir die Chance entgangen, auf die beiden Beziehungskonten einzuzahlen.
Vorsicht ist allerdings bei der Weitergabe von Informationen geboten, die sehr persönlich oder tabubeladen sind. Da ist Diskretion und Fingerspitzengefühl gefragt. So würde ich ungern jemand Dritten in Kopie setzen, wenn ich einen Arzt oder einen Schuldnerberater weiter empfehle – der Empfänger möchte schließlich nicht, dass andere Menschen von seiner Krankheit oder seinen Finanzproblemen erfahren. Ein solcher Fehltritt würde das Beziehungskonto nicht aufladen, sondern vermutlich die gesamte Beziehung zerstören.
Beziehungen leben von Kommunikation. Indem wir uns miteinander unterhalten, erneuern wir unsere Bekanntschaften und erfahren, was den anderen bewegt. Diese Kommunikation bildet die Grundlage für das Marketing im Internet.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen